3. Die Novena hinauf, den Nufenen hinunter


Publiziert von rojosuiza , 12. März 2023 um 14:46.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum: 4 März 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Grieshorn   CH-VS   Gruppo Pizzo Gallina 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 850 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:25 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:All'Acqua - Postauto
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Ulrichen - MGB
Unterkunftmöglichkeiten:Airolo, Ulrichen

Vor Jahr und Tag, zum ersten Mal in Airolo, sieht rojosuiza das leuchtende Tal. Das muss der Weg zum sagenhaften Gotthard sein. Gesäumt ist es von hohen, weisshellen Bergen, bedeckt ganz von Schnee. Es ist der Gotthard nicht: es ist der Weg ins Wallis, über den Nufenenpass. Das Val Bedretto, denn so heisst es, ist ziemlich lang. Es abzuspulen ist allein an sich schon eine rechte Wanderung.
 
Am Vortag beginnt die Übung mit einem Schrecken. Für den Pass habe ich den ganzen Tag nötig. Die Wanderung streckt sich, sie ist etwa 25km lang, im Winter, doch etwas in Schnee und Eis, auch im schneearmen Winter. Das erste Stück davor kann man fahren, mit dem Postauto. Hat der brave Mann alles gut vorbereitet, das erste Postauto fährt entsetzlich früh, schon um sechs Uhr, aber ausnahmsweise… merkt der Tropf, dass morgen Samstag ist: das erste Postauto geht um 9 Uhr erst!
 
Himmelschreiend! Die ersten paar Kilometer auch noch wandern? – Er verwirft den Gedanken, wie er den totalen Kilometerstand sieht – 13 km zu den 25km hinzu, das ergäbe ja 38km! – und dass das erste Stück etwa so lange dauerte, wie sie das Postauto von 9 Uhr braucht um zum Beginnpunkt der Wanderung zu kommen. Also startet der wohlvorbereitete Bergheld zur längsten Wanderung der Serie am allerspätesten, um 9:30 Uhr nämlich.
 
Natürlich kann er nicht bis 9 Uhr warten in seinem Hotel, wo der Bus vor seinem Fenster zur Bergfahrt abfährt. Schon um 8 Uhr kann er sich nicht mehr halten und nimmt den Weg zur ersten Etappe unter die Füsse; so sieht man noch etwas. Bald ist die Stunde um, der Bus muss kommen. rojosuiza erwartet ein Mini-Postauto. Die hat er gesehen, und gewiss wird das von 6 Uhr früh so aussehen. Es erscheint ein ausgewachsenes, grosses Postauto. Das ist bis zum Rand voll von Marsmenschen. rojosuiza erschrickt zutiefst; damit hat er gar nicht gerechnet. Er kann gerade noch neben dem Fahrer stehen. Das gibt ihm seine Sicherheit zurück: wenn es für den denn sicher ist hier drinnen, wird auch rojosuiza dem Druck des Mars widerstehen können.
 
All’Acqua ist das Ende. Der Bus spukt den Fahrgast und die Marsmenschen aus. Überall stehen sie im Gelände zwischen hunderten von parkierten Autos: ein Volksauflauf. Weg, nur weg! – Am Schluss sind sie alle verschluckt, von irgendwelchen Bergbahnen oder anderen Zielen, wer kann es sagen? Mit mir laufen noch zwei vermummte Gestalten auf Skiern, es folgt Mann mit Hund, Schliesslich noch zwei Figuren. Dann ist Schluss. rojosuiza erfreut sich der Strasse, die er ganz für sich hat. Sie ist schneebedeckt, aber nicht übertrieben. Grüne Punkte gibt es auch.
 
Ab 2100m wird’s ernster. Der Schnee wird höher. Manchmal fragt der Meister sich, wo denn da überhaupt eine Strasse verlaufen soll. Hier passt doch ins Gelände nicht einmal ein Fusspfad hinein. Bei 2300m wird es sinnlos, der Strasse folgen zu wollen; der Bergheld schlägt sich tapfer ins winterliche Gelände. Schon einmal hat er vermeint, dass gleich dort um die Ecke der Pass sein müsste – mitnichten – jetzt meint er es erneut. Die Passstrasse, die ihn auf 2400m wieder aufgenommen hat, macht nur einen eleganten Bogen und danach wieder einen Bogen zurück. Wann kommt die ersehnte Tafel ‚Passo della Novena / Nufenenpass‘, wann der Grenzstein Tessin / Wallis?
 
Sie kommen gleichzeitig: die Tafel am Pass und 2 Skiwanderer. Da hinten ist die Gaststätte. Was fehlt, ist das Alphorn, das bei rojosuizas letztem Besuch hier wunderschön am Berg für ihn aufgespielt hat. Was fehlt, sind die vielen Gäste, die hier frierend herumstolpern und in die Gegend starren. Der ältere der beiden Skiwanderer ist ganz besorgt: es ist schon so spät. Noch ganz nach Ulrichen? – Sie, die beiden Skiwanderer, haben für die Strecke doch über 5 Stunden gebraucht! – rojosuiza lacht: im Aufstieg 5 Stunden; er macht ja jetzt den Abstieg. Zum Glück weiss er jetzt sicher, dass es ein Durchkommen gibt. – ‚Hat er denn auch Steigeisen?‘, will man wissen. – Ja, die hat er, die trägt er immer über den Berg…
 
Macht der Bergheld hier genüsslich Pause? – Nein, die Zeit drängt. Es windet ausserdem stark. Er muss so schnell wie möglich hinab, auf die untere Ebene, nach dem, was er jetzt gerade gehört hat über die Schneeverhältnisse: pickelhart! – Im Winter ist es gut, wenn man sich von der Landschaftsgestalt leiten lässt. Aber rojosuiza hat sich vorgenommen, sich hier oben bis über die erste Spitzkehre von der Strasse führen zu lassen. Das war vielleicht etwas dumm. Auf 2475m, auf der Nordseite, sind die Schneeverhältnisse doch um einiges rauher. Er rutscht ein bisschen aus, versackt ein bisschen, rutscht ein wenig, landet im Untergrund. Kurz nach der ersten Spitzkehre nimmt er den Rat seiner Vorgänger an und zieht die Steigeisen an: er zieht sie danach nicht mehr aus…    
 
Es ist sinnlos, weiter der Strasse zu folgen. Wo ist sie überhaupt? Also tut man nun endlich, was man schon oben hätte tun sollen: dem Gelände folgen. Ab dem Rossbode, 2300m, geht es in grossen Stapfen mit den Steigeisen den Hang hinunter, immer leicht schräg, und immer mit einem schiefen Blick auf die Bodenstation des Aegina-Kraftwerkes. Es zeigt nämlich die Karte, dass dort unten die Strasse vorbeigeht, auch wenn gar nichts davon zu sehen ist im Schnee. Auf 2100m stösst rojosuiza wieder auf die Strasse, der er hier folgt. Das hätte ein kluger Mann nicht getan... Hier nun, hier wäre ohne Steigeisen und Stock nichts zu wollen gewesen. Eine dumme Routenwahl im Winter!  
 
Schnee-Ende, das hätte der Bergheld erwartet auf 1900m. Aber in die schmale Rille zum Goms, da reichen die Strahlen der Sonne nicht hin, um den Schnee abzuschmelzen wie auf der Alpensüdseite. Oder es hat hier einfach mehr Schnee gegeben, auch möglich. Aber hier geht es, zwar mit Schnee, gemächlich fallend hinaus ins Goms. Alles verschneit, immer wieder mit Schnee-Deltas, auf denen die Steigeisen sich gut bewähren. Es sind noch immer etwa 7 Kilometer bis zum Endziel. Der Tag ist noch da, aber man merkt, dass sie Sonne an den Bergen gegenüber schon tiefer steht.
 
Welche Freude! – Vor Jahren, wie böse war ich, als man mich vom Wanderweg abgedrängt hat, wegen Holzschlag. Wie froh war ich, als ich den liebevoll ausgezeichneten Ersatzweg entdeckt habe, mit den poetischen Fähnchen flatternd im Wind. – Nun, dieses Mal an der gleichen Stelle, da schaut der Bergheld auf die Karte mit dem Roten Punkt. Hier beginnt der Weg. Mit dem Roten Punkt ist der Weg auch versteckt unter Schnee wohl zu finden. – Welche Freude! Wie damals die Wegmarkierer, dieses Mal hilft mir die Dorfjugend: der Weg wird zum Skifahren benützt. Der Schnee ist wundersam komprimiert, die Route gut sichtbar, die Steigeisen geben mir guten Halt, auch dort, wo die Sache etwas vereist ist. Welche Freude!
 
So kommt ein glücklicher rojosuiza an beim letzten Tageslicht, zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges. Ein Lob den Ulrichern, den Wegmarkierern von damals, der Jugend von heute.
 
Auch dieses Mal ist die heile Rückkehr der Technik zu danken: den Zügen, dem Tunnel, den es in meiner Kinderzeit noch gar nicht gegeben hat. Der Hinweg hat 9 Stunden gedauert, die Rückfahrt mit dem Zug von Tür zu Tür, durch Tal und durch den Berg, anderthalb Stunden
 
In die Bewertung der Tour – T4 – sind natürlich die Schneeverhältnisse eingeflossen. Sie ist nicht zu vergleichen mit der Tour im Sommer.    

Tourengänger: rojosuiza


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