Zwei Nordostkare und eine sehr anspruchsvolle Überschreitung: im Winter zeigt der Unnütz seine Zähne


Publiziert von Kaiserin , 16. März 2024 um 21:34.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Rofangebirge und Brandenberger Alpen
Tour Datum:11 März 2018
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT6 - Anspruchsvolle alpine Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:11,3 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Achenkirch Richtung Steinberg am Rofan abbiegen und etwa Höhe Obere Bergalm eine geeignete Parkmöglichkeit suchen. Wir haben direkt an der Straße geparkt und waren damit nicht die Einzigen.

Unnütz-Überschreitung.  Klingt erstmal ziemlich unspektakulär.  Zumindest wenn man sie vom Sommer bzw. bei schneefreien Verhältnissen her kennt.  Wie ich sie schon mehrmals gegangen bin, dann aber von Achenkirch aus.  Eine nette, aussichtsreiche Wanderung, mit dem Hochunnütz ein etwas schmalerer Gipfelgrat, aber sonst ohne spezielle Anforderungen.

 

Wie sehr sich ein Berg bzw. eine Tour im Winter wandeln kann durften wir bei unserer Winter-Überschreitung herausfinden.  Es ging eigentlich eher unscheinbar los, mit der Überlegung was wir machen wollen, und dem Vorschlag Unnütz.  Da gibt es ja bekanntlich die Skitourenroute von Steinberg aus.  Ob wir die machen wollen?  Nein, höre ich, das Nordostkar.  Nordostkar am Unnütz?  Habe ich noch nie gehört.  Also recherchiere ich und finde zwei Berichte, einen von Tourentipp und einen hier.  Die genauere Begutachtung ergibt dass es zwei Nordostkare zu geben scheint, eines zwischen Vorder- und Hochunnütz und eines zwischen Hoch- und Hinterunnütz.  Von Ersterem geht es wahlweise auf Vorder- oder Hochunnütz, vom anderen auf den Hochunnütz  Welches der beiden Kare denn gemeint war möchte ich wissen?  Ich ernte erstmal Unverständnis.  Bekannt scheint eher nur das “südliche Nordostkar” zu sein, also jenes das bei Tourentipp beschrieben ist.  Ich verweise auf Alberts Bericht (https://www.hikr.org/tour/post45644.html) um meine Rückfrage zu verdeutlichen.  Die Rückmeldung ist so verwegen wie spannend: warum nicht beide?  Spannend daher, weil ich in den Weiten des Internets nichts zur Kombination von Vorder- und Hochunnütz im Winter finde.  Im Sommer, klar, kein Ding, aber im Winter?  Die ostseitige Querung unterhalb des Vorderunnütz ist jedenfalls sehr steil und somit vom Lawinenrisiko her sicherlich kritisch zu beurteilen.  Und die beiden Gipfeloptionen im “südlichen Nordostkar” scheinen eine entweder/oder-Sache zu sein.  Was also tun?  Nun, wir entscheiden uns das “südliche Nordostkar” zum Vorderunnütz aufzusteigen und dann vor Ort zu schauen ob wir zu den beiden anderen Gipfeln weiterkommen und das andere Kar vielleicht sogar absteigen können.  Die Steigeisen sind aufgrund der Steilheit der Kare ohnehin dabei, das ist schon frühzeitig klar.  Und vom Hochunnütz kämen wir sicher auch wieder in unser Aufstiegkar.  Also mal schauen!

 

Los geht’s an der Landstraße die von Achenkirch nach Steinberg führt.  Nachdem wir nicht die Steinberg-Route gehen fahren wir nicht bis zum Parkplatz sondern parken nahe der Oberen Bergalm direkt an der Straße.  Andere abgestellte Autos legen den Verdacht nahe dass wir nicht die einzigen sind die das südliche Kar begehen wollen.  Es gibt also Spuren an denen wir uns orientieren können.

Direkt an der Wiese neben uns verläuft der Schwarzenbach.  Diesem gilt es nun ins Kar hoch zu folgen.  Theoretisch könnte auch einem Wirtschaftsweg ein paar Meter gefolgt werden, aber wir stehen wirklich so praktisch dass das einen Umweg darstellen würde.  Bald verengt sich der Bachlauf und es geht einen recht schmalen Einschnitt hindurch bevor das Gelände sich wieder weitet.   Nach ca. 1,5 Stunden Aufstieg kommen wir an einen Felsdurchschlupf.  Dorthin und hindurch geht es über 40° steil empor.  Man könnte das Steilstück offenbar links umgehen, das haben wir aber nicht ausprobiert, insofern kann ich dazu nichts sagen.  Oberhalb ist dieses Durchschlupfs geradeaus der Hochunnütz zu sehen.  Für den Vorderunnütz biegen wir alsbald nach links ab und müssen hierfür die nächste Steilstufe bezwingen.  Oberhalb derer folgt eine Querung des Vorderunnütz-Nordostgrats, die auch noch 35° hat und somit für uns mit Schneeschuhen nicht ganz so angenehm ist, aber es geht schon noch.  Nach der Querung sind wir nun südöstlich des Vorderunnütz und wir orientieren uns nun nach Westen Richtung Südrücken.  Nochmals geht es hier bis zu über 40° steil hinauf, u.a. am nächsten Felstor vorbei, bevor wir, den Wechten möglichst ausweichend, etwas unterhalb des Gipfels auf der Steinberg-Normalroute ankommen.  Die letzten Meter sind nun nur noch entspannte Formsache.  Ziemlich exakt 3 Stunden haben wir für den Aufstieg durch das “südliche Nordostkar” benötigt.

 

Auf dem ersten Gipfel sind wir somit gut angekommen.  Aber wie geht es nun weiter?  Während unserer Gipfelrast nehmen wir die Möglichkeiten in Augenschein.  Dem Sommerweg folgen ist, wie bereits vorab klar war, eher keine Option.  Aber da ist eine leicht nach Westen ausgerichtete Nordrinne die in die Westflanke führt, welche nach einem gut gangbaren Übergang zum Hochunnütz aussieht.  Wir beratschlagen uns und entscheiden es auszuprobieren.  Also Steigeisen ran und los!

Langsam Stufen schlagend beginnen wir diese Rinne abzuklettern.  Die Rinne ist extrem steil und geht langsam in einen nach wie vor sehr steilen Hang über.  Wir brauchen sage und schreibe eine gute halbe Stunde um aus dem Steilgelände herauszukommen.  Gar nicht, weil die Strecke so groß wäre (etwa 70 Höhenmeter werden überwunden), sondern weil es wirklich extrem steil ist und wir uns äußerst vorsichtig vortasten müssen.  Ich tippe dass die Steilheit zumindest zeitweise bei um die 50° liegt, es ist also richtig anspruchsvoll.

In flacherem Gelände queren wir den Hang Richtung Verbindungsgrat zwischen Vorder- und Hochunnütz, aber eben von Westen her kommend, und nach wie vor auf Steigeisen.  Mit Erreichen des Grats und somit des Sommerweges bauen wir wieder auf Schneeschuhe um und erreichen entspannt den Gipfel des Hochunnütz.  Uiuiui, das war wirklich ein außerordentlich fordernder Übergang!

 

Lange halten wir uns am zweiten Gipfel nicht auf, wir wollen ja noch zum Hinterunnütz weiter.  Dieser Übergang ist technisch leicht, hier ist nichts Anspruchsvolles dabei.  Was ja zur Abwechslung auch mal ganz schön ist.  Aber während wir rüber gehen sehen wir bereits dass im nördlichen Nordostkar Abfahrtsspuren vorhanden sind.  Umso besser für uns, also ist das Kar ebenfalls befahren und wir müssen auch hier die Route nicht suchen!  Wenn wir wüssten was uns dennoch erwartet… aber vorerst geht’s am Kreuz vorbei zum Gipfelsteinmann des Hinterunnütz, auf dem ich bis dato tatsächlich noch nie war, kommt der Sommeraufstieg doch am Kreuz und somit unterhalb raus.  Hier rüber haben wir vom Vorderunnütz her sage und schreibe etwas über 2 Stunden benötigt, Wahnsinn!


 

Auch hier bleiben wir nicht lange, liegt doch noch der Abstieg vor uns.  Und dieser hat’s wirklich in sich.  Zunächst geht es zurück Richtung Hochunnütz.  Etwa 60 Hm unterhalb des Gipfels setzt ein Ostrücken an der die südliche Begrenzung des nun zu begehenden Kars darstellt.  Von oben ist schon klar: das erste Stück ist schon wieder ordentlich steil.  Also der nächste Umbau, von Schneeschuhen zu Steigeisen, und los geht’s.  Zwischenzeitlich sind wir ja geübt im Abstieg im Steilgelände, und allzu lange dauert es nicht bis der Rücken abflacht, wir kommen also etwas zügiger voran als beim Abstieg vom Vorderunnütz.  Eine gute Viertelstunde brauchen wir aber dennoch für die etwa 60 Höhenmeter.

Erleichtert, dass es jetzt flacher ist, ziehen wir wieder die Schneeschuhe an und gehen weiter.  Wir haben unterschätzt wie steil es gleich nach Norden ins eigentliche Kar runter geht.  Aber das stellen wir erst fest als wir schon im Hang sind.  Der ist nämlich auch wieder über 40° steil, und das ist mit Schneeschuhen an den Füßen definitiv weniger spaßig als mit Steigeisen.  Tja, aber selbst schuld wenn man zu euphorisch ist.  Eine Viertelstunde später haben wir auch diese etwa 50 Höhenmeter hinter uns gebracht und nun geht’s wirklich das Kar Richtung Nordosten raus.

Wenn wir gemeint haben dass wir jetzt einfach nur noch entspannt rauslaufen müssen sehen wir uns wiederum getäuscht.  Ja, es gibt gut zu gehende, flachere Passagen, aber auch immer wieder steile Stufen die auf Schneeschuhen schon unangenehm sind und somit Zeit kosten.  Kurzum, mit Steigeisen wär’s häufig besser gewesen beim Abstieg im nördlichen Nordostkar, aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.  Ganz unglücklich waren wir somit nicht als das Gelände flacher wurde.  Da waren wir aber auch schon auf fast 1200 m runtergekommen und hatten nur noch eine Dreiviertelstunde zurück zum Auto.

 

Auf jeden Fall ist die winterliche Unnütz-Überschreitung ein Erlebnis das sicherlich dauerhaft in Erinnerung bleibt.  Stellte sie doch eine Tour dar über die wir vorab wenige Informationen hatten und daher ein echtes Abenteuer quasi in Neuland bot.  Und das auf einem Bergstock auf dem wir alle drei natürlich schon, teils mehrfach, waren.  Aber halt immer ohne Schnee, auf Wanderwegen.  Die hier beschriebene Runde ist ein wunderbares Beispiel dafür dass etwas, das im Sommer “leicht” ist im Winter gleich ganz anders aussehen kann.  Und damit meine ich gar nicht den “Zustieg” zum Verbindungsrücken zwischen den drei Gipfeln durch die beiden Nordostkare, sondern insbesondere den äußerst fordernden Abstieg vom Vorderunnütz um zum Hochunnütz zu gelangen.  Im Nachhinein ist schon fast klar warum darüber keine Informationen zu finden waren, zu obskur ist die Unternehmung.  Ob sie nach meinem Bericht jemand wiederholen wird?  Ich bin gespannt, warne aber explizit davor die Tour zun unterschätzen!  Man befindet sich fast durchgehend in steilem bis sehr steilem Gelände mit hohen Anforderungen an die technischen Fähigkeiten und auch mentale Stärke.  Dass die Bedingungen passen müssen erschließt sich von selbst, die Kare sind lawinengefährdet und die Rinne am Vorderunnütz möchte man auch eher nicht in einer Lawine abgehen.

Die Bewertung mit WT6 ist somit obligat, das steht außer Frage.  Durch das Auf und Ab kumuliert sich die Unternehmung auf etwa 1300 Höhenmeter in Summe, bei ca. 11,3 km Streckenlänge.


Tourengänger: Kaiserin


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 62670.gpx Disclaimer: Track hat im unteren Bereich des Aufstiegs leider einen kleinen Sprung, die Route ist dort aber immer klar

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