Leventina: Eskapaden im Val d’Ambra – Valle di Bri


Publiziert von Seeger , 11. August 2010 um 14:59.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:10 August 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Poncione Rosso   CH-TI   Gruppo Madöm Gross 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:1. Tag: (5 km) Bacino Val d’Ambra Parkplatz 650m – Monastei 895m - Capanna Tecc Stevan 1010m, 2. Tag: (11km) Capanna Tecc Stevan 1010m - Pozzolo 1489m - Torn 1175m - Cassinone 911m - Monastei 895m - Bacino Val d’Ambra Parkplatz 650m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Biasca – Bodio – Personico – Bascino Val d’Ambra Ö.V.: Postauto von Bignasco nach Personico. Aufstieg über rot/weiss markierter Wanderweg (1 ½ Std. zum Bacino Val d‘Ambra)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Tecc Stevan 1010m, Capanna Monte di Dentro 917m des Patriziato di Pesonico, www.capanneti.ch
Kartennummer:Osogna 1293

Eldorado für alle Offroad-Fans! Das Tälersystem südwestlich oberhalb Bodio/Personico: Val d’Ambra mit den Seitentälern Val Bedri - Val Iametta – Val Gagnone - Val Rierna – und eben das Valle di Bri, welches ich heute besuche. Zugegeben, die Pläne waren anders: Ich wollte das Valle di Bri hinauf und das Val Rierna hinab. Daraus wird ein Abenteuer erster Klasse. Action pur!
Aufstieg ab Bacino Val d’Ambra Parkplatz 650m über Monastei 895m durchs einmalige Val d’Ambra in den Nachmittagsstunden. Welch ein netter Empfang in der neu ausgebauten Capanna Tecc Stevan 1010m! Ein versierter Tessinkenner in sympathischer Begleitung. Der Holzherd sei nicht benützbar. Das gibt’s doch nicht, sage ich mir und versuche mein Glück. Nachdem ich das ganze Haus ausgeräuchert habe und meinen Mitbewohnern genug auf die Nerven gegangen bin, stecke ich auf und befördere das corpus delicti mithilfe des geduldigen Partners und dem Backofenblech ins „Camino“. Qual vergogna! Schlechter Auftritt. Dennoch teilen wir uns kameradschaftlich das offene Feuer und die wenigen Pfannen. Nachtessen. Risotto con funghi und ein Spargelcrèmesüppchen. Austausch des Wissens über die Tessinertäler. Danke für die netten Stunden!
06 30 Uhr gemeinsame Tagwache. Wieder das offene Feuer in Betrieb nehmen. Kaffee und Müesli/Banane mit UHT-Milch. Putzen und Zusammenpacken. Adieu! Soll ich mit dem Val Rierna oder dem Valle di Bri beginnen? Nach gründlicher Überlegung entscheide ich mich für das Valle di Bri, der Logik folgend, dass ein unbekannter Abstieg kritischer werden kann als ein Aufstieg. Und das Val Rierna kenne ich bereits (http://www.hikr.org/tour/post14937.html).
Ich steige bis auf 960m ab und benütze rechts einen direkten Alpweg, welcher durch grosse Steinmänner wohl noch wiederzufinden ist, sich jedoch als eine zeitraubende „Abkürzung“ entpuppt. So erreiche ich den breiten und einladenden Weg ins Valle di Bri. (Rotznummer 1: auf 930m zweigt der gut sichtbare Weg oberhalb einer Waldlichtung bequem hangwärts ab, wie auf der LK)
Angenehm steige ich auf 1320m und sehe da einen horizontalen Weg zum Fluss hinunter. Den will ich mir anschauen! Und was finde ich? Den Einstieg zu einem spannenden Jägerpfad, welcher zur Bocchetta di Piatto 2038m über „freies Gelände“ entlang eines Lawinenzuges hinauf führt. Vorgemerkt. Wieder zum Weg zurück und direkt hangwärts empor. Der Weg wurde letztes Wochenende geräumt. Ein Kettensägeneinsatz wegen den vielen im letzten Winter umgeknickten Tannen. Grazie ai cacciatori per questo grande impegno! Die durchgesägten Lücken dienen gleichzeitig als Wegmarkierung. So erreiche ich, teils kraxelnd, Pozzolo 1489m. Zwischen umgesägten Bäumen liegen die Ruinen. Die Weiden müssen sich bis auf 1600m hinauf befunden haben. Jetzt bewaldet.
Ein nach rechts abzweigender vorerst horizontaler und breiter Weg scheint mit passend. Daraus wird ein Abenteuer. Von T3 zu T4 zu T5 zu…..Stop! Ich bin zu hoch und zu weit rechts. 1550m! Irrläufer – irrer Läufer. Myriaden von Jägerpfaden (Steinmännchen) und Wildwechsel. In einer exponierten Eskapade langsam abwärts zurück zum Weg. Mein ursprünglicher Plan der Überschreitung löst sich in Nichts auf. Die Zeit hat mich eingeholt. Während diesen Gedanken höre ich Steinschlag. Ich ducke mich hinter einer kapitalen Buche und harre der Dinge, den Blick gespannt aufwärts gerichtet. Knappe fünf Meter neben mir saust ein kopfgrosser Stein an mir vorbei. Dort wo ich stand. Adrenalinschub auf sicher. Der Entscheid für den Rückzug ist besiegelt. Auf dem „offiziellen“ Weg zurück nach Pozzolo. (Rotznummer 2 Bei Pozzolo steigt der Weg rechts der Ruinen direkt hangwärts hinauf, nicht wie auf der LK). Mittagessen mag ich nicht. Apfel und Kekse. Trinken. Bei Stress bekomme ich jeweils enormen Durst.
Und was mache ich jetzt mit dem Rest des Tages? TORN! Genau! Das hab ich vor Jahren einmal vorbereitet. Also den Weg zurück bis auf 1170m. Abzweigung nach rechts zum Flussplateau oberhalb eines Wasserfalles hinunter auf der LK gut sichtbar, in Natura jedoch ein vergammelter Weg. Jenseits des Flusses muss der Weg gesucht werden. Wie im Dschungel. Turnübungen, und zwar lange. Was es solch ein Weg in sich hat. Doch die Mühe hat sich gelohnt: Mitten im Wald liegt die Lichtung von Torn 1175m. Zwei Häuser in bescheidenem Zustand, die andern sind Ruinen. Viele Schmetterlinge flattern im Sonnenlicht von Distel zu Distel. Idyllischer geht‘s nicht mehr. Links herum wegen den Brennnesseln und Sauerampfern nicht möglich. So umgehe ich die Häuser rechts herum (hangwärts) und finde auf der andern Seite von Torn den (vorerst) grosszügig angelegten breiten Alpweg.
Der alte Alpweg von Torn führt (führte) durch den dichten Tannenwald leicht fallend - wie auf der ersten LK von 1969 noch eingezeichnet - zum ersten Bacheinschnitt mit sensationellem Wasserfall auf etwa 1080m hinunter. Unter dem Er dei Torn horizontal hindurch. Dann leicht abfallend in den zweiten Bachgraben (960m) hinein, welcher mit einem Drahtseil gesichert war. Tiefblick garantiert! Auf der andern Seite des Baches kleine Kraxelstelle und wieder in den Wald hinein. Hier durch steiniges Gelände mit viel umgestürzten Bäume zuerst 20m ab und auf die Kante zu Punkt 1011m (alte LK) mühsam hinauf. Ich traue dem Weg entlang dem steil abfallenden Grates nach Cassinone nicht und klettere zur Geröllhalde hinüber. Eine gute und sichere hintere Auffanglinie. Von dort steche ich durch jungen Forst hinunter und finde mitten in den sperrigen Tännchen eine „schweizerische Radiosonde“. Begleitzettel derart aufgelöst, dass ich erst zuhause meinen Fund zuordnen kann. Das Stück Styropor gehört nicht hierher, finde ich, und packe es vorsichtshalber ein. Ist ja nicht schwer…und wer weiss, ist jemand glücklich um diesen Fund. Zuerst meine ich, dass es eine verlorene Ladung eines Helikopters sei. (Rotznummer 3: Ich suchte den Weg zu tief und gelangte im Er dei Torn in echte Schwierigkeiten am Abgrund ins tief eingefressene Flusscanon. Ein Steinmann verleitete mich zu dieser „Übung“). Untere Auffanglinie ist der wrw-markierte Weg von Cassinone her kommend.
Schon bald stehe ich auf diesem und wandere gemütlich gen Cassinone 911m. Im Abendlicht, respektive Schatten wegen dem engen Tal, wandere ich talauswärts. Wieder bei Monastei vorbei.
Einige Erfahrungen und Eindrücke reicher. Wann sehen wir uns wieder?

Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (2)


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Zaza hat gesagt: Bri-llant
Gesendet am 12. August 2010 um 09:38
Ciao Andreas,

bei Pozzolo hatte ich beim ersten Besuch im Valle di Bri den Weg auch verloren. Wenn man ihn dort wieder findet, kann man ihn weiter oben kaum noch verlieren, weil der Verlauf danach zwingend ist.

Ein hergerichteter Weg zur Btta di Piatto wäre hoch interessant, aber ich glaube eher nicht, dass er durchgehend ist. Das wäre ja extrem aufwendig, durch all die Erlen eine Route zu schlagen! Der Durchschlupf von Riva nach Piatto soll übrigens recht schwierig zu finden sein, mit einer obligatorischen Stelle, um das Tobel zu queren. Die Locals kennen aber vermutlich noch andere Routen. Dieser Aufstieg würde mich jedenfalls reizen, denn bei den Ruinen von Piatto war ich noch nie.

Wie auch immer, Bri ist eines der schönsten Tessiner Täler!! Eines der prächtigsten Touren, an die ich mich in der Zone erinnere, ist Monte di Dentro - Gallina - Valsegia - Motto dei Ciavéi - Motti di Bri - Bri, seinerzeit mit Hans-Peter: Abenteuer pur!

cari saluti,

Manuel


Seeger hat gesagt: RE:Bri-llant
Gesendet am 12. August 2010 um 10:38
Ciao Manuel
Da bin ich aber froh, dass ich in Pozzolo nicht allein mit Problemen zu kämpfen hatte und es weiter oben leichter wird. Nach meinem Reko kann ich nämlich problemlos Pt 1641 finden. Soll ebenfalls geräumt sein.
HPV war wieder im Winter im Tecc Stevan und beschreibt herrlich von rauschenden Lawinen. Mich schauderte nur am Gedanken daran...
Cari saluti
Andreas


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