Matterhorn 4477.5 m / Monte Cervino 4476.4 m


Publiziert von Rimba , 22. November 2011 um 22:58.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:30 August 2011
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Aufstieg: 1217 m
Abstieg: 1890 m
Strecke:Schwarzsee - Hörnlihütte - Matterhorn - Monte Cervino - retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zug
Kartennummer:1347 - Matterhorn / 1348 - Zermatt

Vor über einem Jahr, als ich mit Muellix und Kleopatra unterwegs war und wir die Tour auf das Dirruhorn abgebrochen und wieder unten waren, fuhren die beiden weiter nach Zermatt. Zwei Tage später vermeldeten sie mir ihre erfolgreiche Horu-Tour. Zurück im Unterland lies mich der Gedanke dann nicht mehr los, einmal selber auf dem Matterhorn stehen zu können. Aus dem Gedanke entwickelte sich ein Wunsch.

Realist wie ich aber bin, mussten ein paar Faktoren, welche ich mir selber als Bedingungen auferlegt habe, stimmen um dieses Unterfangen überhaupt zu formulieren. Hier kurz gelistet:
- Eigene Erfahrung & Kondition
- Psychische Bereitschaft (stundenlanges Bewegen in steilem Gelände /  ggf. auch Abbruch der Tour)
- Ein Bergführer mit welchem ich schon mal unterwegs war
- Zustimmung meiner Frau / Familie
- Beste Verhältnisse / Termin in der Nebensaison

Zustimmung: für mich sehr wichtig - als Ehemann und Vater fliessen hier einfach mehr Überlegungen ein ...
Bergführer: Roli Hasler (auf der Tödi-Tour im 2007 kennen- und schätzen gelernt)
Erfahrung & Kondition: mehr ist immer gut / schätzte ich aber als vorhanden ein
Psyche: Die Geschichten um das Horu, die Zustände in der Hütte und lokalen Bergführer haben mir vor der Tour manche unruhige Nächte beschert.
Verhältnisse: Mit Roli habe ich verschiedene Daten reserviert und in der Agenda frei gehalten - das Wetter und der Bergführer haben aber das letzte Wort. Am 25.08. dann der Anruf von Roli: Wetter in den nächsten Tagen stabil - los geht's. Eigentlich hatte ich ja geplant am Mo., 29.08. nach Zermatt zu reisen, änderte dies dann aber ob einer überraschenden Einladung und fuhr bereits am Sa. 27.08. nach Saas-Fee und durfte die perfekte Höhenaklimatisation im Umgelände machen ;-).

Nach dieser Vorbereitungstour kam ich am Sonntag in Zermatt an und übernachtete im Hotel Bahnhof was sich als sehr empfehlenswert erwiesen hatte. Reichhaltiges Abendessen mit Roli, welcher kurz davor noch Tourengäste sicher nach Zermatt geführt hatte. Der Montag dann quasi Ruhetag bzw. "nur" der zweistündige nachmittagliche Aufstieg in die Hörnlihütte. Auf der Fahrt in der Gondelbahn zum Schwarzsee treffen wir noch einen befreundeten Bergführer mit Gast mit dem gleichen Ziel für den nächsten Tag. Wir essen Abends auch zusammen und tauschen uns aus. "Unsere" Bergführer essen mit uns - ihren Gästen - am selben Tisch, das ist nur eine der speziellen Begebenheiten auf dieser Tour welche uns auffallen.

Die Nacht ist unruhig, mein Nachbar zur Rechten steht fünfmal auf klettert hinab und kurz darauf wieder hoch. Rechts davon liegt ein Alpinist, vermutlich aus Japan, welcher die ganze Nacht hindurch am essen und trinken ist - permanentes Knistern und Schluckgeräusche. Links von mir ein Ehepaar aus Deutschland, wobei wohl nur er die Tour machen wird - dem Geflüster entnehme ich, dass sie von ihm x-mal das Versprechen abringt, das ihm nichts passiert. Mann - es soll endlich losgehen, an Schlaf ist ohnehin nicht zu denken.
*Bing* - 04:00 Uhr Lichter gehen an, der Schlafraum hat sich schon zur Hälfte geleert - ich verfahre nach meinem eigenen Prozedere: Anziehen, Sonnencreme, Toilette, Gepäck gleich vollständig nach unten nehmen, Frühstück im Stehen.
*Rumpel* - Gerangel vor der verschlossenen Hüttentür, die ungeschriebenen Gesetze der Abmarschreihenfolge werden durchgesetzt. Wir trinken aus, ziehen uns fertig an und stellen uns in der zweiten Hälfte an.
*Wamm* - 04:30 Uhr die Tür wird geöffnet (wie im Hunderennen - nur das keine Kaninchenattrappe loszischt) und der Stirnlampen-Tazzelwurm geht im Laufschritt bis zum Einstieg am Matterhorn. Da hier ohnehin gewartet werden muss, werde ich hier erst an die Leine ääh das Seil genommen ;-)

Ab dem ersten Griff an das erste Fixseil beim Einstieg geht's flott hinauf. Die Eindrücke sind einfach zu beschreiben: dran bleiben, atmen und dran bleiben. Es geht mir gut, fit bin ich, das Gelände mit guten Tritten einfach und rund herum sieht man noch nichts. Zu ein paar Seilschaften schliessen wir auf und "dürfen" passieren / überholen.

Der Tag bricht langsam an und die Lichtverhältnisse lassen es langsam zu, die Umgebung in welcher wir uns befinden, zu erkennen. Bereits hoch oben am Grat und ich versuche jede Gelegenheit zu nutzen um zu trinken und Foto's zu machen. Das erwarte ich als Gast auch, dass dies mein "Gastgeber" und Bergführer auch zulässt. Weiter geht's hinauf, hinauf, auf jeden Schritt konzentrieren - versuche gleichzeitig zu geniessen und die Verhältnisse aufzusaugen - Wahnsinn ich bin nach oben unterwegs - es läuft gut.

An zwei, drei Stellen kommen wir ganz leicht von der Optimalroute ab und schon merke ich auch sofort, was an diesem Berg so krass ist: den richtigen Weg zu finden! Die Füsse finden nicht mehr so leicht Halt, loses Gestein und wie geht es nun weiter - aha, hier 2 Meter neben uns wäre es besser - wieder auf der Optimalspur - Krass. Neben uns taucht plötzlich ein Bergsteiger auf, der war nicht vor und nicht hinter uns. Auf seinem Helm ist eine dünne Eisschicht - hat der in der Wand übernachtet? Er folgt uns nur ein paar Minuten, bis vermutlich der Abstand wieder so gross war, dass er von der Optimalroute abgekommen ist und abreisen lassen musste.

Über uns taucht der Berg nun im orangen Morgenlicht, kurz darauf erreichen wir die Solveyhütte. Trinken und Wasser lassen - riechen tut's hier ohnehin noch nach mehr. Die untere Mosleyplatte lässt mich dann erahnen was hier für Verhältnisse herrschen, wenn nicht alles so trocken und schneefrei ist wie heute. Im inzwischen eingespielten Rhythmus - Roli voraus, ich ziehe nach oder am laufenden Seil (mal lang, mal kurz - da arbeitet Roli gewaltig) - geht es hoch.

"Jetzt ziehen wir die Eisen an" meint Roli und wir betreten den weissen Teil des Berges, gute grosse Tritte erleichtern den Aufstieg, Fixseile werden dankend genutzt und um jeden Metallanker das Seil zwischen uns gelegt. Wir befinden uns in einem homogenen Kontext - die Seilschaften vor und hinter uns alles im etwa selben Tempo unterwegs. Erste kleine Schnee- und Eisstückchen kündigen eine Änderung der Situation an. Die ersten und damit schnellsten Führer sind mit Ihrem Treibobjekt (von Gast kann da nicht die Rede sein) bereits wieder nach unten unterwegs. Gehetzte Blicke des ersten Heruntergelassenen treffen mich und ich grüsse. Frage dann, wie lange sie oben am Gipfel waren. Etwas wie ".. mpf - mache was mir geheissen wird .. " erhalte ich als Antwort. Sein Führer hängt mein Seil, aus der sich dort befindenen Sicherungsmöglichkeit aus und sein Seil hinein. Ich reklamiere und erhalte eine Kostprobe von der lokalen Meinung über Unterländer. *Zack* der Führer drückt seinen Gehetzten mit gestrecktem Arm über die Kante und lässt ihn am Seil auf die nächste Stufe herunter - weg sind sie. Die nächsten paar Minuten wirbeln dann scharfe Walliserkommandos hinter den nach unten Getriebenen um uns herum, bis wieder Ruhe einkehrt. Da muss ich gleich noch eines der Foto's machen, was diese Gäste nie haben werden.

Die Bronzefigur des Heiligen Bernhard taucht auf und kurz darauf stehen wir auf dem Schweizer Gipfel. Die kurze Rast machen wir dann aber beim Kreuz auf der Italienischen Seite - Glücksgefühle kommen hoch, wobei ich mir ja schon versucht habe ein zu programmieren, dass ich hier erst 40% der Tour haben werde. Also Emotionen kontrollieren, einen Riegel essen, trinken und Foto's machen.

Das fällt aber schon sehr schwer, da gratulieren wir anderen Bergführern und Ihre Gästen spontan und uns wird auch gratuliert als wir wieder auf dem Rückweg zum Schweizer Gipfel sind. Ich könnte heulen vor Glück, weiss aber das der Einstieg in den Abstieg wieder vollste Konzentration benötigt - Emotionen tief halten und ein paar Foto's machen. Der Moment der Konzentration kommt dann auch kurz danach, jetzt nur nicht mit dem Steigeisen in der Hose einhängen und stolpern. Ich habe mich am Vortag gegen Gamaschen entschieden, also nun kein Schei... produzieren und breitbeinig laufen - was zumindest die Spuren hergeben. Kurz nach der Bronzefigur kommt uns der Alpinist mit dem Eis auf dem Helm entgegen - ich freue mich für diesen Menschen plötzlich unglaublich, obwohl ich ihn zuvor nur im Aufstieg kurz gegrüsst habe - Höhenluft und Emotionen eben. Zum Glück habe ich eine Brille an, sonst hätte da jemand gar noch etwas Feuchtigkeit in meinen Augen gesehen. Ich gratuliere ihm ebenso herzlich wie den anderen schon zuvor, obwohl er noch nicht mal oben ist.

Nun normalisierte es sich wieder bei mir und ich verrichte meine 60% der Tour nach Plan. Nachdem wir wieder auf Gummisohlen unterwegs nach unten waren, lag viel bei mir den richtigen Weg zu finden. Teilweise fast als Scout, laufe ich nach unten. Jeden Tritt und Schritt ganz genau platzieren und den Anweisungen von Roli nachkommen. Das Seil über jede kleine Felsnase oder Metalstift legen um eine minimale Seilschaftssicherung zu gewährleisten. Die Stellen an welchen ich und andere Gäste dann den Komfort des Abseilen geniessen durften, wurden von allen Bergführern abgeklettert - eine weitere Leistung, welche einfach erwähnt werden muss. Noch immer sind Seilschaften nach oben unterwegs. Diese aber nun immer ohne Bergführer und teilweise in komischer Konstellationen oder mit spezieller Seiltechnik.

Die Hörnlihütte war schon lange sichtbar, der Grat und die Höhenmeter zwischen ihr und uns aber noch immer sehr lang und viel. Jetzt brauchte ich für viele Bewegungen länger als gewohnt oder drehte mich falsch - die Konzentration lies langsam nach - wir machten eine kurze Pause und entledigten uns einer Kleiderschicht. Ich musste mich nun echt zusammen nehmen, denn hier wäre ein Ausrutschen oder anderer Fehler noch immer fatal. Ja schon fast dankend erreichten wir die untersten Fixseile und passierten vorsichtig die eisglatten Querbänder, welche mir am Morgen früh gar nicht so speziell aufgefallen sind.

4 Meter, 3 Meter, 2 Meter .. das letzte Seil und die letzten beiden Stahlsprossen sind geschafft. Wir stehen am Ein- / Ausstieg. Nach ziemlich genau 9 Stunden wieder am selben Ort und endlich mal ein Meter gehen oder laufen zu können ohne nicht auf den Boden zu sehen - WAHNSINN - ich bin unten bzw. ich war oben: Geschafft - ich bin geschafft.

Ich danke Roli herzlichst und muss aufhören zu reden weil mich nun meine Glücksgefühle wieder einholen. Damit es aber nicht ganz ausartet, Ihr ahnt es schon: ich mache Foto's.
Zurück in der Hörnlihütte die Stöcke und das restliche deponierte Material holen und Richtung Schwarzsee aufbrechen. Unterwegs holen wir noch den Bergführer mit dem japanischen Alpinisten ein, welcher die letzte Nacht dauern am essen und trinken war. Ich erkundigte mich dann, ob sie es auch bis nach oben geschafft hatten, was verneint wurde. Was mögen wohl die Gründe dafür gewesen sein - ich weiss es nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, dass es Alpinisten gibt, die um die halbe Welt reisen um mal auf diesem Berg gestanden zu sein, ist es schon hart, es dann nicht geschafft zu haben.

Das es an diesem Tag wohl von den ca. 70 Personen in der Hütte (ca. 35 Seilschaften) dann nur ein Teil geschafft haben ist auch klar. Mir war es mir heute vergönnt auf der erfolgreichen Seite gewesen zu sein bzw. anscheinend waren die richtigen Vorbereitungen, der passende Bergführer, Wetter und Berg zum gewählten Zeitpunkt perfekt.

Rimba

P.S. mit der überraschenden Tour vor zwei Tagen auf das Nadelhorn, wurde das Matterhorn genau zu meinem 10ten 4'000ender - ein tolles Jubiläum, was mich gerade nochmals freut.

Tourengänger: Rimba


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Kommentare (10)


Kommentar hinzufügen

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 22. November 2011 um 23:50
Gratuliere Dir, ganz toller und sehr einfühlsamer Bericht. Ich erkenne mich in Deinem Bericht selbst wieder und kann Dir bei den beschriebenen Momenten nur nachfühlen - wirklich super!

Weiterhin tolle Touren und nachträglich gratulation zu Deinem Jubiläums-4000er!

Gruss
Bombo

Rimba hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. November 2011 um 21:49
Bombo: besten Dank & Dir sei auch für Deine Horu-Tour gratuliert!

eugen hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 23. November 2011 um 06:15
zur Besteigung des Matterhorns. Interessanter und lesenswerter Bericht. Weiter so.

Gruss aus dem OVS
Eugen

Rimba hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 23. November 2011 um 22:05
Vielen Dank Eugen - wie ich eben gesehen habe, bist Du dem Berge auch schon bekannt - Gratulation zurück!

WoPo1961 hat gesagt:
Gesendet am 23. November 2011 um 14:31
Auch aus Flachlandhausen nen herzlichen Glückwunsch zu DIESER gelungenen Tour. Toller Bericht, deine Emotionen konnte ich fast spüren.
Werde im näxten Jahr auch das Matterhorn versuchen, aber von der italienischen Seite in der Hoffnung, das es dort ein Hauch ruhiger ist
Grüße aus dem hohen Norden
WoPo

Rimba hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. November 2011 um 22:06
Da wünsche ich Dir natürlich nur das Beste und bin gespannt auf Deinen Bericht davon - Danke für die Glückwünsche, WoPo1961.

Baldy und Conny hat gesagt: auch wir
Gesendet am 23. November 2011 um 14:54
möchten ganz herzlich zu Deiner Besteigung und den Bericht gratulieren
Gruess Angelo und Conny

Rimba hat gesagt: RE:auch wir
Gesendet am 23. November 2011 um 22:14
Angelo & Conny: vielen Dank auch Euch beiden - es freut mich sehr, dass sich auch solche Routiniers zum lesen mitnehmen konnte. Danke.

sven86 hat gesagt:
Gesendet am 23. November 2011 um 15:30
Du hast uns ja schön mit auf die Reise genommen. Glückwunsch zum Gipfelsieg!

Rimba hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. November 2011 um 22:15
sven86: Gern geschehen ;-)
Selber machen ist aber auch sehr zu empfehlen.
Danke & Gruss


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