Widderalpstöck-Fähnligipfel (1986 m): Einmal durch die Höll


Publiziert von marmotta , 15. Oktober 2011 um 15:40. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:14 Oktober 2011
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Aufstieg: 1150 m
Abstieg: 1150 m
Strecke:Brülisau - Brüeltobel - Plattenbödeli - Stifel - Hundsteinhütte SAC - Fähnligipfel via "Altes Südplättli" - Scharte westl. Fähnligipfel - Höll - Hundsteinhütte - Bollenwees - Brülisau
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Brülisau, ausserhalb der Fahrtzeiten der Appenzellerbahnen auch mit PubliCar (Tel. 0848 55 30 60) ab Appenzell erreichbar (Mo-Do: 6-19 Uhr, Fr+Sa: 6-23.30 Uhr, So und allg. Feiertage: 7-19 Uhr)
Kartennummer:LK 1115 Säntis (1:25.000)

Der aus 3 (benannten) Gipfeln -und einigen namenlosen Gipfelchen und Türmen- bestehende Bergstock der Widderalpstöck bietet dem (Alpin-)Wanderer, welcher im Hundstein einen weitaus lohnenderen Gipfel findet, nicht besonders viel und wird von ihm dementsprechend selten besucht. Begeisterte Kletterer hingegen finden im Fähnligipfel (1986 m), dem östlichsten Gipfel der Widderalpstöck, sowie in der Überschreitung zum Mittelgipfel ein sehr dankbares Ziel: Mehrere eingerichtete Routen im unteren bis mittleren Schwierigkeitsbereich führen durch die Südwand des Fähnligipfels mit seinen charakteristischen, von Wasserrillen und -löchern durchzogenen Schrattenkalkwänden. Geplant hatten wir eine Überschreitung der Widderalpstöck à la radivi (s. hier), Haupt- und Mittelgipfel kannte ich ja bereits von meinem ersten Besuch der Widderalpstöck. Doch es sollte anders kommen…
 
SF Meteo vermeldete am Vorabend, dass die aufkommende Bise den Hochnebel an die Voralpen drücken und dieser sich dort zäh halten würde. Die Obergrenze solle sich auf einer Höhe zwischen 1400-1900 m befinden. Die grosse Frage war also: War der Fähnligipfel mit 1986 m hoch genug, um aus dem Nebel herauszuschauen?
 
Nachdem wir in Brülisau (920 m) im dichten Nebel gestartet waren, durchbrachen wir bereits am Plattenbödeli (1279 m) die Nebeldecke und blickten in einen strahlend blauen Himmel - der Tag war gerettet! Wirklich?
 
Zugegeben: Der Anmarsch zum Einstieg in die Kletterrouten an den Widderalpstöcken ist schon etwas lang und öde - doch mit dem unvergleichlichen Berglurch an meiner Seite war es wie immer sehr kurzweilig.
 
Eine böse Vorahnung beschlich mich, als wir oberhalb der Hundsteinhütte (1551 m), von der man noch bis P. 1721 dem (weiss-blau-weiss markierten) Hundsteinweg folgt, bemerkten, dass wir die Wand nicht -wie in meiner Naivität gehofft- für uns alleine hatten, sondern sich bereits mehrere Seilschaften einer grösseren Kinder- und Jugendgruppe am Einstieg befanden. Als wir dann auch noch erfuhren, dass die Kinder und Jugendlichen alle das "Alte Südplättli" klettern wollten, auf das auch ich fokussiert war, standen wir bald einmal vor der Frage: Abbruch der Tour oder das (für mich) Unmögliche versuchen und in eine der V-Routen (Röstiraffle oder Südwestkante) einsteigen. Nach kurzem Inspizieren der 1. Seillänge der "Röstiraffle" (5b) war schnell klar: Das mach ich nicht auf der gesamten Länge mit - die Schwierigkeiten hätten mich heillos überfordert!
 
Wir entschieden dann, zu warten - und den Kinderseilschaften zu folgen. Dieses Warten sollte sich dann über die gesamte Tour fortsetzen.
 
Zur klassischen Route "Altes Südplättli" gibt es nicht viel zu sagen. Die Linie ist ja durch die Bohrhaken und eingerichteten Stände mehr oder weniger vorgegeben. Die Schwierigkeiten bewegen sich zwischen Gehgelände (I) und III, die kniffligste Stelle (IV-) befindet sich zu Beginn der 2. SL in einer grossen Verschneidung. Der Fels ist trotz einiger durch die vielen Begehungen bereits abgespeckter Stellen ein Traum: bombenfester Wasserrillen-Kalk, man muss die Wand nur noch "hochlaufen"… :-)
 
Leider hat es zwischendurch einmal kurz und bei Ankunft auf dem Gipfel dann endgültig eingenebelt, so dass wir keine Aussicht geniessen durften. Während der wiederum unendlich langen Wartezeit auf dem Gipfel wurde es auch empfindlich kühl, waren wir doch nur mit dünnen Shirts bekleidet. Der Blick in die Tiefe und hinüber zu dem sich schemenhaft abzeichnenden Grat zum Mittelgipfel war gespenstisch und lud -abgesehen davon, dass es zwischenzeitlich ohnehin zu spät geworden war- nicht unbedingt zu einer Überschreitung ein. Irgendwann wollten wir einfach nur noch runter, und das möglichst vor Einbruch der Dunkelheit!
 
Da wir nur ein 60m-Einfachseil dabei hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als nach den ersten beiden Abseilmanövern über die Platten der Südwand "abzubiegen" und über eine senkrechte Wand 12 m hinunter in die Scharte zwischen Fähnligipfel und Mittelgipfel abzuseilen (Kette mit Ring). Lt. Führer soll man von hier über einen Gamspfad in ein nächstes Couloir gelangen, von dem abermals in 3 Sektionen bis zum Geröllausläufer am Fuss der Südwände abgeseilt werden kann. Tatsächlich ist diese Route weiter unten mit alten, verblassenden orangen Pfeilen markiert.
 
Es wurde für uns nun zu einem Wettlauf gegen die hereinbrechende Dunkelheit. Zwischen den einzelnen massiven Ständen (Kette mit Muniring) müssen immer wieder einige Meter abgestiegen bzw. abgeklettert werden (T5), insbesondere beim 1. Abseil in einer Rinne nach Westen reichte das Seil gerade nicht - eine letzte Stufe (ca. 3m, II) kletterten wir ab.
 
Das absolute Highlight dieses eher abenteuerlichen Abstiegs wartete dann aber ganz zum Schluss auf: Die nach Süden jäh abstürzende Felsschlucht verengt sich irgendwann zu einem Schlund, unter dem die Wände überhängend abbrechen. Hier lag auch noch Schnee, was der Sache noch einen alpinen Touch verlieh. An gutem Stand direkt oberhalb des Abbruchs seilten wir knapp 30 m frei hängend spektakulär zum Boden ab, wo wir im tiefen Schnee versanken. Eine Schrecksekunde bescherte ich Berglurch wohl, als ich ihm nach Herabwerfen des Seils verkündete, dass das Seil nicht bis zum Boden reiche und frei in der Luft hinge! Gut, ich hatte es in der Dämmerung in der finsteren Felsschlucht (welche der SAC-Clubführer nicht umsonst als "Höll" bezeichnet) im ersten Moment einfach nicht richtig gesehen. Beim nochmaligen Seilhochziehen und -abwerfen sahen wir dann, dass das Seil gerade bis unten reichte. Gottseidank, ansonsten hätte nur noch die 1414 weitergeholfen…
 
Unten angekommen, rannten wir (nachdem wir mit vereinten Kräften das widerspenstige Seil abgezogen hatten) in der einbrechenden Dunkelheit noch einmal zum Einstieg am Fähnligipfel, um unsere dort deponierten Sachen zu holen und stiegen (nun mit Stirnlampe) vorsichtig zur Hundsteinhütte und weiter zur Bollenwees ab. Von dort war es dann noch eine besinnliche Nachtwanderung bei sternklarem Himmel und Vollmond zurück nach Brülisau, wo uns das (unterwegs telefonisch bestellte) PubliCar zu einer Unzeit (vor allem, wenn man den frühen Start um kurz nach 8.00 Uhr bedenkt) nach Appenzell brachte.
 
Ein langer und intensiver Tag im Alpstein war zu Ende.  
 

Tourengänger: Berglurch, marmotta


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