Tagestour aufs Bishorn


Publiziert von real , 24. Oktober 2020 um 22:57.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:22 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 14:00
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2500 m
Strecke:Zinal - Cabane de Tracuit - Bishorn
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zinal

Diesen Sommer sollte der erste Viertausender erklommen werden - das Bishorn! Wir waren schon seit Samstag in der Schweiz, haben langsam unser Tagespensum gesteigert (700 HM am Starttag) und am Montag eine längere Tour (etwa 1500 HM) auf den Moirygletscher unternommen. Bei traumhaftem Sonnenschein konnte man von dort aus (siehe Bilder) bereits das Endziel sehen, auch wenn das Bild eher vom prächtigen Weisshorn dominiert wird. Aber hey, vom Bishorn soll die Aussicht darauf ja noch besser sein. Also wurde am Tag drauf ausgeschlafen, auf der Hütte entspannt und am Abend recht früh ins Bett gegangen, schließlich wollten wir zeitig loskommen, um den Gletscher noch im nicht-sulzigen Zustand begehen zu können. Der Wetterbericht ließ uns zwar kein Traumwetter erwarten, aber es war kein Regen gemeldet (der sollte gegen Mitternacht runterkommen) und gegen Mittag hin sollte es aufklaren.

Um Punkt 2:00 Uhr klingelte der Wecker und es ging im halbwachen Zustand über einsame und dunkle Bergstraßen ins Zinaltal. Gegen 3:00 Uhr kamen wir am Parkplatz an, zogen die Stirnlampen auf und begaben uns auf den Weg. Der erste Aufstieg verlief recht unspektakulär, wir konnten gut Höhenmeter machen und der Rucksack fühlte sich noch nicht schwer an. Auf der ersten Höhe (bei etwa 2400 HM) angekommen, wurde es langsam hell und in weiter Ferne konnte man schon den Turtmanngletscher sehen. Wir nutzten den Torrent du Barmé, der direkt am Weg entlang fließt und gossen ein wenig Wasser in die mit Müsli gefüllten Tupperdosen. Mit Milch wäre es zwar besser, aber wenn das Müsli lang genug einweicht, ist es auch mit Wasser mehr als erträglich. Weiter gings nach links, den Gletscher fest im Blick. Immer wieder ließ sich auch ein Blick auf die Cabane de Tracuit erhaschen, die als kleine Holzbox am Gletscherfuß aufragte. Na dann kanns es ja nicht mehr weit sein - so denkt man zumindest. Allerdings ist die Cabane noch etwa 800 Höhenmeter entfernt, sodass sich der Weg noch etwas zieht. Zwischendrin gab es dann das Frühstück mit herrlichem Alpenpanorama, kurz vor der Cabane musste ein kleines, mit Ketten gesichertes, Stück geklettert sowie über ein kleines Schneefeld gelaufen werden und so waren wir also gegen 7:00 Uhr am Gletscher angekommen. 

Na wenn hier schon überall Schnee rumliegt, dann können wir ja gleich schon die Gletscherausrüstung anlegen, oder nicht? Weit gefehlt - letztlich kamen also noch ein paar hundert Meter Training im Drytooling dazu, bis wir endlich die Einstiegsstelle erreichten. Der nächtliche Regen hat dem Gletscher aber nicht gerade gut getan, alles war absolut sulzig und bei jedem Schritt sanken unsere kompletten Bergschuhe ein. Kurz geht sowas ja - aber den kompletten Gletscher hätten wir in diesem Zustand wohl nicht geschafft. Von weitem konnten wir zum Glück die Gletscherautobahn erkennen, die scheinbar von einer anderen Einstiegstelle losging. Nach längerem Gewate im Sulz kamen wir dort an und waren doch sehr froh über den von vielen anderen festgetretenen Schnee. Aus der Ferne ließen sich auch einige andere Gruppen ausmachen, die entweder schon weit oben oder bereits wieder auf dem Rückweg waren. Vom Wetter her war es zwar insgesamt etwas wolkig, aber die Sicht war grundsätzlich gut. Der Wind war allerdings spürbar und so hofften wir, dass die Wolken uns zwar erwischen aber dann doch auch wieder schnell weiterziehen würden. 

Der Weg geht anfangs etwa zwei Kilometer lang ohne nennenswerte Steigung einfach nur geradeaus. Es gab nur kleine Spalten, die aber auf der Autobahn deutlich sichtbar waren und überstiegen werden konnten. Zu Beginn des steileren Stücks (etwa 2 km mit 800 HM) kamen uns dann die letzten anderen Bergsteiger entgegen und die erste größere Wolke kreuzte unseren Weg. Die Sicht wurde schlechter, 50 meter, 20 Meter, 10 Meter,... immer wieder riss die Wolke kurz auf und gab etwas mehr Sicht auf den Weg frei. Die Autobahn wurde merklich dünner, die Schneedecke brüchiger - und wir hatten immer noch über 400 HM vor uns. Sollten wir umkehren?

Ein erfahrener Bergsteiger hätte dies möglicherweise getan (und es sei hiermit jedem angeraten), aber jugendlicher Optimismus ("Der Wind war ganz schön stark, die Wolke ist bestimmt gleich weg") gepaart mit dem Unmut darüber, die Strapazen des Aufstiegs möglicherweise unnötig auf uns genommen zu haben, sorgten dafür, dass wir weiterwollten. Außerdem ist das Bishorn schließlich nur eine recht breite Rampe und wir hatten maps.me-Offlinekarten nebst in den Bergen tadellos funktionierendem GPS und einem Backup-Kompass. Also weiter!

Das dachte sich die Wolke wohl ebenfalls und zur schlechter werdenden Sicht gesellte sich noch Schnee, der uns seitlich ins Gesicht peitschte und die Frage aufkommen ließ, ob kurze Hosen wirklich das Mittel der Wahl auf dem Gletscher sind. Die letzten Reste der Autobahn wurden vom Schnee unkenntlich gemacht und wir mussten uns unseren eigenen Weg suchen. Da die Sicht mittlerweile auf etwa ein bis zwei Meter abgesunken war, bewegten wir uns hauptsächlich in Richtung der größten Anstrengung, da musste es schließlich bergauf gehen, auch wenn das ständige wadentiefe Versinken im Schnee auch seinen Teil zur Anstrengung beitrug. Ich ging in diesem Moment noch hinten und nur das deutlich erkennbare blaue Seil und die bunte Kleidung meines Wanderpartners gaben mir irgendeine Art von Orientierung. Der Himmel war weiß, der Boden war weiß, die Luft war weiß... Ich wollte eigentlich gar nicht wissen, wie es wohl ohne diesen Kontrast wäre. 

Da so eine Seilschaft allerdings ein Geben und Nehmen ist, durfte ich für die letzten 200 HM noch einmal an die Front. Mittlerweile war auch die Höhe deutlich zu spüren, nach nur wenigen Schritten musste ich stark verschnaufen. ich bin zwar noch nichtmal dreißig, aber gefühlt war ich in diesem Moment reif für die Rente. Die Sicht war an der Front noch deutlich schlimmer, es war einfach alles weiß. Mithilfe meines Eispickels konnte ich die Steigung vor mir erfühlen, aber ich musste in immer kürzeren Abständen auf die Karte schauen um mich zu vergewissern, dass wir noch auf dem richtigen Weg waren. Jeder falsche Schritt wäre schließlich ein Schritt zu viel.

Plötzlich - braun! Da waren doch tatsächlich schemenhaft Felsen zu erkennen, möglicherweise Punta Burnaby, der Nebengipfel? Waren wir bald da? Einen halben Schritt weiter trat mein Fehler deutlich zutage und ich lieber wieder einen Schritt zurück - die Felsen waren überhaupt nicht in der Ferne, sondern nur weniger Meter vor mir. Und sie waren auch kein Gipfel, sondern eine größere Spalte, die wir besser weiträumig umlaufen sollten. Also ging es seitlich weiter um die Spalten herum, auf den Gipfel zu. Der Weg wurde steiler, der Schnee tiefer und eine Stelle konnten wir nur mithilfe der Eispickel erklettern.

Gegen 11:00 Uhr war es dann endlich soweit - der Gipfel. Also ehrlich gesagt nicht der echte Gipfel, sondern - wie wir später auf einem Bild in der Cabane rekonstruieren konnten - etwa drei Meter unterhalb. Rechts drohte eine Spalte, links war nach unserer Karte ein Abgrund zu vermuten und geradeaus war es zu steil, selbst mehrere Versuche mit Eispickeln brachten keinen Erfolg. Da auf der Karte allerdings Gipfel und Höhenlinien-Gipfel unterschiedliche Ergebnisse lieferten und wir der Meinung waren, unser Glück schon weit genug ausgereizt zu haben, gab es ein paar schnelle Gipfelfotos (man beachte das traumhafte Panorama!) und anschließend machten wir uns schnell an den Abstieg.

Abstiege auf Gletschern sind einfach herrlich. Trittsicherheit durch die Steigeisen, selbst wenn mal etwas rutscht, kommt man kurz drauf wieder zum Stehen, die Möglichkeit des direkten Wegs, geringe Anstrengung... wie erwartet kamen wir also deutlich schneller voran als beim Aufstieg. Anfangs folgten wir noch unserer gezogenen Spur, aber schon nach wenigen Höhenmetern war davon aufgrund des Schneefalls nichts mehr zu sehen. Wir hielten weiterhin gebührenden Abstand, um bei einem Spaltensturz reagieren zu können. Schließlich wurden wir oft durch knietiefes Einbrechen im Schnee daran erinnert, dass wir uns hier immer noch auf einem Gletscher befinden und gerade querfeldein laufen. 

Nach etwa der Hälfte des Gletscherabstiegs waren wir wieder aus der Wolke heraus und hatten annehmbare Sicht. Abgesehen von diversen kleineren Einbrüchen kamen wir auch sehr schnell voran und warteten nur darauf, endlich wieder auf die Autobahn zu stoßen. Wie aus dem nichts hörte ich plötzlich ein leises Knirschen und im nächsten Augenblick war mein Kompagnon fast komplett verschwunden. Ich begab mich sofort in eine stabile Sitzposition, spreizte meine Beine und rammte die Steigeisen ins Eis, falls er noch tiefer einbrechen würde. Glücklicherweise verjüngte sich die Spalte relativ schnell, sodass er nicht mehr weiter einbrach und sich dank des Seils schnell wieder befreien konnte. Da haben wir das mit der Spaltenselbstrettung ja völlig umsonst geübt...

Kurze Zeit darauf trafen wir wieder auf die Autobahn und hatten nur noch das ebene Stück des Gletschers vor uns. Der Autobahn folgend, trafen wir auch die übliche Einstiegsstelle (einige hundert Meter von der Cabane entfernt), verstauten unser Gletscherequipment und konnten uns endlich eine wohlverdiente Mittagspause gönnen. 

Der restliche Abstieg verlief ereignislos, auch wenn natürlich noch ein gutes Stück weg vor uns war. Gegen 17 Uhr kamen wir wieder am Auto an und es ging zurück auf die Hütte, zum wohlverdienten Ruhetag.

Tourengänger: real


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