Herbsttag an der Simplonbahn


Publiziert von ABoehlen , 7. November 2010 um 16:36.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum: 6 November 2010
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 550 m
Strecke:Iselle Stazione - Bertonio - Varzo - Campaglia - Altreggiolo - Varzo - Bertonio - Iselle Stazione, 17 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Iselle di Trasquera
Unterkunftmöglichkeiten:Bed&Breakfast "Casa Castelli" in Varzo
Kartennummer:LK275 Valle Antigorio

Als Strecke mit besonderem Flair bezeichnet die Ausgabe 4/2006 der Zeitschrift "Züge" die Simplon-Südrampe, der damals das Titelthema gewidmet war. Grund genug, dieser Linie mal zu Fuss zu folgen, zumal ich sie bisher nur aus der Optik des Bahnreisenden kannte, dies aber zu allen Tages- und Jahreszeiten. Im Gegensatz zu anderen, weit berühmteren Südrampen, wie beispielsweise jener am Lötschberg, stehen hier allerdings keine Wanderwege zur Verfügung. Dafür hat man auch an einem strahlend schönen Herbst-Samstag seine Ruhe.

Wie viel Wert das ist, wird mir bereits auf der Anreise bewusst. Obwohl der morgendliche Neigezug ETR610 mit einem überlangen EW IV-Pendelzug entlastet wird, ist dieser bereits in Bern rappelvoll, was zur Folge hat, dass sich in Thun und Spiez ein gewisses Chaos abspielt. Die Szenerie ändert sich schlagartig, als ich in Brig auf die "Strada del Sole" umsteige, wo ich nebst einem schlafenden Mitreisenden der einzige Passagier bin.

Iselle, jenseits des Simplontunnels, liegt im Schatten, was im Winterhalbjahr ein Dauerzustand ist - kein Wunder bei 2000 Meter hoch aufragenden Gebirgsmauern im Süden. Der tiefblaue Himmel kündet jedoch einen prächtigen Herbsttag an. So mache ich mich auf den Weg Richtung Sonne. Wobei es einen "Weg" aber eben nicht gibt, nur die stark befahrene Hauptstrasse. Das ist nicht besonders angenehm, vor allem im Tunnel nicht, wo an verschiedenen Stellen das Wasser von der Decke spritzt und die Fahrzeuge durch die dadurch entstehenden Pfützen brausen. Nach eineinhalb Kilometern biegt aber die alte Strasse nach Varzo ab, und sofort wird es ruhiger. Genau am richtigen Ort, unter dem Cairasca-Viadukt in Bertonio, kommt die Sonne hervor und taucht die ganze Szenerie in ein warmes Licht.

Meinem handgeschriebenen "Fahrplan" entnehme ich, dass gegen 10 Uhr mehrere Züge diese Brücke passieren werden. Aufgrund der derzeit laufenden Bauarbeiten im Bereich des Varzo-Kehrtunnels ist nur eine Spur verfügbar, wodurch sich das ganze etwas verzögert. Kein Problem, ich habe es ja nicht eilig und dass die Züge nur in sehr langsamer Fahrt diese Stelle passieren, kommt mir beim Fotografieren sehr gelegen.

Vorbei am Bahnhof und durch den alten Ortskern von Varzo geht es weiter, nun auf einem Strässchen dem sonnigen Abhang des Tales entlang. Dort wo die Zufahrt nach Altreggiolo links abbiegt, gehe ich rechts und erreiche auf einem Feldweg eine ziemlich eingewachsene Brücke über die Bahnlinie, wo ich einige weitere Züge abwarte. Die Simplonbahn mag zwar für Wanderer nicht besonders ideal sein, dafür ist der Zugverkehr weitaus abwechslungsreicher als etwa am Lötschberg!

Zurück auf der Strasse durchquere ich den Ortsteil Riceno und erreiche bald darauf die Einmündung in die Hauptstrasse. Dort befindet sich unmittelbar neben den Geleisen die Siedlung Campaglia, oder besser gesagt, das was davon noch übrig ist. Denn es ist unschwer festzustellen, dass dieses Dorf schon seit Jahren verlassen ist. Durch einen schmalen verbuschten Durchgang unter der Bahn hindurch, erreiche ich die Häuser, die ganz oder teilweise eingestürzt sind, und die sie trennenden Gässchen sind derart dicht mit Gestrüpp überwuchert, dass an ein Durchkommen nicht zu denken ist.

Genau gegenüber befindet sich die Abfahrtsrampe, die von der Hauptstrasse zur alten Talstrasse führt. Dort begegnet mir etwa um 12.30 Uhr der mit einer doppelten EWII-Komposition geführte Regio nach Brig im letzten Sonnenlicht des Tages. Wenige Minuten später verschwindet die Sonne bereits hinter den hohen Bergen und das Tal liegt bald mehr und mehr im Schatten.

Der Tag ist aber noch lang, daher lege ich auf dem Rückweg noch eine Zusatzrunde ein, die mich auf sehr steilem Weg nach Altreggiolo führt und vorbei an den Weiden der "Associazione Esign da Varsc" hinauf in die Kastanienwälder Richtung Alpe Dai. Die Suche nach Kastanien bringt allerdings nur einen geringen Ertrag, vermutlich ist es dazu im November halt schon etwas zu spät.

Zurück in Iselle reicht die Zeit noch, ein Stück des Weges nach Pianezza hinaufzukraxeln, den ich von früheren Touren (hier und hier) bereits gut kenne. Kastanien finden sich hier auch keine mehr, nur die stachligen Hüllen liegen noch in grosser Zahl auf dem Waldboden.

Um 15.30 Uhr verlasse ich auf der "Strada del Sole" die Alpensüdseite wieder und nach einem Zwischenhalt in Brig, den ich zum Kaffeetrinken und Ansichtskarten schreiben nutze, geht's mit einem InterCity heimzu. Dort setzt in Visp bereits wieder der Kampf um die Sitzplätze ein und ab Thun werden auch die Stehplätze Mangelware. Wie einsam und ruhig es doch im Val Divedro war...

Tourengänger: ABoehlen


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Kommentare (2)


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Henrik hat gesagt: ..deine Bahnbilder könnte ich
Gesendet am 7. November 2010 um 17:58
samt und sonders favorisieren...ich tue es deshalb als Kommentar!

Es bebt jedesmal in mir, wenn die Bahn ins Zentrum gerückt wird...

Danke und herzlich

silberquäki

ABoehlen hat gesagt: RE:..deine Bahnbilder könnte ich
Gesendet am 8. November 2010 um 19:15
Danke für die Blumen :-)
Ja, im Val Divedro ist es nicht schwer, die Bahn ins Zentrum zu rücken - es ist ein schönes Beispiel wie Natur und Technik miteinander harmonieren.

Beste Grüsse
Adrian


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