Altmann Ostrgrat: Fäkaliengraus und Kraxelschmaus im Alpstein


Publiziert von Sperber , 13. November 2023 um 21:31.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum: 9 Oktober 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AI   CH-SG 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m

Der "hohe Mann" im Alpstein ist für mich einer der schönsten Berge in der Ostschweiz. Besucht hatte ich ihn schon öfters, doch seine Gestalt und die Vielfalt an Routen lockt mein Interesse immer wieder aufs Neue an. Diesmal würde es meine bisher grösste Herausforderung auf den Gipfel sein: der Ostgrat im Alleingang.

Zum Glück sind alle Zustiege zum Altmann relativ weit und teilweise schwierig, wodurch die Ärgernisse in den niedrigeren Lagen des Alpsteins jeweils schnell in Vergessenheit geraten. Trotzdem: Schämt euch, alpine Müllentsorger und ungelehrte Naturscheisser!  

Aber alles der Reihe nach: Bei meiner Ankunft in Wildhaus merke ich in grosser Verägerung über mich selbst, dass ich meinen Kletterucksack zuhause liegen liess. Nun muss mein alter, muffiger Schulrucksack hinhalten - das fängt ja gut an! Nun ja, mein Plan bleibt derselbe: Ich nehme Seil und Ausrüstung mit, wodurch ein Rückzug stets möglich wäre, was den Genussfaktor hoffentlich in Abhilfe der Anspannung steigert. Sehr schwierig ist die Kletterei über die sieben Seillängen nicht - solo und ungesichtert ist die Herausforderung mehr mentaler Natur. Doch dann schon der nächste Aufreger: Bei meinem Aufstieg durchs Flüretobel richtung Teselalp begegne ich Zuständen wie in Paris im siebzehnten Jahrhundert. Fäkalien weit und breit, entsorgte Unterwäsche - selbst der Bach ist verpestet mit gebrauchtem WC-Papier. Ich kann es nicht verstehen, denn sanitäre Einrichtungen wären in 5-10min erreichbar. Auch etwas weiter oben finde ich auffällig viel Müll auf den Wegen vor. Jenes, das mich nicht zu sehr graust, werde ich auf dem Rückweg später lautstark fluchend einpacken.

Doch kommen wir nun zum alpinistisch Interessanten und nicht minder Wichtigen: Die Tour auf den Altmann über den Ostgrat. Ich halte bei ausserordentlich warmen und sonnigen Wetter zügig auf die Zwinglipasshütte zu und quere unterhalb der Rässegg auf Wegspuren in Richtung Ostaufstieg zum Altmannsattel. Diese Wegspuren führen direkt unterhalb des Einstiegs zum Ostgrat durch. Letzterer ist rein visuell nicht zu verfehlen, doch Vorsicht, es gibt eine zweite, deutlich schwerere Route etwas zur Linken in Aufstiegsrichtung.

Nach kurzem Matrialcheck und mentaler Abstimmung zwischen den dreizehn Stimmen in meinem Kopf geht es drauf los und schon bald erblicke ich den ersten Bohrhaken. Die ersten drei Seillängen gehen in toller Genusskletterei problemlos, bevor ich am dritten Stand eine kurze Trinkpause einlege. Ein Verhauer bringt mich in der Folge in schwierigeres Gelände, bevor ich die Bohrhaken zu meiner Rechten erblicke. Im Wissen über den idealen Routenverlauf gelange ich nun dann nach einem ziemlich umständlichen Manöver mit Abstieg und Traverse in konzentrierter Manier weiter bis in die etwas einfachere fünfte Seillänge. Ab hier empfand ich den Aufstieg entspannter, da einerseits der Grat abflacht und andererseits die Ausweichmöglichkeiten zunehmen - die letzten zwei Seillängen kann ich sprichwörtlich in vollen Zügen geniessen und erreiche die mir noch bestens in Erinnerung gebliebene Kreuzung mit der Route über den Schaffhauser-Kamin. Wenige Minuten später gelange ich zur gemütlichen Gipfelbank für eine längere Rast. Der Abstieg erfolgt via Altmannsattel zurück zur Zwinglipasshütte und entlang der Aufstiegsroute zurück nach Wildhaus.

Fazit: Grossartige Tour in fantastischer Umgebung, die sich allerdings aufgrund der Schönheit von Umgebung und Gestein doch eher als Seilschaft empfiehlt. Dies bietet sicher einen höheren Genussfaktor als die etwas ernstere solo Variante, bei der stets beherzt und konzentriert zugegriffen werden muss. Fehler sind mindestens bis in die fünfte Seillänge streng verboten...

Das Titelbild fungiert als mein kümmerlicher Protest gegen die Verunstaltung unseres Natur- und Alpenraums. Sozusagen ein unangenehmer Vorgeschmack auf zukünftige hikr Berichte, falls diesbezüglich keine Besserung eintritt.

Mitgeführte Ausrüstung: der legendäre Eastpack Orbit, Helm, 50m Seil, einige Expressen, Cam, Schlingen, Abseilgerät etc. 
Kletterschwierigkeiten (subjektiv): III-IV, gem. SAC Führer: 3b

Tourengänger: Sperber


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Kommentare (2)


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maenzgi hat gesagt: Gratuliere...
Gesendet am 12. März 2024 um 14:21
Dir zum Altmann Ostgrat Solo. Eine Tour die mich in Erinnerungen schwelgen lässt. Ich frage mich, weshalb ich diesen Bericht übersehen hab.
Das mit dem Flürentobel ist traurig. Ich habe es immer als sauber erlebt, bin jedoch die letzten Jahre mit dem Bike hoch bis zur Alp. Solltest du einmal einen Partner brauchen für etwas verrückteres im Alpstein, ich wäre dabei. Auch weni die Touren durch Familienzuwach massiv abgenommen haben.
Lg Manu

Sperber hat gesagt: RE:Gratuliere...
Gesendet am 12. März 2024 um 21:17
Danke Dir, ist notiert! Viele Grüsse


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