Abenteuerrunde auf das Rothore (Punta Carestia, 2.979 m)


Publiziert von panodirk , 21. Oktober 2021 um 10:27.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:20 Oktober 2021
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m
Strecke:15 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Steina liegt zwischen Gaby und Gressoney
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:keine
Kartennummer:Escursionista 8 Monte Rosa

Das Rothore, auch Corno Rosso oder Punta Carestia genannt, ist ein großartiger Gipfel im Grenzkamm zwischen Aosta und Biellese, die letzte große Erhebung im Monte-Rosa-Kamm vor dem Monte Mars. Leider schweigt sich meine Nord-Aosta-Bibel (Michael Waeber, Walliser Alpen, Rother), die sonst alles Wichtige beschreibt, zu diesem großen Berg aus. Der Südanstieg ist nirgends beschrieben (später mehr), nur der Nordanstieg findet ein paar Erwähnungen auf hikr.org und gulliver.it.
Am letzten Tag vor dem Wetterumschwung kam mir spontan die Idee, diesen großen Berg in Angriff zu nehmen. Weil es Herbst ist und ich den Schnee umgehen wollte, habe ich mich für den Südanstieg entschieden. Pickel und Schneeketten waren dabei und haben sich bewährt. 
Die Südflanke zum Corno Rosso lässt sicherlich mehrere Varianten zu, doch alle werden gemein haben, dass es ohne Steilgras nicht gehen wird. Ich bin am Ende zum Südostgrat gezogen und hatte dort dann eine sehr ausgesetzte Kletterstelle im zweiten Grat, weswegen ich guten Gewissens zu T5 greife (vielleicht wäre auch T5+ gerechtfertigter); es braucht den kompletten Berggänger, um diesen Anstieg zu bewältigen. Ich habe keinerlei (!) Begehungsspuren gefunden, keinen Steinmann und keine Wegspur, nothing! Ich selber habe 5 Steinmänner gebaut; wer sie findet, schicke mir eine Nachricht und bekommt eine Tüte Saft-Gummibären von mir zugeschickt! Oh ja, die Saft-Gummibären waren als Nervennahrung am Gipfel auch erforderlich.
Der Normalweg, also der Abstieg durch die Nordflanke wäre ohne Schnee recht harmlos. Es gibt viele Steinmänner, aber er ist dennoch steil und lang und Trittsicherheit wird auch hier dringend benötigt. Ein T4 ist für den Normalweg auf jeden Fall gegeben.

DIE TOUR
Start war an der Bar Steina. Auf maximal gut markiertem Weg 12 geht es zunächst gemütlich durchs schöne Dörfchen Lomattô und dann weiter - gut ausgebaut - in den Wald. Eine gut ausgebaute Brücke führt über den Lòòbach, den man oben später kaum noch sieht. Recht unvermittelt kommt man an dem Almen Lòò an, zunächst Ondrò Lòò (1.860 m), dann Obrò Lòò (1.876 m, gut 1 Stunde ab Steina).
Hier habe ich nun Schneeketten angelegt und den Pickel gezückt und bin schräg nach links in Richtung Punkt 2.838 m hochgezogen - dabei dort die ruhig grasenden Kühe im respektvollen Abstand umgangen. Das wird teilweise richtig steil und das lange Gras im Herbst und die Wacholderbüsche machen durchaus Probleme. Alternativ könnte man auch ab den Bodma-Alpen hochsteigen (vielleicht wäre das flacher). Auf ca. 2.200 m wurde mir klar, dass ich nach rechts schwenken muss und so querte ich die sehr steilen Wiesen leicht ansteigend, bis ich auf 2.260 m an einem Rinnsal langsam wieder in flacheres Gelände kam. Der Steilaufstieg und die Querung haben so viel Zeit verbraten, dass ich kurz vor der Aufgabe war. Auf 2.300 m wurde das Gelände dann angenehm, die Schneeketten wurden ausgezogen und es ging beliebig über Rasen oder Steine bergab, schräg nach rechts, immer den Südostgrat im Visier. Hier musste ich mich entscheiden, ob ich den Südwestgrat ansteuere und auf die Wegspuren des Normalwegs hoffen durfte oder lieber den Südostgrat. Letzteres war meine Entscheidung, denn der Südwestgrat sah eher abweisend aus. Ab 2.750 m wurde das Gelände wieder sehr viel steiler, felsdurchsetzt und die nächste Entscheidung war fällig: Steil über felsige Wiesen zum Gipfel oder zum Südostgrat? Ich hielt auf den Südostgrat zu, fand einen sehr steilen, aber machbaren Durchstieg und stand etwa 90 Höhenmeter unter dem Gipfel am Südostgrat. Der sah nun auch nicht einladend aus und die Gams oben beäugte mich auch dementsprechend. Zunächst leichte Ier Kletterei und dann eine ausgesetzte IIer-Stelle mit nur teilweise festen Griffen (eine Umgehung nordostseitig kam bei herbstlicher Schneeauflage nicht in Frage!). Nach der Kletterstelle wurde das Gelände angenehm und ich konnte zügig hinaufgehen zum Gipfel! Was für eine Schau und was für eine Belohnung! Ich habe gute 3 Stunden ab Obrò Lòò zum Gipfel des Corno Rosso (2.979 m) benötigt.
Die Gipfelrast war kurz, der Wetterumschwung kündigte sich an und ich hatte keine Lust, das Aufstiegsgelände wieder abzusteigen. Zum Glück wusste ich von der Vorabendlektüre, dass eine Art Weg von Norden hierherführt. Ja, und tatsächlich: Viele Steinmänner ziehen in den Südwestgrat, verlassen ihn aber sehr schnell und queren die Südflanke bis zu einem chaotischen Einschnitt im Grat auf 2.853 m. Steinmänner weisen nach Westen, dann nach Nordwesten. Der Pickel wird wieder benötigt, wartet doch noch ein langer Geröllabstieg im Schnee auf mich. Das dauert lange, war aber dennoch gut machbar. Da ich im Schnee meine eigene Spur suchte, habe ich die Steinmänner verloren, doch ist das egal, denn die Richtung ist klar: einfach runter in Richtung Geröllfeld unten im Tal. Auch hier gibt es Steilwiese ohne Wegspuren; gute Tritte sind zu setzen. Weiter unten werden es wieder mehr Steinmänner und alle führen auf das Geröllfeld zu, aber dann rechts (leicht aufsteigend) an diesem vorbei - und mit einem Mal stehe ich auf einem sehr guten und meisterhaft angelegten Weg - muss man ja nicht verstehen! Die Hütte Brònne (Brünnen) auf 2.245 m wird dabei avisiert, aber nicht tangiert. Nun kommt die Belohnung: Durch märchenhafte Landschaft in einem herbstlichen Lärchentraum geht es hinunter auf einer großen Wiesenboden, von der der markierte Weg 11B wieder leicht hinaufzieht und bei der Alp Òbre Scherpia (2.123 m) ankommt. Hier ist man gefühlt im Paradies und mag gar nicht weiter gehen. Ich habe mehr als 2 Stunden für den frühwinterlichen Abstieg vom Gipfel hierher benötigt.
Der Wetterumschwung kam aber rasant; es zog sich überall zu und ich machte, dass ich vorankam: Über die Alp Òndre Scherpia und vorbei an der Alpe Puzzie führt den Weg 11B - immer noch in traumhafter Landschaft - sehr zügig hinab ins Tal; Gressoney (Ortsteil Verdebiò, 1.397 m) ist nach etwas mehr als einer Stunde erreicht.
Mich erwarteten dann noch 3 km an der Landstraße, die ich im kühl auffrischenden Wind zügig hinab nach Steina hinter mich brachte (35 Minuten).
Ja, eine Traumtour war das. Aber dieses Erlebnis ist Abenteuerlustigen vorbehalten. Nachahmer dürfen sich gerne bei mir melden!

Tourengänger: panodirk


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