Pic d‘Arriel: mein erster Gipfel in den Pyrenäen


Publiziert von Bergmax , 31. Juli 2023 um 19:35.

Region: Welt » Frankreich » Pyrénées » Pyrénées-Atlantiques
Tour Datum:20 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F   E 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:Artouste - Col d‘Arrious - Col de Sobe - Col d‘Arriel - Pic d‘Arriel - Col d‘Arriel - Col de Sobe - Passage d‘Orteig - Artouste
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Lac d‘Artouste: erreichbar mit Luftseilbahn und Minizug vom Lac de Fabrèges. Anfahrt von Pau via D934.
Unterkunftmöglichkeiten:Refuge d‘Arremoulit ist derzeit geschlossen!
Kartennummer:Béarn 1:50.000 (Rando Éditions)

Alpenähnliche Alpinwanderung…

Die Pyrenäen haben für mich den Vorteil, dass ich dort noch gar nichts kenne und völlig unvoreingenommen planen kann. Da nur ein Tag zur Verfügung steht, gilt es, soviel wie möglich mitzunehmen an Wanderspaß und an Landschaftsgenuss.
„Zielgebiet“ sind die westlichen Hochpyrenäen südlich von Pau, deren Wahrzeichen der unverkennbare Pic du Midi d‘Ossau (2884 m) ist, welcher allerdings außerhalb meiner Solo-Kraxelfähigkeiten liegt. Neugierig macht mich aber auch der Lac d‘Artouste, ein sehr reizvoll gelegener Stausee, der sich bequem, aber unkonventionell mit einem Train Touristique, einer Art Feldbahn, erreichen lässt. Der See wird von mehreren großen Gipfeln zwischen 2700 und 3100 Metern umrahmt, von denen viele gemäß meiner Wanderkarte mit Steigen erschlossen sind. Diese Angaben sind aber mit Vorsicht zu genießen, wie man anhand der beeindruckenden Bilder auf den diversen französischen Bersteigerwebsites sehen kann.
Jedenfalls kristallisiert sich der Pic d‘Arriel (2824 m) als attraktives Tourenziel mit gemäßigter Kraxelei heraus. Außerdem ist die Tour nicht so brutal lang, sodass keine Gefahr besteht, das letzte Bähnlein zu verpassen.

Für die Bergbahn ist es sinnvoll, Tickets vorab online zu buchen. Es gibt ein Ticket escapade, bei dem man eine Zugfahrt hinwärts auswählt (ab 9 Uhr, ich reserviere für 10 Uhr), und dann die letzte Rückfahrt um 19 Uhr 15 nehmen muss. Die Zeiten beziehen sich immer auf die Zugabfahrt, dazu kommt noch die Gondelbahn vom Parkplatz zum Startbahnhof (fährt ca. 15 min, aber man soll 45 min vor der Zugabfahrt hochfahren). Das klingt kompliziert, wird aber anscheinend nicht so streng gehandhabt, wenn es nicht sehr voll ist.

Während es am Parkplatz am Lac de Fabreges noch kühl und neblig ist, bringt mich die Gondelbahn flugs in sonnigere Regionen. Der Abfahrtsbahnhof der Train Touristique befindet sich direkt neben der Bergstation auf etwa 1930 Metern Höhe. Dort befindet sich auch ein kleineres Skigebiet. Eigentlich würde ich gerne ein wenig verweilen und die Aussicht zum gewaltigen Pic du Midi d'Ossau genießen. Aber einer der Züge steht zur Abfahrt bereit und es werden alle gebeten, einzusteigen. Auch gut. so geht es eben eine halbe Stunde vor der gebuchten Zeit los und ich habe mehr Zeit für die Wanderung.
Zuerst tuckert das offene Bähnli durch einen stinkigen Tunnel, aber danach wird die Fahrt richtig spaßig. Die zehn Kilometer werden in einer knappen Stunde zurückgelegt. Endstation ist ein kleiner Bahnhof (ca. 1920 m); etwa 60 Höhenmeter unterhalb der Dammkrone des Lac d'Artouste gelegen. Am Bahnhof gibt es auch einen bescheidenen Imbiss, wo ich mir ein lokales, eigenwillig schmeckendes Bierchen gönne. Dieser Imbiss ist übrigens die einzige Einkehrmöglichkeit im gesamten Gebiet, weil das Refuge d'Arremoulit derzeit (2023) eine Baustelle ist und nicht zur Verfügung steht!

Der erste Anstieg hoch zur Staumauer ist mit rustikalen Steinstufen ausgerüstet und schnell geschafft. Am Seeufer kommt plötzlich ein kräftiger, böiger Wind auf. Nicht so gut - Sturm im Gipfelbereich wäre wohl sehr hinderlich... Als nächstes umwandere ich den Lac d'Artouste auf der Westseite. Der Weg ist beschlidert, aber nicht mit Farbzeichen markiert. Auf der Südseite des Sees beginnt ein Anstieg und bald trennen sich die Routen zum Col d'Arrious und zum Refuge d'Arremoulit. Mein Zwischenziel ist der Col. Im Zickzack geht es nun zügig aufwärts. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich genausogut in den Schwyzer oder Vierwaldstätter Alpen unterwegs sein, denn die Vegetation, die Wegbeschaffenheit und auch die Steilheit sind sehr gut vergleichbar.

Am Col d'Arrious (2259 m), den ich etwa eine Stunde nach dem Abmarsch am Bahnhof erreiche, öffnet sich der Blick über das Valle d'Ossau zum Pic du Midi d'Ossau. Hier könnte man ins Tal und letztlich zum Parkplatz absteigen. Ich nehme aber den kurzen Weg zum Lac d'Arrious (knapp 2300 m), einem fantastisch gelegenen und auch windgeschützten Bergsee.

Ab jetzt ist der Weiterweg nicht mehr beschildert. Markierungen gibt es - wie schon erwähnt - in diesem Gebiet ohnehin nicht, außer Steinmännchen. Deshalb bin ich froh über meine Wanderkarte. Westlich des Sees wird ein flacher Bergrücken überquert, bevor es in einer Flanke kurz abwärts, aber bald schon weiter aufwärts geht. Bald kommt der nächste Pass, der Col du Sobe, in Sicht. Unter dem Col wird das Gelände recht weitläufig und die Pfadspuren verlieren sich ziemlich. Bei guter Sicht ist der Schlussaufstieg zum Col du Sobe (2449 m) aber kein Problem. Am Col ist es wieder windig, denn man befindet sich am Hauptkamm der Pyrenäen, über den auch die Grenze zu Spanien verläuft.

Ich steige nicht ab, sondern wende mich nach Osten und benutze den nun wieder deutlicheren Pfad auf spanischem Gebiet, welcher in den Col d'Arriel führt, dem letzten Pass vor dem angestrebten Gipfel. Abgesehen von einigen Schritten über Felsblöcke bereitet auch dieser Abschnitt keine Schwierigkeiten. Erstaunt bin ich erstens darüber, dass sich in diesem Bereich noch Schneefelder halten, was ich Mitte Juli auf kaum 2500 Metern und auch noch südseitig in den Pyrenäen nicht erwartet hätte - und zweitens ist ausgerechnet dieser kurze Abschnitt der einzige auf der ganzen Tour mit bescheidenem Handyempfang (auf französischer Seite geht gar nix!).

Der Col d'Arriel (2608 m) fällt schon von weitem durch ein turmartiges Gebilde auf, welches sich aber nicht als Steinmann, sondern als "echte" Felsbildung entpuppt. Jetzt ist Schlussanstieg zum Gipfel zumindest im Groben klar. Durch das Blockfeld hoch und dann in die Gipfelfelsen, welche nicht eben flach aussehen.
Natürlich geht wieder Wind, der aber zum Glück nicht weiter an Stärke zugenommen hat. Erfreulicherweise schwächt er sich in der Gipfelflanke sogar noch weiter ab.
Die Blöcke kann man weitgehend vermeiden, wenn man sich etwas südlich des Gratrückens hält, was mir aber erst im Abstieg wirklich bewusst wird. Sehr bald ist der felsige Bereich erreicht. Ich deponiere meinen Stock (ungeschickt, weil ich in runterwärts werde suchen müssen...) und beginne mit der Kraxelei.
Aber wo geht es hier eigentlich hoch?

Im Voraus habe ich mir ein Foto mit einem etwa S-förmigen Routenverlauf eingeprägt, das mir jetzt absolut nicht weiterhilft. Eher schon noch die Steinmännchen. Am Anfang bewegt man sich im Bereich T4, aber die Schwierigkeiten nehmen nach oben hin eher zu und es wird auch steiler und ausgesetzter. Ich merke bald, dass man lieber nicht wild irgendwo hochklettern sollte, sondern sich besser Zeit nimmt, den besten Weg zu finden. Die Kletterei selbst ist klasse. Vergleichbar mit großen Blöcken, aber die Felsen sind in sich fest und kompakt. Bald kommen mir einige Bergsteiger entgegen, was mir sehr hilft, meinen Weg zu finden. Manchmal gibt es auch mehrere Möglichkeiten und nicht jeder Steinmann steht richtig.
Insgesamt komme ich gut voran (kurz II, vielleicht auch umgehbar, aber sehr anhaltend I) und erreiche schließlich den Gipfelgrat und über eine kurze, recht ausgesetze Stufe (II-) den höchsten Punkt des Pics d'Arriel (2824 m), meinem ersten Pyrenäengipfel.

Großartig, einfach großartig. Der Gipfel, der Aufstieg und die Aussicht. In der Nähe präsentieren sich einige unverwechselbarfe Gipfel - zum Beispiel Pic Palas, Balaïtous und natürlich der Ossau. Außerdem sieht man sicher an die dreißig verschiedene Bergseen. Sogar der Wind stört kaum noch. Keine Ahnung, ob ich unheimliches Glück mit der Zeit am Gipfel habe oder ob der Wind gerade hier oben immer schwächer weht als in den Pässen.

Der Abstieg in den Col d'Arriel (2608 m) fällt mir eher etwas leichter als der Aufstieg, obwohl die Ausgesetzheit mehr zur Geltung kommt. Insgesamt erinnert mich der Gipfelanstieg vom Charakter etwas an die Schächentaler Windgällen: technisch etwas leichter, aber dafür nicht gesichert und nicht markiert.
Ich könnte jetzt noch den Petit Pic d'Arriel (2683 m) mitnehmen, lasse das aber sein, weil ich ersten nicht weiß, wie man von dort am besten absteigt und zweitens lieber noch die Passage d'Orteig anhängen möchte, ohne in Zeitnot zu geraten. So benutze ich den Aufstiegsweg via Col de Sobe zuürck zum Lac d'Arrious. Unterhalb des Cols du Sobe verfehle ich den richtigen Pfad zwischendurch und komme dadurch kurzzeitig in T4-Gelände. Also lieber einmal mehr auf die Karte schauen!

Die Passage d'Orteig ist eine Abkürzung zwischen dem Col d'Arrious und dem Refuge d'Arremoulit, welche gesichert durch eine Steilwand führt. Auf den Wegweisern ist extra eine Warnung angebracht, so ähnlich wie vor einem Alpinwanderweg in der Schweiz. Nach dem erfolgreichen Gipfelsturm ist dieser Weg für mich keine Herausforderung mehr, aber auch nicht langweilig. Er erinnert etwas an den Lisengrat im Alpstein, nicht so lang, dafür eher ein wenig anspruchsvoller. Nach der ausgesetzten Passage wird ein karstiger Bergrücken (max. ca. 2380 m) erreicht, welcher wieder einmal einen lohnenden Ausblick gibt. Auch der eben bestiegene Pic d'Arriel sieht gut aus.

Das Refuge d'Arremoulit (ca. 2270 m) taugt derzeit höchstens als Biwakplatz. Just heute wurde ein Teil der alten Hütte weggesprengt... Also halte ich mich dort nicht lange auf und nehme den deutlichen Weg, welcher im Zickzack hinunter zum Lac d'Artouste führt. Mit ein paar kurzen Gegensteigungen geht es zur Staumauer und gleich weiter zum Bahnhof. Dort gibt es nicht nur Bier vom Fass, sondern auch aus Büchsen, was perfekt für die fast einstündige Zugreise ist. Ich muss muss auch nicht bis zur letzten Rückfahrt warten, sondern darf einen früheren Zug benutzen, weil er nicht ausgebucht ist. An der Luftseilbahn schaffe ich es noch, ein Foto vom Pic du Midi d'Ossau aufzunehmen, bevor der Nebel hochkommt.

Unten an der Talstation ist es erstaunlich kalt und düster. Dafür lohnt es sich, dort einzukehren. Das Restaurant ist mehr eine Skihütte, aber das Futter lecker, reichlich und günstig. Und irgendwie authentisch...

Schwierigkeiten & Gehzeiten

Bahnhof - Lac d'Artouste - Col d'Arrious: T2; 1 h
Col d'Arrious - Lac d'Arrious- Col du Sobe - Col d'Arriel: max. T3, meist T2, teilweise weglos; 1 h 10 min
Col d'Arriel - Pic d'Arriel: T5 / II-; 45 min hoch, 35 min runter
Col d'Arriel - Col du Sobe - Lac d'Arrious: max. T3, meist T2, teilweise weglos;1 h
Lac d'Arrious - Passage d'Orteig - Refuge d'Arremoulit: T4-; 40 min
Refuge d'Arremoulit - Lac d'Artouste - Bahnhof: T2; 55 min

Fazit - von den knapp 200 Touren, die ich bisher auf Hikr beschrieben habe, gehört diese für mich in die Top 3. Noch Fragen?!

Tourengänger: Bergmax
Communities: Unbekannte Touren


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Kommentare (2)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 31. Juli 2023 um 21:04
Hi Max.
Super Bericht, die Pyrenäen stehen auch auf meiner Wunschliste. Man liest ja oft, dass sie im Gegensatz zu den Alpen touristisch nicht ganz so schlimm verwurstet/infratrukturisiert sind ...
Danke für die nützlichen Tipps und die tollen Impressionen.
Frank

Bergmax hat gesagt: RE: Pyrenäen
Gesendet am 1. August 2023 um 20:26
Danke Frank.
Ich denke schon, dass Dir die Pyrenäen gefallen könnten.
Natürlich gibt es dort auch touristische Hotspots und ein paar überlaufene Traumgipfel wie den Canigou, den Aneto oder den Ossau, aber im Durchschnitt wird weniger los sein als in den Alpen. Pass auf, dass Dich dort nicht noch ein Bär erwischt!

Beste Grüße

Max


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