Grundübelüberschreitung


Publiziert von frehel , 12. September 2024 um 14:56.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:11 September 2024
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Klausbachtal


Die klassische Überschreitung der Grundübelhörner in der Reiteralm ist eine Mischung aus leichter Kletterei in meist festem Fels im Aufstieg über den Westgrat und den Grundübelturm (erstbegangen 1900 von Georg Leuchs alleine), einer herrlichen Gratwanderung zum Knittelhorn und dem schrofigen Abstieg durch die Kamine des Nordpfeilers (erstbegangen 1906 von Max Zeller alleine). Die Tour ist insgesamt recht alpin und nichts für Genusskletterer/Genusswanderer; es ist immer wieder sehr beeindrucken zu erleben, wie wild die Bergsteiger in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg drauf waren. Für mich ist die Überschreitung, die in den letzten Jahr nur selten gemacht wurde, eine der schönsten 5* Touren der Reiteralm.
 
Zur Schwierigkeitsbewertung: Dafür, dass der Aufstieg im AV-Führer mit "Stellen (IV-)" bewertet wird, muss man ordentlich hinlangen, ebenso darf man sich von der Bewertung des Abstiegs mit "II und I" nicht täuschen lassen. Es gibt ein gutes Topo der Tour im Buch von Sebastian Steude, der an einigen Stellen nicht zu Unrecht aufgewertet hat. Allerdings würde ich an zwei Stellen anders gehen als er, siehe unten. Ich folge unten der Einfachheit halber der klassischen Schwierigkeitsbewertung aus dem AV-Führer (siehe z.B. 17. Auflage von 1994).
 
Zur Ausrüstung: Auch wenn man nicht als Seilschaft unterwegs ist, muss man einen 30 Meter Strick zum Abseilen mitnehmen. Ebenso sollte man Material zur Verbesserung der zwei Abseilstände mitnehmen (Abseiler vom Grundübelturm an Block, Abseiler an Nordpfeiler an Latsche). Im Aufstieg über den Grundübelturm stecken praktisch nur alte Schlaghaken (außer einem verrosteten Bohrhaken auf dem Grundübelturm, den ich nicht mehr zum Abseilen verwenden würde).
 
Gehzeit: Dadurch dass ich im Abstieg vom Knittelhorn zum Nordpfleiler erst mal mehrere Varianten angeschaut habe und ich ein sehr langsamer Schrofenkletterer bin, bin ich mit einer ausgiebigen Gipfelpause auf ingesamt 9 Stunden Gehzeit gekommen. Sportliche Menschen, die nicht lange nach dem Weg suchen müssen, werden sicher deutlich schneller unterwegs sein je nachdem ob und wie viel man im Aufstieg sichert.
 
 
Vom Parkplatz Klausbachtal geht es über die Halsgrube zum Böselsteig. Bei einem Flachstück nach den ersten Drahtseilpassagen zweigt man links auf den unmarkierten Totensteig ab, der einen über Leitern ins untere Wagendrischelkar führt. Durch das Kar erreicht man die Grundübelscharte zwischen Grundübelturm und Kleinem Mühlsturzhorn. Der schöne Turm im Schartenbereich wird nordseitig über ein Band und eine Rinne umgangen, Stelle (III) (oder kann wohl etwas schwieriger auch direkt überklettert werden). Jetzt steht man unter dem plattigen Wandaufschwung des Grundübelturms. Zunächst steigt man über ein Band steil nach rechts empor (II), welches auf einen kleinen Absatz mit Latsche südöstlich des Grundübelturms leitet. Von hier gibt es zwei Möglichkeiten auf das markante Latschenband zu gelangen, welches die Westwand des Turms weiter oben quert. Entweder wie im Topo von Steude über das Loch und die "brüchige, griffarme Stelle höher oben" (AV-Führer) oder, wie ich es gemacht habe, einfacher und schöner weiter unten über die Plattenwand nach links rausqueren und sich an guten Griffen bei Stand an alten NH von den Platten auf das besagte Latschenband hochziehen (III-IV). Über das Latschenband einige Meter nach links auf einen großen Absatz. Von hier bin ich anders als beim üblichen Anstieg zur kleinen Scharte hinauf, die die Schlusswand des Turms mit einem großen westlich gelegenen Block bildet, und von dort über einen Riss auf den Turm. Normalerweise und vermutlich empfehlenswerter quert man über ein Band weiter nach rechts bis zur Kante und über diese sehr ausgesetzt hoch (IV-). Meine Variante ist deutlich weniger ausgesetzt, aber das letzte Stück kam mir schwerer wie (IV-) vor; an dem Tag auf jeden Fall die Schlüsselstelle für mich.

Der Grundübelturm ist in der Mitte gespalten und man steht nun auf dem westlichen Turm. Von diesem steigt man einige Meter ab zu einem großen Klemmblock (II) und auf der anderen Seite geht über ein sehr büchiges Wandl (IV-) auf den östlichen Turm. Hier müsste dringend mal ein Putztrupp durchgehen, man merkt deutlich, dass der Anstieg viel zu selten begangen wird. Zu Leuchs Zeiten gab es da wohl einen guten Tritt, der sich mittlerweile verabschiedet hat, und das Wandl war deutlich einfacher.
 
Vom östlichen Teil des Grundübelturms seilt man an einem Block (eher nicht an dem verrosteten Bohrhaken) 14 Meter auf einen Absatz ab. Von diesem klettert man in die Scharte zum Grundübelhorn ab, ein Block in der Scharte kann überklettert werden, und man erreicht das Große Grundübelhorn über nette Kraxelei in gebanktem Fels (III).

"Die Grundübelhörner, so heißen jene schlanken Spitzen, welche die Todesöde überwachen, die Verwüstung schüren aus ihren eigenen Eingeweiden, bis dass sie selbst zusammenbrechen [...]"
H. v. Barth "Aus den Nördlichen Kalkalpen"
 
Im Gegensatz zu dem was ein Leser von Hermann von Barth denken mag, ist das Große Grundübelhorn ein sagenhaft schöner Gipfel. Trotz seiner geringen Höhe bietet er fantastische Ausblicke bis in die Hohen Tauern und kleine Wiesenflecken laden zu einer Siesta ein. Den Normalweg durch die Barthrinne (erstbegangen 1868 von Barth und Berger) hat Chiemgauer bereits schön beschrieben.

Jetzt folgt eine kurze aber herrliche Gratwanderung zum Kleinen Grundübelhorn. Den Weiterweg zum Knittelhorn absolviert man ab besten direkt am Grat durch die Latschen hindurch, brüchig und Stellen (II).
 
Nun beginnt der schrofige Abstieg zum Nordpfeiler. Der wilde Zeller Max hat es sich nicht nehmen lassen, sich dabei noch an einer Kaminrinne am Turm in der Westflanke auszutoben. Man sollte die Beschreibung aus dem AV-Führer keinesfalls ernst nehmen, denn es gibt eine viel einfachere Variante, um zum Ausstiegsband aus der Westflanke zu gelangen (auch die Variante im Topo von Sebastian Steude sah mir nicht sehr verlockend aus). Dazu bleibt man im Wesentlichen immer am Nordgrat. Den ersten Abschwung kann man orographisch rechts in der latschigen Ostflanke entlang eines Gamswechsels umgehen (I-II). Dann immer am schrofigen Grat bleibend (Stellen II) bis zum letzten plattigen Abschwung auf das Ausstiegsband. Diesen umgeht man orographisch links durch eine Schrofenrinne (I). Jetzt steht man bei einem Steinmann auf dem breiten Ausstiegsband der Schrofenflanke und quert eben nach rechts (Steinmänner) auf dem dort schmalen Band ums Eck. Dadurch dass sich unter einem ein großes Dach und eine überhängende Felswand befindet, ist es am Eck extremst ausgesetzt. So eine Ausgesetztheit habe ich bisher im Zweiergelände noch nie erlebt. Über das wieder breitere Band erreicht man den Abseilstand an einer Latsche und man seilt sich 13 Meter direkt auf den Pfeiler ab. Zunächst betritt man die lange Kaminfolge, die der Pfeiler mit der Wand bildet, nicht und geht stattdessen über die Schrofen rechts hinunter (II). Wo es latschiger wird und unterhalb abbricht, quert man nach links in die Kamine. Diesen bin ich bis zum Vorbau durchgehend gefolgt (Stellen II+). Für Zweierkamine ist es recht amtlich, löst sich aber immer gut auf. Beim Vorbau quert man links über Schrofen raus (I) und erreicht somit wieder das Wagendrischelkar.

Tourengänger: frehel


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Kommentare (11)


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Nyn hat gesagt: Bild"größen"probleme
Gesendet am 13. September 2024 um 14:26
Tolle Tour mit ebenso tollen Bildern, die durch die automatisierte Online-Tool(?) oder hikr-Komprimierung (auf unter 2MB) der überaus "großen" Originalbilder (9216x6912 px!?!) beim upload sehr leiden. Die kleinen Vorschaubilder sind soweit~ ok. - immerhin.

TIP: Es gibt deutlich "bessere" und vglweise recht einfache Wege mit jedem Bildbearbeitungsprogramm (sehr gut z.B. irfanview, notfalls geht sogar paint!, um ansprechende Bildgrößen und qualitativ völlig ausreichende Ergebnisse fürs Web VOR dem Upload zu erzielen, als es irgendeinem Onlinetool per "mach mir <2MB draus" zu überlassen oder hikr.

Der Knackpunkt ist, und es macht unbedingt Sinn, bei so hoch aufgelösten Originalen diese eben NICHT direkt von der Kamera upzuloaden, sondern zunächst auf eine übliche Abmessung und damit deutlich geringere Dartenmenge zu schrumpfen, die die Allermeisten von uns am Bildschirm nutzen (z.B. max. 1920x1280px ).
"Größer" ist fürs Internet sinnlos! - weil ein z.B. 24Zöller mit üblicher Auflösung nicht mehr als 1920x1280 ohne extrem zu scrollen darstellen kann. Ist das verständlich?
(Deine "Großbilder" nach Klick auf die Übersicht der Fotos sind so wahnsinnig groß, dass man darauf erstmal gar nichts erkennt! - leider)

Unschwer erkennbar ist auch die Datenmenge bei 9216x6912 über 63Mio Pixel, bei 1920x1280 2.5Mio Pixel - das ist weniger als 1/20tel! Wenn der Moni oder hikr veruscht ein reisiges Bild auf ein festes Maß/Größe UND ABmessungen zu reduzieren - kann das meist nur schief gehen....

Die Qualität von den Bildern, die -wenn du es selbst steuerst!- NACH dem Herunterrechnen der reinen Abmessungen ins Web hochgeladen werden, ist mit fast allen üblichen Programmen leicht und komfortabel einstellbar, prüfbar und wenn man dann die richtigen Werte gefunden hat ggf sogar per Batch für ganze Ordner in einem Rutsch zu bewerkstelligen!

Einige der und weitere Tips dazu stehen auch in der Community Photografie, für die Details diverser Programme gibt es zig kostenlose Anleitungen im Netz. Ist ein wenig Mühe, aber belohnt u.a. mit schnellerem Upload, "Großbildern" ohne zu Scrollen und "sauberem" Himmel.
Meiner Meinung nach lohnt sich da die Arbeit schon! Bei mir erreiche ich damit bei fast allen Bildern eine gute Qualität (fürs Web!) mit einer Bildgroße von z.B. 1408x1056, wo das Einzelbild gerademal 137kb hat.

Ich gebe dazu gerne weitere Hilfen, wenn gewünscht.

Viele Grüße
Nyn/Markus

frehel hat gesagt: RE:Bild"größen"probleme
Gesendet am 13. September 2024 um 16:47
Danke für den Hinweis. Ich habe die Bilder noch mal hochgeladen mit reduzierten Pixelanzahl. Das schnelle Komprimieren ohen Pixelreduktion ist tatsächlich bei so großen Bilddateien sehr wenig hilfreich.

BG,
Moritz

Nyn hat gesagt: RE:Bild"größen"probleme
Gesendet am 13. September 2024 um 19:02
Danke für dein Verständnis und das Korrigieren, Moritz
Mein Post oben ist demnach hinfällig? Wenn er dich so stört, dann löschen

Eine vermeintlich kleine Ursache kann unschöne Artefakte und Verpixelungen ergeben, die auch bei anderen hikrn ab und zu auftaucht/e ...

Grüße
Markus

frehel hat gesagt: RE:Bild"größen"probleme
Gesendet am 13. September 2024 um 20:23
Vielleicht stößt ja noch jemand zufällig auf deinen Kommentar, der auch was damit anfangen kann. Muss man von mir aus nicht löschen. Welche Auflösung verwendest du denn standardmäßig, wenn du mit dem Handy in den Bergen Landschaftsaufnahmen im jpeg-Format machst?

Nyn hat gesagt: Bergbilder
Gesendet am 13. September 2024 um 22:00
Ich benutze dafür kein Handy, sondern habe seit Jahren bei den Kraxeleien, aber auch bei Spazis eine kleine, handliche Kompaktkamera dabei:

Eine Sony Digital Ixus95 IS

Aufnehmen tu ich meist mit 2816x2112px.(jpg), damit habe ich genügend Platz auf der Speicherkarte für 100e von Bildern (und 1 weitere Speicherkarte als Ersatz dabei)
Nötige Bildbearbeitung (Nachjustieren von Schärfe, Kontrast, ggf. Ausschnitt) und die Generierung der Upload-Versionen fürs Web (jpg, "für Web speichern" o.Ä., oft 50%, zuweilen 66%Größe, wenn ich vorher "gecropt" habe, Qualität ca. 80%) mache ich am PC, inzwischen meist per batch mit irfanview, manchmal auch mit Photoshop.





frehel hat gesagt: RE:Bergbilder
Gesendet am 14. September 2024 um 13:27
Interessant, leider gibt es irfanview nicht für Linux.

Nic hat gesagt:
Gesendet am 14. September 2024 um 09:54
Ganz großartige Tour! Über diese Gipfel habe ich mich schon vor vielen Jahren im AVF eingelesen. Da klingt das alles gar nicht so schwierig. Für mich leider nicht erreichbar, aber das Große Grundübelhorn ist ein edler Gipfel. Ich gratuloere dir zu dieser Solo Begehung und danke für den tollen Bericht.

Gruß Nico

frehel hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. September 2024 um 10:34
Danke. Eine Tour, die ich auf jeden Fall mal wiederholen werde. Wenn man den einfachsten Weg kennt, ist es von der technischen Schwierigkeit überschaubar, aber bei der Ausgesetztheit muss man schon manchmal seinen Mut zusammennehmen.

TobiasG hat gesagt:
Gesendet am 24. September 2024 um 13:44
Spannende Tour, die einiges an Technik und Erfahrung verlangt, Chapeau!
Du hast es solo gemacht, oder? Könnte man die IVer Stellen ggf auch mit bisschen Material passabel sichern?
Ist wirklich ein Jammer, dass ich so lang nach Berchtesgaden brauch, da gibt´s schon tolle Sachen. Aber wenn ich dann mal wieder längert dort bin, ist die Tour auf jeden Fall weit oben auf der Liste. Danke für die Inspiration

frehel hat gesagt: RE:
Gesendet am 24. September 2024 um 22:06
Servus Tobias,

ja, ich war an dem Tag alleine unterwegs. Kann die Tour auf jeden Fall sehr empfehlen. Die NH (siehe Topo von Sebastian Steude) sahen ziemlich alt aus, aber ich denke schon, dass man an Köpfeln und Latschen auch so einigermaßen Standplätze hinbekommt.

BG, Moritz

TobiasG hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Oktober 2024 um 21:07
Muss man ggf. wohl bisschen Hardware mitnehmen aber das klingt ja ganz vielversprechend. Starke Tour auf jeden Fall! Mal sehen, wann sich das ergeben könnte.
VG Tobi


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