"..du bist mein Faltblatt!"


Publiziert von Henrik , 5. August 2011 um 21:37.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:31 Juli 2011
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI 
Zeitbedarf: 4:00
Abstieg: 850 m
Strecke:Bosco/Gurin - Cerentino - Linescio
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV FART und s'Poschti
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV FART und s'Poschti
Unterkunftmöglichkeiten:Ostello in Cavergno
Kartennummer:map wanderland

 
 ....auch wenn die SBB sich von ihren anfälligen Cisalpinos getrennt haben, treten bei den aktuell verwendeten Kompositionen wie beim EC 51 technische Probleme auf – die Züge, so die Statistik, treffen allerdings pünktlich im Zielbahnhof Mailand ein! Das Platzgewusel fing daher schon in Basel an, eine kaum zu verstehende Lautsprecher-Information schepperte durch den Raum, man möge heute (...) das Ausbleiben der elektronischen Platzreservation entschuldigen! ...wenn das die Reisenden wüssten, dass das jeden Tag der Fall ist... ich sass bis Bern wahrscheinlich auf einem solchen. Höflicherweise empfahlen die SBB per Lautsprecher (einzelne Brocken waren zu identifizieren), man möge deswegen den Ersatzzug in Bern auf Gleis 5 in Anspruch nehmen, der sei nicht belegt...was nicht zutraf. Denn dort sassen zuhauf Leute, die den Markt in Domodossola zu besuchen hegten – der Euro lockt bzw. der Franken kann zur Zeit alle in die Knie zwingen. Nach dem Simplon pures Blau am Himmel, der ziemlich kontrastierte zum Wettergeschehen der vergangenen Tage. Der Pano-Zug, auf den zwei Franken Zuschlag im Zug beizusteuern sind, war vollbesetzt – irgendwie hatte ich den Riecher einen Musterplatz für die Fahrt gewonnen zu haben, ich sass auf einem Einzelplatz mit genügend Beinfreiheit (neben der Führerkabine) und genoss so auch die Rundumsicht, da am Heck dieses Kurzzuges, mit Ziel Locarno.
 
 ....die Stationen, an denen der D 43 vorbeikommt, kennen die hikr.s aus den Berichten von Zaza – trotzdem hätte ich gerne noch Aufschluss bekommen, wie orografisch rechts die Narbe unterhalb des Monte Mater entstanden ist, die einen auch schon deshalb auffällt, weil von grün umgeben? Der Zug hielt nicht überall, aber überall ist Ferienzeit – Häuser, die ich durch meine vielen Tessinzufahrten auch in diesem Tal höchstens mit geschlossenen Jalousien in Erinnerung habe, haben Bettwäsche auf den Fensterbänken liegen oder mehrere Fahrzeuge stehen im Garten bzw. den vorgelagerten PP.
 
 ....in Camedo verlasse ich das Centovalli-Bähnli, steige die paar frisch geputzten Treppenstufen hinan auf die Strasse und 5 Minuten später stehe ich vor der Osteria Grütli – das Lokal von Christina Berger und Hans Gloor. Dieses Jahr bin ich weit weniger oft dorthin gekommen, aber ich werde erkannt und kann die folgenden Stunden Platz nehmen unter der Pergola, um später auch noch Mittag zu essen. Ich belege einen runden Tisch und besetze alle andern drei Stühle mit Gepäck und Lesestoff ... diesmal nur mit NZZ-Feuilletons und zwei Büchern (Bonhoeffer und ein literarisches Wanderbuch). Eine hausgemachte Pasta und Salbeisauce gelangen auf den Teller, dazu ein Glas Weisswein. Auf der Strasse, die die Terrasse und die Osteria trennt, kann die ganze automobile Gegenwart miterlebt werden – sozusagen der Laufsteg der neuesten Modelle. Dazu noch die Muskelpakete der TdF-Nachahmer-Protagonisten, und wer das nicht vorweisen kann, mietet ein Velo ab Camedo nach Locarno....(nur vormittags möglich)! 

 .... um kurz vor 21 Uhr kommt Edith aus Zürich anreisend in Cavergno an – wir sind getrennt ins Tessin gefahren, da sie noch bis um 16 Uhr gearbeitet hat. Cavergno ist für drei Nächte unser Liege- und Startplatz: bei Heike Thielbeer und ihrem Ostello LaCurva. In der nahen Pizzeria gibt es noch vor 22 Uhr warme Küche – das Dorf wirkt ausgestorben, als wir zu unserem Nachtlager zurückspazieren. Über und um uns steile Bergflanken, die Seeger fast alle durchstiegen haben wird?
 
 ....da die Busverbindung ab Cavergno nach Bosco/Gurin nicht auf das Poschti passen (ausser Mo-Fr der erste Kurs), spazieren wir am Sonntag in der Frühe nach Cevio: dabei bemerken wir doch immerhin auch Fortschritte beim Langsamverkehr – zwischen Cevio und Bignasco wird in den kommenden Wochen eine neue Brücke eingeweiht, nicht nur für Zweiräder! Im Bus nach Bosco nur ganz wenige andere Ausflügler – das zur Ferienzeit. Uns kann’s recht sein. Die anstehende Wanderung habe ich schon mehrfach durchgeführt, einige Male alleine, auch schon mit Claudia, Regula und sogar mal mit Natascha. Trotzdem habe ich das entsprechende Faltblatt Bosco Gurin dabei, das wie einige andere aus der Serie Steinwege überall in der Maggiana aufliegt. Es steckt in der weiten Seitentasche meiner Fjällräven-Hose. Nach Eintreffen in Bosco stehen wir vor der grossen Infotafel, die noch etwas mehr über das einzigartige Dorf dem Besucher zeigen will ...dabei empfehle ich Edith auch einen Blick auf das mitgeführte Faltblatt zu machen – erst die Kombination beider kann mehr als ich weiss: trocken meinte Edith dann ...du bist mein Faltblatt, sprach’s und spazierte kühn geradewegs ins Zentrum. Sonnenbrille aufgesetzt, Schildmütze zurechtgezupft ... noch einen Espresso gefällig, nein, danke. Ich machte mich an meine Aufgabe ...als ihr ganz persönlicher Guide; zuerst besuchten wir die Kirche, danach den langen Stall im Talboden und schliesslich aus dieser Warte den Gesamtblick auf die besterhaltene Walsersiedlung auf der Alpensüdseite. ..Von nun an ging’s bergab! Dem Lauf der Rovana folgend, auf immer besser gepflegtem Wege, über gemähte Wiesen, sogar auf Pferde stießen wir. Auch die Sonne ließen wir auf unsere Haut, verweilend, dem Glucksen des Wassers lauschend. Gegenverkehr war bis Cerentino nicht anwesend. Am Dorfeingang eine Markung mit einer Gruppe Esel mit einigen Jungtieren, die sogar Sand zur Verfügung hatten, um sich der Plagegeister mindestens zeitweilig zu entledigen.
 
 .... eigentlich wäre Cerentino unsere Tagesziel gewesen (so mein Vorhaben), leider stellte sich heraus, dass das Dorffest  erst um 19 Uhr beginnen würde – aussichtslos, nach 17 Uhr fährt das letzte Poschti zu Tal. ÖV  ist also auch hier noch sehr ausbaufähig! Stattdessen fanden wir Mario Ceresa von der Vereinigung é Rovana in seinem Haus und Garten bei Wein und Pasta sowie Besuch aus Apulien – wir konnten hier eine kleine Rast einlegen.


 .... die alte Strasse zwischen Cerentino und Collinasca fanden wir ohne zu suchen – ich kannte diesen Weg, der nicht als WW aufgenommen ist, aber weitestgehend noch als intakt bezeichnet werden kann. Schwieriger und einmal mehr bestätigend, die schwache Leistung was die Markierungen im Tessin so mit einen anstellen können. In die Irre führen oder einen auf den Asphalt verbannen – trotzdem, wir fanden den Einstieg für den WW nach Linescio tatsächlich später auf der Strasse ... und folgten ihm die restlichen Meter bis dorthin. Sogar eine Stelle, die ich mit einer T4 bewerten würde (...).  Wir erreichten die ersten Häuser nass geschwitzt, die Luftfeuchtigkeit an diesem Nachmittag nahm erheblich zu ... schließlich fanden wir die neue Osteria Sascola, die im ehemaligen Schulhaus ihren Platz gefunden hat ... das ist immerhin eine positive Nutzungsänderung, die die Ursprünge nicht vergessen lässt: ein Ort des Zusammenseins, hier mit viel Farbe und sogar der Toilettenbesuch im Untergeschoss kann zum Erlebnis werden... da kenne ich Dutzende von Servicewüsten mit angeblich gehobenem Charakter auf der Speisekarte, aber der Absturz was Hygiene anbelangt, ist dort garantiert...
 
 .... um halb sechs kam das Poschti, gerade reichte es noch für den Umstieg in Cevio, sodass wir das Znacht dann einen Steinwurf vom Ostello einnehmen konnten: Ristorante Bocciodromo – der weisse Merlot besticht beinahe in allen Lokalitäten, so auch hier. Nach neun Uhr abends flattern die ersten Fledermäuse Kapriolen schlagend und die Strassenlampen werden zu Marktplätzen der Insekten, sich in gutem Licht zeigen dürfen....


Zwei Tage mit Edith
  
  


Tourengänger: Henrik


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