Überschreitung B’schießer (2000 m) – Ponten (2045 m) – Rohnenspitze (1990 m) ab Schattwald


Publiziert von TheSwabian , 8. November 2024 um 17:00.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 7 Oktober 2024
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1260 m
Abstieg: 1260 m
Strecke:13 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Wannenjochbahn Schattwald
Kartennummer:KOMPASS Wanderkarte 3 - Allgäuer Alpen

Es ist Montag, der 7. Oktober, ich habe einen Tag freigenommen und bin schon um 4:00 Uhr morgens startbereit am Parkplatz der Wannenjochbahn in Schattwald (24 Stunden-Parkticket für 5 Euro, der Automat akzeptiert rund um die Uhr die Karte) auf 1090 m Seehöhe, im Eingang zum wunderbaren Tannheimer Tal. Hier sind B’schießer (auch: „Bscheißer“, 2000 m) und Ponten (2045 m) bereits undifferenziert mit dreieinhalb Stunden und roten Punkten angeschrieben. Nach Überquerung der Brücke über den Stuibenbach schreite ich in völliger Dunkelheit voran, nach nur wenigen Minuten erhellt meine Stirnlampe ein Umleitungsschild bei ca. 1145 m – der  „Normal-Wanderweg“ zur Unteren Stuibenalpe westseitig des Stuibenbachs (vermerkt mit „GG“ für „Grenzgänger“ auf der Kompass-Karte), der sich hier schluchtartig eingegraben hat, wurde von der örtlichen Forstdirektion gesperrt, so dass ich auf einem guten Steig auf der Ostseite des Baches bergan gehe. Bei ca. 1310 m treffe ich auf die Forststraße, die von Schattwald kommend zur Alpe führt. Diese verlasse ich aber nach nur wenigen Metern wieder halbrechts, in einem flachen Bogen zur unteren Station des Stuibenlifts gehend, bis es noch vor einer Jagdhütte und Baustelle gegen Südwesten den Berg hinauf geht (Weg „75“ in der Kompass-Karte). Es ist noch immer stockdunkel – bei einem Zaun halte ich mich rechts, immer wieder finde ich größere Wegmarkierungen entlang des hier noch wassergesättigten, schlammigen Pfades. Und nach einer Weile merke ich: ich bin nicht allein! Mit dem Lichtkegel meiner Stirnlampe schaue ich linkerhand ins Tal, wo mich, geschätzt ungefähr einhundert Meter entfernt, vielleicht aber auch nur fünfzig, zwei weiß leuchtende Augen anstarren. Nach einigen Minuten schaue ich wieder, die Augen sind immer noch da. Eine Weile lang beobachten wir uns gegenseitig, beide parallel zueinander ansteigend, bis das leuchtende Augenpaar irgendwann hinter einem Hügel verschwindet. Was das wohl war? Ich tippe von der Größe und frontalen Augenanordnung her auf einen Wolf, vielleicht ist es aber auch nur ein Fuchs oder ein ganz anderes Tier. Ich werde es nie erfahren.

Circa 6:00 Uhr bin ich nach einem wechselnd steilen Aufstieg, mitunter in angenehm gehbaren Serpentinen, auf dem Sattel zwischen Kühgundkopf (1907 m) und Bischofmann (1653 m) angekommen, auf einer Höhe knapp über 1600 m. Hier zieht der Weg „GG“ bzw. „70“ zunächst eher sanft in Richtung B’schießer bergan. Mit der Dämmerung kann ich zum ersten Mal auch südwärts in das noch dunkle Hintersteiner Tal blicken, während im Norden am Horizont neben dem Gipfelaufschwung des B’schießer mein Ausgangspunkt, Schattwald, im Tal leuchtet. Auch weit dahinter, im Alpenvorland, brennen die Lichter. Mit gutem Steig, teils über stufige Felsen mit stets guter Markierung, geht es höher in Richtung Gipfel, ab ca. 1780 m setzen Serpentinen ein, die mit zunehmender Höhe immer ausladender werden, bis man bald schon das Gipfelkreuz des B’schießer sehen kann.

Im Osten färbt sich der Himmel hinter Gimpel und Köllenspitz intensiv orange, ein Zeichen dafür, dass der Sonnenaufgang nicht mehr lang auf sich warten lässt. Zum ersten Mal taucht sich auch der Große Daumen jenseits des Hintersteiner Tals in wärmeres Licht, das Alpenglügen beginnt. Ich bin fast oben. Wenige Minuten nach 7:00 Uhr erreiche ich das großzügige Gipfelplateau des B’schießer mit dem markanten Gipfelkreuz. Ein Eintrag ins Buch soll natürlich folgen, aber zunächst genieße ich die alpine Lichtshow am Morgen, ein gewaltiges Naturschauspiel! Ich bin froh, es doch noch deutlich vor Sonnenaufgang zum B’schießer-Gipfel geschafft zu haben. Etwas über 5 km und 900 Höhenmeter bergauf (Hm+) waren es bis hierhin, mit etwa drei Stunden für den Aufstieg liege ich mit meinen „mehreren Kilo zuviel“ auf den Rippen gut in meinem persönlichen Soll und sogar ungefähr in der Zeitangabe auf den Wanderschildern. Es soll ja ums Genießen gehen, und nicht um eine neue Trailrunning-Bestzeit.

Was jetzt auf dem B’schießer folgt, werde ich so schnell nicht vergessen. Zwar wurde im Vorfeld schönes Wetter vorhergesagt, dennoch zieht sich eine ganze Weile lang der Himmel zusammen und es kommt zu einem Regenschauer, teils mit Graupel und deutlich auffrischendem Wind; es herrscht Föhnlage. Langsam färben sich die anfangs grauen Wolken über Gais- und Rauhhorn rosa und orange, die umliegende Bergwelt, die in einem gewaltigen Panorama vor mir liegt, wirkt irgendwie fast surreal. Über Rohnenspitze und Gimpel leuchten die Schleierwolken blutrot und bilden einen scharfen Kontrast zum türkisblauen Himmel dahinter. Im Süden blicke ich auf den schneebedeckten Allgäuer Hauptkamm, aus dem König Hochvogel (2594 m) markant hervortritt. Es ist 7:20 Uhr. Der Himmel ist nun intensiv rosa. Ich nehme mir die Zeit, mich ins Gipfelbuch, das mich mit einem Smiley anlacht, einzutragen. Im Osten, über dem benachbarten Ponten, sieht der Himmel mittlerweile aus wie eine Feuersglut, rot-orange leuchten die Wolken. 7:25 Uhr. Für die kommenden zehn Minuten werde ich mit Bewunderung vor einem Regenbogen stehen, der vor den gegenüberliegenden Bergen um Heubatspitze (2008 m) und Breitenberg (1893 m) bis ins Hintersteiner Tal unter mir reicht und ganz nebenbei den vergletscherten Tödi (3614 m) in den Glarner Alpen am Horizont knallbunt einfärbt. Halb Acht. Großer Daumen und Hochvogel zeigen ihr schönstes morgendliches Alpenglühen. Um 7:31 Uhr ist es schließlich soweit: am Ponten bricht die Sonne durch und schickt ihre ersten Strahlen auf meine Wangen. Richtung Allgäu und Alpenvorland leuchten Spieser (1649 m) und Grünten (1738 m) im ersten Sonnenschein, während die Bäume darauf lange Schatten werfen. Zur magischen Stimmung gesellen sich nun zwei Alpendohlen, die mir Gesellschaft leisten. Das ganze Naturspektakel auf dem ersten Gipfel des Tages habe ich zur Morgenstunde ganz für mich allein, über eine halbe Stunde lang genieße ich jede einzelne Sekunde davon. Das Panorama vom B’schießer lohnt sich auf alle Fälle!

Gegen 7:40 Uhr breche ich auf und verlasse den plateauartigen B’schießer in südlicher Richtung. Das Wetter hat sich wieder beruhigt und die Sonne übernimmt das Ruder. Teils wieder in Serpentinen geht es einen guten Steig etwa 135 Höhenmeter bergab (Hm-) zum „Güntle“, einem sanften Sattel auf ca. 1865 m im Grat zwischen B’schießer und Ponten. An der felsigen Südostflanke des B’schießer sind vereinzelt Stellen seilversichert, eine nennenswerte Kraxelei ist hier allerdings (jedenfalls ohne Eis und Schnee) nicht nötig. Hier treffe ich heute zum ersten Mal auf zwei Gämsen, die sich im allerobersten Stuibental offenbar sehr wohlfühlen. Der Blick auf Gais- und Rauhhorn, die höchsten Tannheimer, ist großartig. Auch der Aggenstein am anderen Ende des Stuibentals ist sehenswert. Zum Güntle-Sattel hin zeigt sich auch immer besser die abweisende Südseite des B’schießer, eine gewaltige Felswand, die zum Hintersteiner Tal hin steil abbricht. Von Süden aus muss der B’schießer also ein deutlich einschüchternderes Ziel sein als von Norden, wo ich herkomme – hier zeigt er seine liebliche Seite. Kurz hinter einem markanten Felsturm beginnt ein Gratabschnitt mit deutlich mehr Restschnee als bisher. Es ist nun 8:00 Uhr und ich beginne langsam den Gegenanstieg zum Ponten (2045 m). Der Weg führt zunächst vorwiegend durch Gras, später durch Latschen; die Höhenmeter halten sich in Grenzen, 180 Hm+ sind es ab dem Güntle ungefähr. Ich blicke schön auf die Tallandschaft im Hintersteiner Tal – insbesondere das Bärgündeletal am Fuße des Großen Wilden (2379 m) sieht von hier aus fantastisch aus. Darüber thronen schneebedeckt Marchspitze (2609 m) und Großer Krottenkopf (2656 m), seines Zeichens höchster Berg der Allgäuer Alpen. Alles dominierend steht aber am südlichen Horizont der perfekt geformte Hochvogel (2594 m). Die Serpentinen zum B’schießer-Gipfel sind nun ebenfalls schön zu überblicken, ebenso die Nagelfluhkette, wenn man knapp südlich an der Südwand des B’schießer vorbeischaut. Wunderschön schlängelt sich der Wanderweg 70 am Grat entlang, mal nördlich des Kamms, bald wieder südlich, und gibt immer auch wieder Tiefblicke frei.

Ein etwas kontraintuitiver „fun fact“ auf diesem Abschnitt des Wanderwegs ist der, dass der Grenz-Grat zwischen B’schießer, Ponten und dem noch später folgenden Zirleseck ungefähr West-Ost verläuft, man aber im Norden des Grats in Österreich und im Süden auf deutscher Seite wandert. Schon bald steht man an den felsigen Südabbrüchen des Ponten, aus denen jederzeit ein größerer Brocken des hier anstehenden obertriassischen Hauptdolomits der Tannheim-Decke herausbrechen und abgehen kann, gerade nach stärkeren Regengüssen oder nach Frostsprengung und bei Schneeschmelze. Auf gutem Pfad geht es von der bayerischen Südseite des Berges in wenigen Minuten zum Gipfel, kurz nach 08:30 Uhr bin ich oben. Der höchste Punkt des Ponten (2045 m) und gleichzeitig dieser gesamten Tagestour ist sehr einfach zu erreichen. Der Blick auf das etwas tiefer nordöstlich vorgelagerte Gipfelkreuz ist dramatisch schön. Jäh bricht der Gipfel in mehrere Richtungen ab, ein Herunterfallen sollte hier tunlichst vermieden werden, was allerdings kein weiteres Problem darstellt, wenn man sich an die markierten Wege hält. Vom B‘schießer zum Ponten geht man nur ungefähr eineinhalb Kilometer, die selbst im „Genießer-Modus“ in deutlich unter einer Stunde zurückgelegt werden können.

Die erste Schlüsselstelle der Wanderung folgt sogleich, denn ich mache mich auf die kurze Strecke hinüber zum Ponten-Kreuz, bei dem auch das Gipfelbuch auf mich wartet. In einer Art Felsrinne muss man sich durchaus mithilfe der Hände bei Kraxelei im ersten Grad (I) mehrere Meter eine Steilstufe hinabbegeben. Links des Steigs (nordseitig) geht es recht abschüssig hinunter, so dass ein Mindestmaß an Vorsicht notwendig ist. Die Wanderstöcke sollten hier kurz weggepackt werden. Nach der kurzen Kraxelei führt der Wanderweg einfach zum Gipfelkreuz. Von hier aus zeigen sich die steilen Abfälle zum Pontental hin sehr beeindruckend, auch der felsige Grat, der vom Ponten in Rickung Zirleseck (1872 m) und Rohnenspitze (1990 m) weiterführt, wirkt von hier aus ziemlich dramatisch.

Vom Ponten aus genießt man ein umfassendes Gipfelpanorama. Während im Norden der Blick vom Alpenvorland und grasigen Gipfelkuppen wie Reuterwanne (1542 m) und Edelsberg (1629 m) im Allgäu geprägt ist, beginnt im Nordosten eine schöne Gipfelschau der nördlichen Tannheimer Berge um Aggenstein (1985 m) und Brentenjoch (2000 m), die gegen Osten hin die auch Große Schlicke (2059 m), den markanten Gimpel (2173 m), die Rote Flüh (2108 m) und die Köllenspitze (2238 m) umfassen. Davor steht im Mittelgrund klobig die Rohnenspitze (1990 m), mein nächstes Gipfelziel. Zwischen Osten und Südosten zeigen sich prominent Zugspitze (2963 m) und Mieminger Kette mit dem Hochplattig (2768 m), leicht versetzt davor auch der Thaneller (2341 m) in den Lechtaler Alpen, dessen Gipfel ich zwei Wochen vor dieser Tour ebenfalls bei bestem Wetter schon erwandert habe. Auch die Sellrainer Berge sind neben den Miemingern zu sehen.  Für detailgenaue Gipfelbeobachter ist der Großvenediger (3657 m) in den Hohen Tauern, der zwischen Zugspitze und Thaneller hindurchlugt, ein Schmankerl. Er ist, immerhin 149 km weit weg, der höchste und am weitesten entfernte Berg im Ponten-Panorama. Zwischen Südost und Süden wird der Blick vom bulligen Gaishorn (2247 m) und dem benachbarten Rauhhorn (2240m) bestimmt, zwischen beiden schauen bei klarer Sicht die Große Schlenkerspitze (2827 m) in den Lechtaler Alpen und die Verpeilspitze (3423 m) in den Ötztaler Alpen heraus. In der Folge bietet das Panorama von Süden bis Südwesten eine großartige Gipfelschau der Allgäuer Hochalpen. Mit der Urbeleskarspitze (2632 m), dem Hochvogel (2594 m), Marchspitze (2609 m), dem Großen Krottenkopf (2652 m), Mädelegabel (2645 m) und Hohem Licht (2651 m), sowie Biberkopf (2599 m), Großem Daumen (2280 m) und Hohem Ifen (2229 m) ist viel vertreten, was in den Allgäuern Rang und Namen hat. Am Horizont erblickt man außerdem noch weiter entfernte Berge, darunter etwa die markante Hochkünzelspitze (2397 m) und den Zitterklapfen (2408 m) im Lechquellengebirge, den 138 km entfernten Tödi (3614 m) in den Glarner Alpen, und den unverkennbaren Alpstein mit Altmann (2436 m) und Säntis (2502 m) im Appenzellerland, die heute beide schneebedeckt weiß leuchten. Die Allgäuer Nagelfluhkette um Hochgrat (1834 m) und Stuiben (1749 m) und der freistehende Grünten (1738 m) schließen das Alpenpanorama gegen Norden hin ab. Ich bleibe gute 20 Minuten am Ponten-Kreuz und genieße die wunderbare Aussicht.

Es ist nun 09:00 Uhr, ich marschiere weiter. Der Wanderweg („GG“, „70“) führt zunächst wieder nach Süden, dann in Serpentinen teils gegenläufig westwärts durch bayerisches Gebiet, immer die Allgäuer Alpen vor Augen. Vom felsigen Grat, den man vom Gipfel sehen kann, zeigen sich die dramatischen Südabbrüche des Ponten. Vor Erreichen des Zirlesecks wandere ich zeitweise wieder durch Bergwald, in dem es auch Auerhähne geben soll. Die Landschaft hier ist herrlich, am Pontengrat wechseln sich Felsen und sattes Gras ab. Ich erblicke über mir eine größere Herde Gämsen mit über zwanzig Tieren, die mich freilich schon längst bemerkt haben, sich davon aber nicht stören lassen. Weiterhin bleibt auch die Zugspitze im Blickfeld. Nach Norden erkennt man durch das Pontental eine Weile lang Schattwald. Prominent rückt nun auch der nächste Gipfel des heutigen Dreierreigens ins Blickfeld, die Rohnenspitze (1990) – ein Berg mit zwei gänzlich unterschiedlichen Gesichtern.

Um 09:40 Uhr erreiche ich das Zirleseck (1872 m). Dieser Punkt, der in manchen Quellen als eigenständiger „Gipfel“ geführt wird – wohl, weil ein stattlicher Steinmann und ein Gedächtniskreuz oben stehen – hat für mich überhaupt nicht den Charakter eines Berges, sondern eher den eines Sattels; die „Schartenhöhe“ nach Norden beträgt auch nur knapp 20 m, die man beim weiteren Gehen noch nicht einmal richtig bemerkt. Nach wenigen Minuten erreiche ich die prächtig an der sonnigen Südseite der Rohnenspitze gelegene Hütte der Tiroler Bergwacht, auf deren Terrasse mit Holzbank ich ein paar Sonnenstrahlen tanke und das Handy mit meiner Solar-Powerbank auflade – zu viele Bilder habe ich auf dieser schönen Mehrgipfel-Tour schon gemacht! Es ist zehn vor Zehn, der schroffe Ponten grüßt mit seiner abweisenden Ostwand herüber. Über dem Älpelestal mit der gleichnamigen Alpe, die von oben aussieht, als könne jederzeit Rotkäppchen aus der Hütte latschen, grüßen die zahnartigen Tannheimer Berge um den Gimpel nördlich des Haldensees. Ich sitze nun direkt gegenüber der gewaltigen, noch verschneiten Nordwestwand des Gaishorns (2247 m), durch die der Steig zum Gipfel (Nr. „58“) über längere Strecke verfolgt werden kann (bei diesen Bedingungen würde ich ihn aber nicht gehen), darunter die glitzernden Gewässer des Älpelebachs, der sich hier ein kleines eigenes Tal mit Wasserfällchen gegraben hat. Hinter der Hütte stehen die steilen, abweisenden Kalkabbrüche der Rohnenspitze. Ich gönne mir 30 Minuten Sonnenschein und Gaishorn-Panorama auf der Bergwachthütte.

Nun soll es aber weitergehen, zum finalen Höhepunkt der heutigen Tour, auf den Gipfel der Rohnenspitze. Etwas über 130 Hm+ sind dafür noch einmal zu überwinden, bei ca. 2,3 km Weglänge vom Pontengipfel. Zwar ist die Rohnenspitze mit einer Höhe von 1990 m der niedrigste Gipfel der heutigen Runde, dennoch sollte sie sich im Rückblick als der interessanteste der drei Berge herausstellen, was die technischen Anforderungen und die Gebirgsszenerie betrifft. So lässt die Schlüsselstelle an der Rohnenspitze entlang des Weges Nr. „62“ nicht lang auf sich warten: nur etwa eine Minute nach Verlassen der Bergwachthütte (ein anderer Weg, Nr. „71“, führt hier alternativ hinab ins Pontental), hat es eine seilversicherte Kraxelstelle in sich, so dass ich froh bin, unterstützend die Hand anzulegen und mich stellenweise den Fels hochzuhieven. Kletterei im Schwierigkeitsgrad I trifft es insgesamt wohl ganz gut. Bergauf ist mir diese Kraxelstelle deutlich lieber als bergab, so dass ich meine eigene Tourplanung mit der Gipfelrunde gegen den Uhrzeigersinn lobe. Dieser Steilabschnitt liegt in einer größeren Hauptdolomit-Rutschscholle hinter der Bergwachthütte – offenbar konnte hier kein einfacherer, leicht gehbarer Weg durch dieses Gelände hoch zur Spitze gefunden werden. In der Kompass-Wanderkarte ist dieser Weg (Nr. „62“) passenderweise auch gepunktet und an korrekter Stelle mit einem Seilsymbol gekennzeichnet.

In der Folge ist der Weg auf die Rohnenspitze deutlich einfacher zu gehen, und nach der versicherten Steilstufe direkt hinter der Bergwachthütte kommt bis zum Gipfel keine vergleichbare Stelle mehr. Eine Weile lang wähnt man sich indes beinahe in den Dolomiten, so bizarr sind die Felsen und Felstürme an der Südwestflanke des Gipfelaufbaus der Rohnenspitze geformt – landschaftlich ist der Berg ein echter Knüller! Auf einer exponierten Felsrippe schaue ich noch einmal auf den Ponten, was für ein Ausblick! Weit unten im Tal sehe ich die Häuser von Schattwald und sogar mein Auto auf dem Parkplatz, 3 km Luftlinie entfernt. Der Weg windet sich stellenweise entlang alter Latschenzweige, zwängt sich zwischen engen Felswänden hindurch, der Blick wird dabei immer wieder auf Zugspitze und Gaishorn gelenkt; auf einem Rücken geht es zunächst unter der Südwand der Rohnenspitze vorbei, bevor im Zickzack der finale Gipfelaufschwung folgt. Ganz oben baumeln die vier Beine eines Wanderpärchens – dort will ich auch noch hinauf. Urplötzlich werde ich unweigerlich wieder daran erinnert, dass man in den Bergen stets umsichtig agieren muss: ein Rettungshubschrauber kommt deutlich hörbar aus Richtung Hochvogel angeflogen, wahrscheinlich mit Ziel Reutte, hoffentlich ging da alles gut.

Mittlerweile bin ich am Gipfel der ganz auf Tiroler Gebiet liegenden Rohnenspitze (1990 m) angekommen, es ist fünf vor Elf. In geringer Entfernung sehe ich schon das Gipfelkreuz, das unweit gelber Wanderschilder etwas tiefer nördlich vorgelagert steht, so dass man es vom Tannheimer Tal aus gut sehen kann. Umgekehrt hat der Gipfelbezwinger von hier aus auch eine ziemlich unverbaute Sicht auf Tannheim und die umgebenden Berge, ansonsten unterscheidet sich der Blick von der Rohnenspitze nur unwesentlich vom Panorama des etwas höheren Ponten. Nach einem kurzen Eintrag ins Gipfelbuch und 15 Minuten Gipfelrast mache ich mich auf den Weg ins Tal. Der Abstieg über Weg Nr. „62“ ist zwar technisch unschwierig, führt aber bis in den Latschengürtel hinein durch eine sehr ausgeprägte Schuttschürze von teils etwas rutschigem Hauptdolomit, die große Teile der Rohnenspitze an deren Nordhang bedeckt. Etwas über eine halbe Stunde lang geht es durch diese eingenwillige Landschaft, die der Rohnenspitze hier auf der Nordflanke ein völlig anderes Gesicht verleiht als auf ihrer wilden Südseite. Ich bin sofort ein echter Fan dieses Berges!

Ab ca. 1600 m wird der Weg etwas steiler und führt mitunter leicht südwärts hinab ins Pontental. Jetzt im Herbst eröffnen sich aus dem märchenhaften Bergwald traumhafte Blicke auf den kühnen Ponten und das Gipfelkreuz, das sich weit oben in den Himmel reckt. Unglaublich, dass ich heute Morgen noch völlig problemlos dort oben war, denke ich mir. Goldgelb gefärbte Bäume verleihen dem Hochtal einen zauberhaften Herbst-Charme.

Bei ca. 1435 m trifft der Wanderweg auf die Forststraße, die zum Rohnenlift führt. Eine Weile lang folge ich dieser Forststraße, zweige dann aber recht bald auf einen Wanderweg ab, der Weg „71“ mit Weg „74“ verbindet. Bis hinunter zum Parkplatz in Schattwald sind es jetzt nur noch wenige Minuten. Es eröffnen sich talnah schöne abschließende Blicke auf Einstein (1866 m), Gimpel (2173 m) und Schattwald. Der Blick geht immer wieder auch zurück zum Kreuz der Rohnenspitze. An der Brücke am Ausgangspunkt bewundere ich den herbstlichen Stuibenbach – Dinge, die ich in der Dunkelheit kurz nach 4 Uhr morgens nicht sehen konnte. Kurz nach 13:00 Uhr bin ich wieder am Parkplatz und bin uneingeschränkt begeistert von einem fantastischen Berg-Vormittag mit 3 Gipfeln und einem Möchtegern-Gipfelchen. Von der Rohnenspitze nach Schattwald waren es noch einmal etwas mehr als 4 km bei ziemlich genau 900 Hm-.

Mein zusammenfassendes Fazit: Von der Schwierigkeit passt die gesamte Wanderung gut in die Kategorie T3, wobei am Übergang vom eigentlichen Ponten-Gipfel zum Gipfelkreuz und beim Einstieg zur Rohnenspitze hinter der Bergwachthütte zwei Kraxel-Stellen mit leichter Kletterei im ersten Schwierigkeitsgrad (I) überwunden werden wollen. Inklusive ausgedehnterer Pausen habe ich für die 13 km lange Tour insgesamt 9 Stunden benötigt und dabei inklusive Gegenanstiegen ca. 1260 Hm+ zurückgelegt. Über die gesamte Tour habe ich an diesem Montag, für die meisten ein regulärer Arbeitstag, nur fünf oder sechs andere Geher getroffen, mit einigen davon auch ein wenig geplauscht; die meisten kamen mir entgegen, haben die drei Gipfel also im Uhrzeigersinn besucht. Die Runde ist insgesamt eine äußerst lohnende Tour, und wahrscheinlich auch deshalb wohl so etwas wie ein „Klassiker“ für Gipfelsammler im westlichen Tannheimer Tal. Gerade bei Verhältnissen wie heute, wo auf den höheren Gipfeln der Allgäuer Alpen noch viel Schnee liegt, ist die B’schießer–Ponten–Rohnenspitz-Runde eine großartige Option auf 2000 m, die zudem verschiedene Abbruch- und Abstiegsmöglichkeiten bietet.


Tourengänger: TheSwabian


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Kommentare (2)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 8. November 2024 um 18:00
Tolle Tour und großartige Bilder! Du hast die Stimmungen perfekt eingefangen. Hab deine Fotos schon bei deiner Tour auf den Wannig bewundert. Sind die Bilder bearbeitet?

Gruß Nico

TheSwabian hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. November 2024 um 18:30
Hallo Nico, vielen Dank! Ich bearbeite meine Bilder in der Regel so, dass sie die Stimmung, wie ich sie empfunden habe, möglichst gut transportieren, d.h. das Übliche... Helligkeit, Gamma, Kontrast, Zuschnitt usw. Viele Grüße, Martin


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