Hohe Fürleg (3243m), Törlbirgkopf und Plattiger Habach - imposante Gipfel nördlich vom Großvenediger


Publiziert von BigE17 , 20. September 2020 um 23:40.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:15 September 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:45
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:30 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Man fährt von Lienz nach Matrei in Osttirol und weiter in Richtung Felbertauern. 3 Kilometer vor dem Felbertauerntunnel biegt man nach links ab. So gelangt man zum großen, gebührenpflichtigen Parkplatz vor dem Matreier Tauernhaus. Hierher auch von Mittersill durch den Felbertauerntunnel.
Unterkunftmöglichkeiten:Matreier Tauernhaus, Venedigerhaus, Neue Prager Hütte, Neue Thüringer Hütte

Am Ende des Habachtals im Pinzgau befindet sich das Habachkees. Es bildet einen äußerst imposanten Talabschluss. Das Kees zieht sich bis nahe an die Gipfel vom Plattigen Habach und der Hohen Fürleg hoch. Da wird einem aber auch auf den ersten Blick klar, dass ein Anstieg von dieser Seite nicht ganz so einfach ist. Diese beiden Gipfel sehen aber nicht nur von Norden toll aus, sondern auch von Süden. Dort erblickt man nur steile, plattige Wände und Grate, vor allem die senkrechte SO-Wand vom Plattigen Habach. Interessanterweise führt der einfachste Anstieg zu diesen Gipfeln von dieser Seite aus empor. Ein Tourenpartner und ich hatten beschlossen, diese Berge an diesem Tag zu besteigen. Wir hatten dabei sogar noch eine Zugabe geplant - den Törlbirgkopf. In seinem fantastischen Bericht über die Hohe Fürleg hatte Chiemgauer hier auf hikr.org auch den Anstieg zum Törlbirgkopf beschrieben - also wollten wir diesen bei der Gelegenheit gleich mitnehmen.

Weil wir wussten, dass diese Tour äußerst lang werden würde, starteten wir um 5:45 beim Matreier Tauernhaus im Dunkeln. Mit unseren Mountainbikes fuhren wir über einen sehr gut fahrbaren Weg hoch zum Außergschlöß und weiter ins berühmte Innergschlöß. Der Schotterweg führte noch einige Kilometer weiter ins Tal, dann folgten wir dem Weg Richtung Neue Thüringer Hütte. Noch kurz konnten wir über einen deutlich unangenehmeren Schotterweg fahren, dann mussten wir die Räder stehen lassen. Hier setzte ein schmaler Steig an. Anfangs war er noch angenehm zu begehen. Doch nachdem das Tal einen Knick nach links machte, wurde der Weg deutlich felsiger. Nach einiger Zeit wurde das Tal flacher - hier befanden wir uns im flachen Kessel des Villtragentales. Hier mussten wir dann auch den Steig verlassen.

Wir blieben rechts des Baches und wanderten noch 30 Minuten lang am flachen Talboden taleinwärts. Hier erblickten wir rechts einen Hang, über den wir bis zum Südgrat des Plattigen Habachs aufsteigen konnten. Hier trafen wir jedoch immer wieder auf Blöcke, die zum Teil auch wackelig waren. Trotzdem gewannen wir so recht schnell an Höhe. Noch deutlich unterhalb des Südgrates vom Plattigen Habach querten wir weiter nach Westen. So gelangten wir ins Kar südlich vom Plattigen Habach und der Hohen Fürleg

Unser Ziel war es, den SW-Grat des SO-Gipfels der Hohen Fürleg zu erreichen - nicht den SW-Grat des Hauptgipfels! Unseren gewünschten Grat konnten wir immerhin bereits erkennen. Über glattgeschliffene Platten hielten wir auf den Grat zu. Zwischendurch gab es leider auch immer wieder Blöcke. Nach einiger Zeit wurden die Platten steiler, und wir konnten mit leichten Kletterstellen den oberen Teil des Grates erreichen (I). Wir befanden uns bereits auf 3100m. Anfangs stiegen wir in leichter Blockkletterei (I) höher, bis sich vor uns ein steiler Aufschwung aufbaute. Diesen umgingen wir in der brüchigen Flanke rechts (I). Dem letzten Turm wichen wir ebenfalls rechts durch eine Schuttrinne aus (Stellen I). So gelangten wir zum Verbindungsgrat zwischen Plattigem Habach und der Hohen Fürleg. In wenigen Minuten konnten wir teils über Schnee, teils über Fels unschwierig den SO-Gipfel der Hohen Fürleg besteigen.

Der Hauptgipfel war nun nicht mehr weit weg, der Übergang dauerte gerade mal 2 Minuten (eine Stelle I). Nun konnten wir neben dem 3 Jahre alten Kreuz erstmal ausgiebig rasten. Die Aussicht war heute phänomenal: Im Süden die hohen Gipfel der Venedigerkrone, im Norden die Nördlichen Kalkalpen, im Osten der Großglockner,... Weit im Südwesten waren heute sogar Ortler, Königsspitze und Zufallspitze zu sehen. Wir schauten auch ins Gipfelbuch: Am Vortag war ein einzelner Bergsteiger ebenfalls auf der Hohen Fürleg, aber davor gab es über einen Monat lang keinen Eintrag - also ein sehr selten bestiegener Gipfel.

Nun wollten wir aber noch weiter zum Törlbirgkopf. Hierzu stiegen wir anfangs über den mäßig steilen Firngrat ab (max. 30°). Weil der Schnee weich war, reichten Schneeketten vollkommen aus. Als der Firngrat zu Ende war, und zu einem groben Blockgrat wurde, befand sich neben uns der Nordgipfel der Hohen Fürleg. Der Gipfelblock war dabei gar nicht so einfach (II), aber nicht besonders ausgesetzt. Danach ging es am Grat weiter. Die Kletterei machte hier richtig viel Spaß (I), alle Türme konnten problemlos überschritten oder wahlweise umgangen werden. So gelangten wir zur Fürlegscharte und weiter zum kurzen Aufschwung zum Törlbirgkopf. Im Gegensatz zu Chiemgauer umgingen wir den Aufschwung in der Ostflanke. Dabei waren einige Felsstufen zu überwinden, wobei die Schlüsselstelle recht griffarm war (II). So erreichten wir auch diesen schönen Gipfel.

Der Törlbirgkopf war ein toller Aussichtsgipfel, weil wir den imposanten oberen Teil des Habachkeeses direkt vor uns hatten. Weil wir aber bereits 6 Stunden am Weg waren, kehrten wir recht schnell über den gleichen Weg zum SO-Gipfel der Hohen Fürleg zurück. Nun wartete noch der Verbindungsgrat zum Plattigen Habach auf uns, wobei uns einige steile Abbrüche im Vornherein Sorgen bereiteten. Der erste Teil war aber noch problemlos über Blöcke und Schnee zu gehen. Die erste anspruchsvollere Stelle war eine Querung auf einer schmalen Leiste zwischen 2 Blöcken (II). Es folgte dann eine schärfere Gratpassage (II), gleich danach mussten wir einen kurzen senkrechten Abbruch nordseitig umgehen (I). Der restliche Grat war zwar ein wenig ausgesetzt, aber deutlich einfacher (I). So konnten wir auch den Plattigen Habach ohne Probleme besteigen.

Eigentlich hatten wir geplant, über denselben Grat zurückzugehen. Doch während wir am Gipfel eine kurze Pause einlegten, schauten wir auf den Normalweg vom Plattigen Habach ins Innergschlöß an. Dieser sah problemlos machbar aus. Daher entschlossen wir uns kurzfristig für diese Alternative. Die nordseitige Gipfelflanke war einfach abzusteigen - ein Mix aus Blöcken, Schutt und harmlosen Schneefeldern. Sobald das Schneefeld in einer Rinne in die Tiefe stürzte, betraten wir den linken Grat. So konnten wir angenehm weiter absteigen. Irgendwann wurde dieser Grat dann doch schmäler, und uns erwarteten einige Kletterstellen direkt am Grat (I). Danach gelangten wir zu einem Turm, der steil in die Habachscharte abbrach. Den ersten Teil umgingen wir nordseitig (I) in einer brüchigen, schuttigen Rinne. Danach ging es auf der Gratkante weiter nach unten in die Scharte (I). Wir mussten noch einige Meter in der Westflanke des Grünen Habach aufsteigen, bis wir südseitig eine steile Schuttrinne betreten konnten. Durch diese 45 Grad steile Rinne konnten wir angenehm absteigen. Es folgten noch ein paar Blöcke, dann mussten wir noch ganz kurz den aperen Gletscher betreten. An dieser Stelle gab es lediglich eine kleine Spalte, um diese machten wir einen großen Bogen. Nach gut 50 Metern am Eis war es dann auch schon wieder vorbei.

Nun entschieden wir uns dazu, zum Verbindungsweg zwischen Innergschlöß und der Neuen Thüringer Hütte abzusteigen. Dazu stiegen wir stets in südöstliche Richtung über glatte Platten ab, um so zu einem Gletschersee zu kommen. In dieser Gegend gibt es sogar 2 Seen, wir wählten den unteren. Danach mussten wir noch 100 Höhenmeter aufsteigen. Am besten wäre es gewesen, einfach geradewegs zum Steig aufzusteigen. Wir allerdings versuchten, hier abzukürzen, indem wir weiter nach Osten querten - eine blöde Idee, denn hier waren überall steile Felswände. Also mussten wir doch weiterhin aufsteigen, bis wir das Weglein erreichten. Über den Weg konnten wir ins Villtragental absteigen, wobei das Gelände nach wie vor relativ mühsam zu begehen war. Sobald wir wieder im Tal angekommen waren, folgten wir dem Aufstiegsweg zurück zum Rädern. Zum Abschluss konnten wir den Schotterweg zurück zum Matreier Tauernhaus abfahren. Wir kamen hier um 17:35 an.

Erwähnenswertes:

1. Der schnellste und einfachste Weg, den Gipfel der Hohen Fürleg zu erreichen, ist unser Aufstiegsweg. Auch dieser ist schon sehr lang - wir haben 5 Stunden gebraucht. Außerdem erwarten einen hier viele wackelige Blöcke, daher wird man beim Abstieg nicht viel schneller sein. Zumindest sind die Schwierigkeiten relativ gering - Unerfahrene haben hier aber trotzdem nichts zu suchen!

2. Chiemgauer ist vom Untersulzbachtal zur Hohen Fürleg aufgestiegen - hier sind nochmal 600 Hm mehr zu überwinden. Dieser Weg ist nicht schwieriger, aber deutlich länger. Um den Törlbirgkopf zu erreichen, sollte der Anstieg durchs Untersulzbachtal in etwa gleich lang sein wie eine Überschreitung der Hohen Fürleg vom Matreier Tauernhaus aus.

3. Der Übergang Törlbirgkopf - Hohe Fürleg dauert 1 Stunde.

4. Den Plattigen Habach kann man am einfachsten über den Normalweg über die Habachscharte erreichen. Es gibt nur wenige Kletterstellen I, der Gletscher ist vollkommen harmlos und kann auf den wenigen Metern auch seilfrei begangen werden, weil man die Spalte problemlos umgehen kann. Unter anderem wegen der 100 Hm Gegenanstieg benötigt man sowohl für den Aufstieg als auch für den Abstieg sehr viel Zeit (wir brauchten 4,5 Stunden).

5. Auf der gesamten Tour gibt es nur wenige anspruchsvollere Stellen. Beim Gipfelblock vom Nordgipfel der Hohen Fürleg und beim Schlussanstieg zum Törlbirgkopf gibt es je eine Kletterstelle im 2. Schwierigkeitsgrad. Der Verbindungsgrat zwischen der Hohen Fürleg und dem Plattigen Habach beinhaltet einige ausgesetzte Kletterstellen im 2. Schwierigkeitsgrad. Und am Firngrat nördlich der Hohen Fürleg sind Steigeisen notwendig, wenn der Firn hart ist. Ansonsten gibt es keine besonderen Schwierigkeiten auf dieser langen Tour.

6. Anstiege aus dem Habachtal sind nicht viel anspruchsvoller als die Wege vom Innergschlöß oder durchs Untersulzbachtal, allerdings ist dort Gletscherausrüstung notwendig.

7. Winterbesteigungen dieser Gipfel sind zwar möglich, aber sehr lang und kompliziert bezüglich der Orientierung. Dafür bieten sich der Normalweg von Süden über die Habachscharte, sowie Aufstiege über das Habachkees von Norden an.

8. Auf der Nordseite des Villtragentales gibt es nur steile Felswände. Daher sollte man im Abstieg keine Abkürzungen versuchen. Man kann lediglich über unseren Aufstiegsweg oder den Verbindungsweg zwischen Innergschlöß und Habachtal auf- und absteigen.

9. Wegen der langen Zustiege und des mühsamen Geländes werden diese Gipfel nur ganz selten bestiegen.

10. Mit genügend Erfahrung und Kondition kann man sich hier auf einen einsamen, aber wunderschönen Bergtag einstellen. Trotz des mühsamen Geländes lohnt sich der lange Anstieg absolut. Daher kann diese Tour durchaus als Geheimtipp betrachtet werden.

Tourengänger: BigE17


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (3)


Kommentar hinzufügen

Koppenleit hat gesagt:
Gesendet am 21. September 2020 um 08:09
Wir waren letzte Woche auf dem Plattingen Habach über den Gletscher . Das ist nicht wirklich schwierig T4 wenn man eine gute Linie im Blockgelände findet. Nur die ersten ca. 30 m am Gletscher im Eis/Spaltengelände sind etwas anspruchsvoller danach ist es wirklich einfach. Die Hohe Fürleg hätten wir zeitlich unmöglich geschafft und auch schien uns doch der weiterweg ziemlich anspruchsvoll. Wir waren absolut begeistert von der beeindruckenden Szenerie und Einsamkeit.

BigE17 hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. September 2020 um 10:41
Danke für die Info :)
Interessant, dass dieser Anstieg auch um diese Jahreszeit noch so einfach ist. Damit hätte ich beim Anblick des steilen Gletschers nicht gerechnet.
Der Übergang zur Hohen Fürleg ist Felskletterei im 2. Schwierigkeitsgrad.

Koppenleit hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. September 2020 um 11:26
ja ist oft so, wenn man dann direkt hinkommt, ist es harmloser als man denkt. Ich dacht ebenfalls, ich bin Hochtourenanfänger (und ein Angsthase und kann mich im T5 II Gelände schon mal unwohl fühlen , T6 no go), wie soll ich auf den Gletscher hochkommen, das ist ja super steil, blankes Eis und Spalten. War dann aber wie gesagt, alles halb so wild und wirklich gut machbar. Danach war es dann wirklich sehr einfach, wenig Spalten und nicht sehr steil. Herausforderung ist, den richtigen Weg zum Gletscher und einen guten Einstieg zu finden. Das wird so selten begangen, das es keinerlei Steinmänner, Spuren etc gibt.


Kommentar hinzufügen»