Wilde Rundtour in der Leventina: Valle di Bri – Motaroi di Bri – Valle Rierna


Publiziert von Seeger , 22. September 2010 um 01:13.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:21 September 2010
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Poncione Rosso   Gruppo Madöm Gross 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2430 m
Abstieg: 5430 m
Strecke:1. Tag: Bacino Val d’Ambra Parkplatz – Monastei - Capanna Tecc Stevan , 2. Tag: Capanna Tecc Stevan - Pozzolo 1489m – Alpe Bri di Sotto – Cassina della Froda – Motaroi di Bri – Alpe Rierna, Stabbio di cima – Canva Vecchia – Gallina - Capanna Tecc Stevan, 3. Tag: Capanna Tecc Stevan – Lobia - Bacino Val d’Ambra Parkplatz
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Biasca – Bodio – Personico – Bascino Val d’Ambra Ö.V.: Postauto von Bignasco nach Personico. Aufstieg über rot/weiss markierter Wanderweg (1 ½ Std. zum Bacino Val d‘Ambra)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:item
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Tecc Stevan 1010m, Capanna Monte di Dentro 917m des Patriziato di Pesonico, www.capanneti.ch, www.alpi-ticinesi.ch
Kartennummer:Biasca 1273, Osogna 1293

Beim dritten Anlauf geht mir der lang geheckte Wunsch in Erfüllung, das Valle di Bri mit dem Val Rierna zu einer Rundtour zu verbinden. Diese zwei Täler liegen zuhinterst im Val d’Ambra, welches ein südwestliches Nebental der Leventina ist. Passanten der Strecke Airolo-Biasca  ist der Blick in diese einsame Wildnis verwehrt, da sich die tiefeingeschnittenen Täler erst etliche hundert Meter über dem Talboden öffnen. Sogenannte Hängetäler, dessen Flussläufe jedoch den Canoning-Freaks ein Begriff sind.
1.Tag: Gemütliches Verweilen in der Capanna Tecc Sevan
Schon der Weg zur Tecc Stevan- Hütte ist einzigartig (T2). In zwei Stunden vom Bacino (Staudamm) , wo ich mein Auto geparkt habe, erreiche ich die neue und komfortable Unterkunft des Patriziato von Personico. Den Nachmittag verbringe ich mit Holzspalten und Sönnele. Aus lauter Langeweile räume ich auf und sortiere das nicht Brennbare zum Hinuntertragen aus. Das Brennbare wird im Camino aufgestapelt. Immer noch langweilig. Ich beginne, dürre Tännchen zu zersägen. Versunken in diese wohl sehr anspruchsvolle Tätigkeit, werde ich auf einen Wanderer aufmerksam, welcher über die Brücke zu mir herauf spaziert. Der Rucksack ist im Verhältnis zur Grösse seines Besitzers eher überdimensional. Ob ich der „Seeger“ aus dem HIKR sei. Er lese gerne meine Berichte. Wenn ich das Gedächtnis meines Zeitgefährten nur annähernd hätte! Und die Langeweile verfliegt in Sekundenschnelle. Die Bescheidenheit und gleichzeitig Versiertheit, seine Geographiekenntnisse sind faszinierend. Auch er ist viel alleine in unwegsamem Gelände unterwegs. Quasi nur im Tessin. Seit Jahren. Er habe schon im Bacino gedacht, dass dieser Golf mit AR-Kennzeichen mir gehören könnte. Im Unterschied zu mir würde er nie einen Bericht ins Netz stellen. Wir diskutieren darüber und über die Felshöhle in der Nähe,  Bavona und Gott und die Welt…die Zeit verfliegt. Knapp kommen wir zum Nachtmahl. Und schon ist es zehn Uhr. Nachtruhe.
2. Tag: Valle di Bri hinauf über den Motaroi di Bri und dann im Val Rierna hinab (T4)
Früher Abmarsch. Mein Gefährte talaufwärts. „Schau gut, vielleicht sehen wir uns wieder!“. Er macht eine wilde Tour über Valsegia und den Motto die Ciavei auch ins Valle di Bri, weiter zur Fümegna-Hütte. Kurzer Abschied meines Weggefährten.
Ich folge dem Weg talwärts und nehme die Abzweigung ins Valle di Bri, welcher sich auf 1040m, oberhalb Cassinone und 50 m über einer Waldlichtung  zur Rechten gut abzeichnet. Und wieder einmal nach Pozzolo hinauf. Letztes Mal musste ich hier abbrechen. Statt der Eskapade zielstrebiges Folgen des Weges, welcher 50m in Direttissima durch abgeholzten Wald (nicht der Bogen der LK!!) über den Ruinen ansteigt, um sich nach links in den Wald vorerst zu verlieren. Da hab ich dich wieder – du Luder. Stetig steigend und gut sichtbar zur Alpe Bri di Sotto, einer Privathütte (hat einen winzigen Unterschlupf). Ich staune über die Weite des mittleren Talkessels, welcher durch einen bis 200m hohen Felsriegel überragt wird. Durch diesen will ich hinauf in den obersten.
Aber wie und wo? Giuseppe Brenna hat ihn im SAC-Führer Tessin beschrieben (Tour 1583 b.)…oder (etwas schwieriger, besonders bei hoher Wasserführung) in einer reizvollen Umgebung zum Wasserfall des Hauptbaches hinauf; Wenige Meter rechts davon setzt eine Art Rampe mit Gebüsch an, über die man nach links in den von zwei Felssockeln begrenzten Einschnitt gelangt, durch den der Bach hinunterfliesst; ein kurzes Stück weit dem Bach folgen, dann links davon über gestuften Fels (stellenweise I)aufwärts und unter einem Wasserfall durch; höher oben führt eine Grasrippe unschwierig nach Cassina della Froda hinauf“. Ich habe diesen Text mehrmals gelesen und mir immer vorgestellt, dass „unter dem Wasserfall durch“ noch recht romantisch sein könnte. Dem ist aber nicht so. Man geht an diesem vorbei. Wahrscheinlich eine (kleine) Übersetzungs-Ungenauigkeit.
Meine Version der Wasserfall-Variante
Von Alpe Bri di Sotto steige ich 20hm über den darüber ragenden Felskopf rechts herum  auf ein Plateau. Dort peile ich den Bachgraben auf Höhe 1900m an und folge dieser Höhe den ganzen Hang querend oberhalb dem Erlengestrüpp bis gegen die markante Wand mit den vielen Wasserfällen. Immer noch auf 1900m gelange ich zwischen rechts der Wand (und Schutt)und links einem Felsbuckel (markante Lärche on the top) auf einen Absatz über dem Flussgraben (Dort ja nicht die einladende rechtsliegende Grasrampe hinauf!). Da sehe ich eine einzige Stelle, wo ich über ein Felsband problemlos horizontal in den Graben hineintreten kann. Ich folge etwa 50m dem Bachbett auf der rechten Seite über Bollensteine empor bis zum oberen Becken, welches durch einen 10m hohen Wasserfall entstanden ist. (Achtung auf glitschige Steine = keine Adhäsion rechnen). Diesen lasse ich rechts munter herunterplätschern und verlasse den Graben quasi horizontal nach links zwischen den Erlen auf Grasbändern bis auf den Kulminationspunkt. Weiter auf diesem Wiesengrat, später nach rechts haltend über eine liebliche Wiese direkt auf die Ruinen von Cassina della Froda hinauf.
Man muss ins Schwärmen kommen, diese verlassene Welt im obersten Talkessel des Valle di Bri beschreiben zu können. Besuche es selber und Du wirst mir beipflichten! 180° Felswände und 180° tief eingeschnittenes Valle di Bri. Dazwischen ein verlassenes Alp-Plateau mit bestem Gras und stark abgebauten Ruinen. Dominierend sicher die Cima Lunga und Cima di Bri, dazwischen die Bocchetta di Fümegna ins Val Pincascia und somit Val Verzasca (Lavertezzo). Der Grat zum Fassen nah und zwischen 300 und 500m die Alp überragend. Kleiner Wasserfall mit Kaskaden fürs Walt Disney-Center und über dem Taleinschnitt Weitblick zu Adula, Bleniotal, Leventina…. EINE STUNDE MITTAGSHALT. Knapp, allzu knapp. Doch vor mir liegt noch ein langer Weg. Jauchzer – Mein Hüttenkollege lässt weit oben aus der Cima Lunga-Wand grüssen.
Schon während dem Verzehren des Menü 1 beäugte ich den Übergang ins Val Rierna. Die Wegspuren zum Motaroi di Bri sind auffallend. Die geschundene Grasnarbe verursachte gut sichtbare Rutsche. Über das Plateau suche ich mir ein bequemes Erreichen des Grasgrates, welchen ich ziemlich steil  ersteigen muss, um den darüber liegenden weniger steilen Weg zu erreichen. Problemlos erreiche ich den Übergang, einen Balkon hoch über den beiden Tälern – da Valle di Bri, dort Val Rierna.
Ein breiter Weg führt anschliessend durch eine 300m hohe Fels/Gras-Wand hindurch. Spektakulär und nur für Schwindelfreie. Auf diesem nur 200m langen Wegstück ist Tiefblick garantiert. Und schon stehe auf dem zweitobersten Talkessel des Val Rierna und steige über ein breites Couloir zur Alpe Rierna, Stabbio di Cima, ab. Die Ruine dieser ehemaligen Alp steht auf einer Anhöhe mit umfassendem Ausblick auf die Weiden dieses Talkessels, auf deren anderer Seite am Fusse der Cima di Rierna, unter deren 250m hohen Wand, Cassina Nuova (Privathütte) mit neuem, roten Dach aus dem Gelände heraussticht. Zu dieser quert man weglos regelmässig absteigend. Unterhalb Cassina Nuova gilt es, ziemlich rechts auszuholen, um die Erlengasse zu finden. Abstieg auf ein weiteres Wiesenplateau, welches man horizontal durchschreitet. In der Folge durchkämpfe ich Erlengassen mit momentan brusthohen wilden Himbeerstauden. Die Wegführung hingegen ist klar ersichtlich (Vielleicht sich auf der LK vergewissern). So erreiche ich schliesslich die nächste Alp: Canva Vecchia (Privathütte) in einem riesigen Sauerampfernfeld. Zum Glück ist der Weg gemäht. Ich hole 50 m gegen rechts aus, um in einer Spitzkehre nach links  - wieder durch Erlengassen, aber dieses Mal herausgemäht – talauswärts abzusteigen. Lange, lange scheint mir dieses Wegstück. Beinahe endlos. Auf etwa 1460m Höhe liegt eine kapitale Tanne über dem Weg. Durch diese schlüpfe ich durch die etwas ausgelichteten Äste hindurch. Ein Umgehen ist nicht ratsam. Bei 1340m Höhe erreiche ich die Spitzkurve beim Wasserfall. Steintreppen. Parallel in einer Distanz von 30 bis 50 m vom rauschenden Bach, schreite ich durch schönen Tannenwald gen Gallina. Dort erreiche ich den wrw-markierten Wanderweg, welcher vom Passo del Gagnone (Efra-Hütte, Lavertezzo) herkommt. Das Tal liegt im Schatten. Nur die Berge leuchten im Abendlicht.
Der Tag geht seinem Ende zu und ich „meiner“ Komfortunterkunft entgegen – Der Capanna Tecc Stevan.
3.Tag: Gemütliches Zurückkehren (T3)
Nach tiefem Schlaf und feinem Frühstück packe ich meine Siebensachen und steige nach Cassinone hinab. Da ich genügend Zeit habe, nehme ich den Weg orografisch rechts herum über Lobia. Aber ich kann es einfach nicht lassen: Ich sehe kurz nach Cassinone den alten Alpweg nach links unten abzweigen, während dessen der wrw-markierte Wanderweg ansteigt. Das muss ich gesehen haben.  Diese Ehrenrunde brauche ich! Reuig steige ich nach einigen Versteigern zum offiziellen Weg auf. Aber der Tag wird kommen! Und auch dieses Geheimnis soll noch gelüftet werden.

In Lobia treffe ich auf ein Haus mit eingestürztem Dach mit der Aufschrift: Achtung vor Vandalismus. Die Zeiten kommen – die Zeiten gehen. Alles hat seine Zeiten!
  
 


Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (3)


Kommentar hinzufügen

Henrik hat gesagt: Dass lese ich bei dir z. 1 X,
Gesendet am 22. September 2010 um 13:57
dass es dir

> langweilig

würde?

Na ja, also die Kategorie

> Luder

passt so schlecht in die Valli!

... das gemeinsame Mittagessen im Tessin ist ja auch im Winterhalbjahr noch möglich, gäll.

Die Arena deiner Erkundungen ist gross genug für weitere spannende Unterhaltung - we are looking for.

Ciao

silbervogel

Seeger hat gesagt: RE:Dass lese ich bei dir z. 1 X,
Gesendet am 22. September 2010 um 14:27
Ciao Henrik
Das mit dem Luder passt sicher nicht in die Valli, eher zu mir. Schöner wäre "Du Luser". Meine es ja auch nicht despektierlich. Passt zum Englischen "loose" und hätte entfernt mit dem Weg zu tun. The way to loose!
Du hast recht, Gehe jetzt nochmals in Valle di Bri. Du wirst ja sehen.
Cari saluti
Andreas
P.S.: Im Winterhalbjahr könnte unsere Aussichtsterrasse geschlossen sein :-(

Henrik hat gesagt: Aber sicher, Andreas...
Gesendet am 22. September 2010 um 14:34
...mache dir doch mal die Mühe und gehe auf youtube....gib' Val Ambra ein und ....Überraschugen beinahe garantiert!

Das La Faura könnte geschlossen haben, das in Sobrio ist im November whs. geschlossen, aber es bleiben noch 15 andere Destinationen nur allein in der Leventina....

Das Tessin im Winterhalbjahr Grund genug um als Scout weiterzu"arbeiten"!


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