Spitzli-Überschreitung


Published by budget5 , 28 August 2022, 22h51.

Region: World » Switzerland » Uri
Date of the hike:21 July 2022
Hiking grading: T3 - Difficult Mountain hike
Mountaineering grading: AD-
Climbing grading: III (UIAA Grading System)
Waypoints:
Geo-Tags: CH-UR 
Time: 3 days
Height gain: 3200 m 10496 ft.
Height loss: 3200 m 10496 ft.
Route:Tag 1: Wassen - Riederen - Chli See - Gross See - P.2577 - Schwarzstock - Gross See. Tag 2: Gross See - P.2577 - P.2670 - Spitzli - P.3110 - Rohrfirn - Bandlücke - Salbithütte - Bandlücke - Rohrplatten - Lang See - Gross See. Tag 3: Gross See - Ober Rohrstäfeli - Vorderes Hüttli - Egg - Wassen.
Access to start point:Bus bis Wassen Dorf
Access to end point:Analog Ausgangspunkt
Accommodation:Salbithütte SAC

Wer aufs Spitzli klettert, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit keiner Menschenseele begegnen. Unsere Überschreitung bot einige Überraschungen – nicht nur positive.


Ursprünglich wollten wir aufs Wetterhorn. Da ich mich die ganze Woche zuvor nicht wirklich gefühlt fit hatte, entschieden wir uns für eine Tour in der Region, bei der man nur knapp die 3000er-Grenze überschreitet. Das Spitzli hätte ich nicht auf dem Schirm gehabt, wenn 3614adrian nicht kürzlich einen Tourenbericht dazu veröffentlicht hätte.


Am ersten Tag fuhren wir mit ÖV nach Wassen. Mit schweren Rucksäcken (komplette Biwak-Ausrüstung inkl. Zelt) machten wir uns an den Zustieg zum Gross See. Zuerst durch den Wald erreichten wir bald schon die Schutzhütte Rieteren, die öffentlich zugänglich ist. Der anschliessende Weg durch die Lawinenverbauungen und das hohe, feuchte Gras gestaltete sich ein wenig mühsam. Von der angeblich schönen Aussicht vom Weg unterhalb des Höreli Richtung Chli See bekamen wir wegen des Nebels nichts mit. Nach vier Stunden erreichten wir den Gross See, der sich als perfekter Biwak-Ort entpuppte. Der recht lange und anstrengende Zustieg sorgt wohl dafür, dass dieser Ort nicht überrannt wird. Ich fühlte mich heute wieder blendend. Ob es an der frischen Bergluft lag? Jedenfalls entschloss ich mich, die Tour von Morgen zu erkunden und stieg ohne Rucksack in die Lücke bei P. 2577 auf (T4). Bei Nebel oder Dunkelheit ist das Gelände allerdings nicht ungefährlich, da man schnell in steilem Gelände (Felsbänder) landet. Der kurze Abstecher zum Schwarzstock über den Westgrat war dann purer Genuss (T5), wenige Minuten von P. 2577 aus. Es handelt sich hier um eine Hikr-Erstbesteigung. Auf gleichem Weg ging es wieder runter zum Zelt.


Anderntags um 5.00 Uhr nahm ich den selben Weg erneut in Angriff, diesmal begleitet von meinem Tourenpartner. Statt zum Schwarzstock aufzusteigen, folgten wir ab P. 2577 dem Spitzli-Ostgrat. Das geht zu Beginn problemlos ohne Seil. Der Grat ist breit, zwischen den einzelnen Kletterstellen (max. II) handelt es sich oft um Gehgelände. Das Seil nehmen wir erst beim Gipfelaufschwung aus dem Rucksack. Wie 3614adrian bereits geschrieben hat, hält man sich am besten leicht links der Kante (WS+/wenige Stellen III). Es kann gut an Felszacken bzw. mit Bandschlingen gesichert werden. Haken hat es meines Wissens keine. Den Gipfel erreichten wir um 8.30 Uhr.


Die Überschreitung zum Rohrspitzli war aus meiner Sicht etwas anspruchsvoller (ZS-
) als der zuvor gemeisterte Gipfelaufschwung. Auch hier gibt es keinen einzigen Bohrhaken, es kann aber sehr gut an den zahlreichen Felszacken gesichert werden. Hält man sich auf der Gratkante, ist es zum Teil sehr ausgesetzt, aber oft auch sehr schön zu klettern! Weicht man hingegen nach rechts aus, ist das Gestein nicht immer solide. Das musste auch mein Kollege erfahren, der ungewollt einen riesigen Felsbrocken auf Talfahrt schickte. Also Vorsicht! Von den Zeiten von 3614adrian konnten wir nur träumen, wir brauchten fast drei Stunden für den Grat.


Auf die letzten Meter zum Rohrspitzli verzichteten wir, da ein Blick auf die Meteo-App nichts gutes versprach: Das gestern Abend noch angekündigte Gewitter sollte viel früher kommen als angenommen. Also nichts wie runter vom Grat. Aber wie? Unser Plan war es, zum Rohrfirn hinunter zu steigen. „Über den Gletscher erreicht man die Lücke zwischen Rohrspitzli und P. 3110“ heisst es im SAC-Tourenportal. Dort wo die Sommerroute eingezeichnet ist, fanden wir aber auch nach mehrere Versuchen keine vertretbare Möglichkeit für den Abstieg. Das Gelände ist äusserst steil und abschüssig – mit WS/2b hat das aus meiner Sicht nichts mehr zu tun. Auch eine geeignete Möglichkeit zum Abseilen suchten wir vergeblich. Wir behielten kühlen Kopf und versuchten stattdessen über die Skiroute abzusteigen. Das mit viel Schutt und Geröll gefüllte Couloir war zwar unangenehm, aber mit der nötigen Vorsicht gut begehbar. Nur der Übergang auf den Firn war, wie wir das erwartet hatten, nicht ganz trivial. Am Seil gesichert wagten wir den Sprung auf den unterhöhlten Rand des Gletschers. Das ging zum Glück gut. Der weitere Abstieg über den praktisch blanken Rohrfirn und dann bis zur Bandlücke bot keine weiteren Schwierigkeiten. Als wir die Lücke erreichten, entschieden wir, auch noch zur Salbithütte abzusteigen und das Gewitter abzuwarten, bevor wir zurück zum Zelt wandern wollten. Die zusätzlichen Höhenmeter nahmen wir dafür in Kauf. Das Gewitter kam tatsächlich, die Zwangspause war aber länger als geplant. Erst um 21.00 Uhr konnten wir wieder starten, Stirnlampen hatten wir zum Glück dabei. Eine Übernachtung in der Hütte kam nicht in Frage, da sie bereits voll war. Via Rohrplatten stiegen wir zurück zum Gross See, den wir gegen 23.00 Uhr erreichten. Nach dem Nachtessen fielen wir unglaublich müde in den Schlafsack, waren aber überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ein Gewitter im Zelt auf 2500m ist nicht gerade angenehm.


Doch nur zwei Stunden später war es wieder taghell. Dass sich ein zweites, nicht angekündigtes Gewitter genau über unseren Köpfen zusammebrauen musste, war Pech. Nach einer sehr, sehr unangenehmen halben Stunde war der Spuk dann wieder vorbei – und wir endgültig geschafft. Das erfrischende Bad am Morgen darauf und der gemütliche Abstieg nach Wassen waren – trotz müder Beine – reinster Seelenbalsam.


Hike partners: budget5


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Comments (5)


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Sent 29 August 2022, 07h48
Tolle Tour und Fotos!
Freut mich sehr, dass ihr für Euer Abenteuer das Spitzli wähltet. Den Westgrat ohne zu wissen, ob das überhaupt geht, fand ich schon auch anspruchsvoll!
Wegen den angesprochenen Zeiten ist es schon so, dass ich alleine und damit die ganze Runde in einem Tag klappt, etwas schneller toure. Wobei bis auf‘s Spitzli brauchtet ihr nur 10 Min länger - ab zwar nicht ganz identischem Startpunkt! :-)

Gruss
Adrian

budget5 says: RE:
Sent 29 August 2022, 09h23
Danke. Ohne deinen Bericht hätten wir uns wohl gar nicht an den Westgrat gewagt. Man findet sonst ja wirklich nichts dazu. Und Respekt vor deinen Zeiten: Selbst alleine und ohne Seil ist das einfach brutal schnell ;-)

Gruess aus der Innerschweiz

El Chasqui says: cool
Sent 30 August 2022, 07h56
Besten Dank für den tollen Bericht. Das Spitzli habe ich auch schon lange auf dem Radar - als Tagestour. Mal schauen, ob ich jemanden finde, der mich begleitet....

budget5 says: RE:cool
Sent 31 August 2022, 10h25
Bitte. Falls du dein Isenthal-Projekt noch nicht abgeschlossen hast und das Gitschenhöreli irgendwann planst, kannst du dich gerne bei mir melden ;-)

El Chasqui says: RE:cool
Sent 2 September 2022, 14h38
....ich habe diesen brüchigen Zahn namens Gitschenhöreli schon zwei Mal versucht... und beides mal gescheitert...ich fürchte, dass ich auch beim dritten Mal scheitern werde.... aber ja, wieso nicht noch einen letzten Versucht? Am besten wohl so Anfang Mai...


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