Überschreitung Selbsanft


Published by Bergamotte , 21 September 2020, 19h27.

Region: World » Switzerland » Glarus
Date of the hike:19 September 2020
Hiking grading: T6 - Difficult High-level Alpine hike
Climbing grading: III (UIAA Grading System)
Waypoints:
Geo-Tags: CH-GL   Bifertengruppe 
Time: 10:30
Height gain: 2350 m 7708 ft.
Height loss: 1850 m 6068 ft.
Maps:1193 Tödi

Die Überschreitung vom Selbsanft zählt zu den ganz grossen Klassikern im Glarnerland - und damit zur vielleicht schmerzlichsten Lücke in meinem Tourenportefeuille. Aber heute haben Wetter und Verhältnisse endlich gepasst, nachdem wir die Tour seit 2018 immer wieder verschieben mussten. Mit Ausnahme zweier Stellen rund ums Goldene Horn sind die technischen Schwierigkeiten gering. Die Herausforderung liegt eher in der Länge der Tour und allenfalls in der Orientierung, wobei sich am Nordgrat des Hauserhorns eine recht gute Wegspur herausgebildet hat. Für den Abstieg wählen wir die Variante durch die Hintere Schibenrus. Das wilde Gelände dort ist kein Genuss für die Gelenke, die Routenführung und Szenerie aber eindrücklich und dank Kette und roten Markierungen gut machbar.

Als notorischer Einzelgänger geniesse ich es jeweils, wenn ich Tourenplanung und Orientierung im Gelände mal abgeben darf - mein bester Dank an Ruedi. Kurz nach 5:30 geht's los im Tierfehd (803m). Dabei habe ich mir für die kurze Nacht ein Zimmer im Hotel Tödi gegönnt. Das kann ich sehr empfehlen und im alten Trakt ist das halb geschenkt. Item. Bei P. 1043, direkt vor der Brücke, verlassen wir die Alpstrasse und folgen dem guten Weg bis ins Tobel vom Limmerenbach. Diese Variante ist dem Zustieg via Üeliplanggen vorzuziehen. Das Tobel lässt sich über Blockfels gut begehen. Entscheidend ist nun, die markante Rampe ("Birchengang") nicht zu verpassen, welche rechterhand die Flanke hochführt. Hat man sie gefunden, helfen ab sofort Wegspuren bei der Orientierung hoch nach Birchli und weiter. Erst weit oben - bei einem kleinen Zuckertief - bemerke ich Esel, dass mein Proviantsäckli wohl unten beim Abzweiger geblieben ist, wo wir Helm und Gurt montiert haben. Aber schön, wenn die Kameraden in dieser Situation aushelfen. Die Tour ist doch etwas lange für eine 0-Kalorien-Strategie...

Ich bin erstaunt, wie harmlos sich der Nordgrat über weite Strecken präsentiert. Das ist gehobenes Gehgelände mit wenigen Kraxeleinlagen. Das gilt natürlich nicht für den Bereich ums Goldene Horn. Dieses umgeht man in einem Bogen linksrum über Felsbänder, ich sehe zwei Haken. Die Schlüsselstelle folgt an der Felswand gleich danach, wo wir sichern (III). Jetzt, wo ich den Weg kenne, würde ich die Tour wohl auch alleine gehen und mir aus einer Reepschnur in der ausgesetzten Querung eine Halterung basteln. Anschliessend über Schrofen hoch bis vor eine Felswand, der wir nach links entlang queren, um wenig später zum Plateau zu Füssen vom Hauserhorn (2751m) aufzusteigen (II). Am Gipfelaufschwung ist zuletzt nochmals etwas harmlose Kletterei notwendig. Selbstredend geniesst man von diesem vorgelagerten Gipfel eine formidable Aussicht nach Norden das Glarnerland runter. Aber auch der Blick Richtung Muttsee, Clariden und Tödi ist nicht zu verachten.

Nach einer grosszügigen Pause setzen wir den Weg nach Süden über den Selbsanft fort. Die Höhenmeter und Schwierigkeiten liegen zwar grössenteils hinter uns, trotzdem ist erst Halbzeit. Im Aufstieg zu den Plattas Alvas (2950m) muss ein Felsband überklettert werden (II), anschliessend darf gemütlich übers sehr weitläufige Plateau gewandelt... äh gewandert werden. Landschaftlich wähnt man sich hier beinahe auf einem anderen Planeten, eindrücklich! Den kurzen Gegenanstieg zum Hinter Selbsanft (3028m) lassen wir uns natürlich nicht entgehen, auch wenn man den Gipfel auf dem Weg zum Griessloch ostseitig umgehen könnte. Aber wo gibt es einen schöneren Blick auf die charakteristische NE-Seite vom Tödi!? Eben.

Im Anschluss folgen wir weiter dem Gratrücken, verlassen ihn dann aber - das Griessloch (2775m) bereits im Blick - für einen kurzen Schlenker nach Osten, weil das Gelände senkrecht abbricht. Der Kamin, welcher in die Hintere Schibenrus führt, ist durch eine solide Kette entschärft (installiert durch BF Hans Rauner). Ohne diese Hilfe müsste man wohl abseilen. Hauptproblem hier ist der unvermeidbare Steinschlag. Wer als Gruppe unterwegs ist, tut gut daran, einzeln abzusteigen. Der weitere Abstieg ist im oberen Bereich landschaftlich äusserst lohnend. Es scheint sich zudem um ein regelrechtes Paradies für Strahler zu handeln, welche freundlicherweise einige ihrer Schätze zum Mitnehmen deponiert haben. Die Gefahr, dadurch ihr Geschäftsmodell zu korrumpieren, erachte ich als gering... Rote Punkte leiten sicher durch die Flanke nördlich der Rinne über Schutt, Geröll und Platten. Die Schwierigkeiten erreichen vielleicht knapp die T6. Weiter unten, die Punkte enden hier, steigt man zurück in die Rinne und der Wahnsinn darf beginnen: feinstes Knochenbrechergelände! Wer sich solches Terrain nicht gewohnt nicht, dürfte hier schnell eine Stunde verlieren. Übrigens, in der Rinne hält sich der Schnee sehr lange. Sprich früher in der Saison gehören die Steigeisen zwingend ins Gepäck.

Irgendwann haben wir die Plackerei hinter uns und über Gras-Schutt-Halden erreichen wir den Tödi-Normalweg und damit Tentiwang. Es hat in der Zwischenzeit zu regnen begonnen und eine 3:1 Mehrheit setzt die Taxifahrt durch. Dieses wartet, beladen mit Hansueli Rhyner und Gästen, auf Hinter Sand (1299m) bereits auf uns, wie bequem! Bei einem Bier im Hotel Tödi findet die gelungene Tour ihren Abschluss. Was lange währt, wird endlich gut.


Tour mit SAC Uto  (Ruedi, David, Christoph)

Hike partners: Bergamotte
Communities: T6


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Comments (10)


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Zolliker says: Ich freue mich mit für dich!
Sent 21 September 2020, 21h48
Sehr schön!

Bergamotte says: RE:Ich freue mich mit für dich!
Sent 21 September 2020, 22h06
Ja, endlich geschafft. Weil auf diese Herumfahrerei ab Bern bin ich echt nicht mehr scharf.

Zolliker says: RE:Ich freue mich mit für dich!
Sent 22 September 2020, 06h19
Wir werden gemeinsame Ziele im Saanen-/Fribourgerland finden

justus says: Gratulation!
Sent 22 September 2020, 08h15
Sehr schön! Schone eine tolle Tour über den Nordgrat, wo es sich immer wieder einfacher als gedacht auflöst.

War gerade erst am letzten Mittwoch via Vordere Schibenrus auf dem Hinter Selbsanft. Tolle Tiefblicke dort. Wegen nicht so tollen Wetters bin ich dann nicht mehr auf die Schiben ;( Aber das wären auch noch mal zwei lohnende Ziele.

Gruess,
/justus

Bergamotte says: RE:Gratulation!
Sent 22 September 2020, 11h33
In der Tat, die Schiben verdienen wieder mal einen Besuch. Hatte ich eigentlich auch programmiert für diesen Sommer, aber schlussendlich ging's dann ins Schindlachtal.

DonMiguel says: Gratuliere
Sent 22 September 2020, 16h36
..zu deinem vollendeten Projekt. Steht bei mir auch noch auf der Todoliste, der schöne Selbsanft. Leider ist in nächster Zeit Schnee in diesen Höhen angesagt. Gruss Don

Bergamotte says: RE:Gratuliere
Sent 22 September 2020, 18h20
Danke danke. Ja ich fürchte, das muss fast bis 2021 warten angesichts der Höhe dieser Gipfel.

Bombo says:
Sent 22 September 2020, 18h55
Sehr geil, Gratuliere Dir herzlich zu diesem Glarner Klassiker, welcher eben doch nicht so oft begangen wird wie es ein Klassiker verdienen würde. Bravo!

Lg

Alpin_Rise says: Eine zünftige und zügige Sektionstour
Sent 23 September 2020, 09h52
derart könnte man mich auch von Gruppentouren überzeugen ;-)

Die Schibenrus sieht toll aus - ähnliches Gelände gibts zuhauf im östlichen Berner Oberland.
Projekte hätte ich, wenns meine Fitness (wieder) erlaubt, mach ich dir mal einen Vorschlag.

G, Rise

Bergamotte says: RE:Eine zünftige und zügige Sektionstour
Sent 23 September 2020, 11h06
Keine typische Sektionstour und vielerorts wohl kaum geduldet... sonst hab ich‘s bekanntlich nicht so mit geführten Sachen. Sicher, einfach melden.


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