Piz d'Err 3377 m


Publiziert von basodino , 19. August 2020 um 18:06.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberhalbstein
Tour Datum:16 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 780 m
Abstieg: 780 m
Unterkunftmöglichkeiten:Chamanna Jenatsch 2653 m

Nach der gestrigen Genusstour wollte ich mich heute an einem etwas schwierigeren Kandidaten versuchen. Wenn es über einen relativ prominenten Berg nur eher wenige Berichte gibt (zumindest was Sommerbesteigungen anbelangt), dann hat das häufig entweder den Grund, dass die Tour zu lange oder zu schwierig ist. Ersteres kann es hier nicht sein, aber dass der Piz d'Err für viele eher unattraktiv ist, kann ich bezüglich der Route zumindest teilweise nachvollziehen. 

Das Wetter war heute eher durchwachsen mit Schauern ab 13 Uhr und Gewittern ab 15 Uhr angesagt. Und dann kam es doch ganz anders.

Auf jeden Fall startete ich möglichst früh am morgen und war schon um kurz vor 7 Uhr unterwegs. Der Weg ist zunächst sehr angenehm und geht rechts des Baches ohne große Steigung bis zum Felsen, an dem "Gletscherstand 1969" steht. Wenig später verzweigt sich die Spur, wobei die linke mitnichten zum Piz Calderas führt, sondern sogar die angenehmere auf dem Weiterweg zum Gletschersee ist. Mit etwas Umsicht finden sich Steinmänner und Spur beinahe durchgehend bis zum Gletschersee, wobei es nun einiges steiler und rutschiger wird. Auf Höhe der beiden Wasserfälle, die man weit links liegen lässt, befindet sich eine kleine Felsstufe, die man ersteigen muss (I). Man kann die Stufe auch rechts umgehen, wobei man hier bereits in eher brüchiges Gelände geraten würde. T4, 1 h 00 min

Am See geht es nun links vorbei. Rechts unterhalb des von hier aus beeindruckend aussehenden Felsaufschwungs steigt man über Geröll in einen Kessel, wobei bereits am See alle Steinmänner und Spuren enden. Der erste niedrige Aufschwung in den Kessel ist aber noch vergleichsweise leicht zu ersteigen. Der Kessel selbst wird weiter nach links aufwärts erstiegen, wobei man mit Vorteil am tiefsten Punkt einer schwach ausgeprägten Rinne (Tälchen) bleibt. Wo es geht, nutzte ich die wenigen Firnflecken aus. Der verführerisch leichte linke Hang erwies sich als äußerst instabil. Nun kommt der Sattel rechts von P. 3141 in Sicht. Im obersten Teil sind Felsbänke erkennbar, darunter weite Geröllhänge. Ich nutzte weiterhin ein schmales Firnfeld, um dem extrem rutschigen Geröll auszuweichen. Dabei bin ich aber vermutlich etwas zu weit hoch gestiegen. Am oberen Ende des Firnfeldes konnte ich weiter links kaum höher einen Steinmann ausmachen. Dorthin zu queren habe ich mich aber im äußerst brüchigen Gelände nicht so richtig getraut. Ein Queren weiter unten wäre wohl angezeigt gewesen. Stattdessen bin ich nach rechts oben ausgestiegen, wo der eine oder andere Felsen den Hang etwas stabilisiert. So kam ich bis an eine Felswand, die mir wenigstens ein paar Griffe beim Queren an deren Fuße bot. Es blieb aber sehr unangenehm, bis ich die Bänder und Leisten links oberhalb erreichte, wo ich wieder festeren Boden gewann, wenngleich es hier immer noch steil war. Die Passage bis dorthin würde ich mit T6- bewerten, die Bänder und Leisten mit I. Auf jeden Fall kam ich so oben auf dem Sattel an (den besseren Weg beschreibe ich dann im Abstieg). T6-, I, 1 h 00 min

Fast ebenerdig oder besser ebengeröllig kann man nun auf den Gletscher treten. Der ist zwar flach, aber im gefrorenen Zustand an diesem Morgen immer noch glatt genug, um Steigeisen ratsam erscheinen zu lassen. Da ich die nicht auspacken wollte, beging ich ganz rechts den teilweise sehr schmalen Firnstreifen (einmal musste ich ins Geröll ausweichen), der gegen das obere Ende des Gletschers breiter wurde. Hier ist es von Vorteil möglichst bald und flach auf den an sich recht unübersichtlichen felsigen Rücken zu steigen, denn nach dem Rücken geht es wieder etwas hinab. Man kann auch ganz oben durchqueren, was aber nicht leichter ist und in der Folge keinen wirklichen Vorteil bringt.
Vom Rücken stieg ich hinab auf den nächsten Gletscher, den ich im Firn knapp oberhalb einer Felsterrasse gut queren konnte. Die Felsterrasse schwingt sich etwas auf und wird breiter. Hier über leichte Felsen zum oberen Rand gehen und möglichst direkt auf eine Firnwelle hinauf (ich bin im Aufstieg zu weit nach links ausgewichen). Die Welle bildet einen Bogen, den ich weit nach rechts ausholend beinahe eben durchschreiten konnte und so an den Fuß des Südostgrates gelangte. Dort fand ich eine Spur vor, die einen leicht bis an die Felsen des Gipfelaufbaus bringt. Eine Querung zum Südwestgrat konnte ich nicht ausmachen (die Flanke sieht sehr steil und brüchig aus).
Da inzwischen aufziehender Regen sehr nah schien, ließ ich den Rucksack an den ersten Felsen zurück. Im Eiltempo stieg ich in die Südflanke über Bänder und Stufen hinauf, bis sich eine unterbrochene, waagrechte Leiste anbietet, nach rechts auf den Südostgrat zu queren. Während die Felsen in der Südflanke nicht überall ganz fest waren, ist der Grat sehr vertrauenerweckend. Jetzt geht es gerade auf dem Grat aufwärts in leichter Kletterei (II), was durchaus luftig aber auch vergnüglich ist. Viel zu schnell drängte es mich nach links zurück in die Flanke auf eine steile Leiste, die einen links diagonal aufwärts bringt und allmählich in Gehgelände übergeht. Nun über den nahen Südwestgrat bis auf den Gipfel. T4, L, II, 1 h 10 min

In Sorge über den nahen Regen blieb ich nur ganz kurz und trug mich noch ins Gipfelbuch ein (leider mit dem falschen Datum, da ich in dem Moment dachte, es sei schon der 17.08.). Nach wenigen Bildern stieg ich auf dem gleichen Weg wieder hinab. Noch vor dem Gletscher machte ich eine erste kürzere Pause, obwohl gerade jetzt tatsächlich leichter Regen einsetzte. Also erst einmal alles richtig gemacht. Absehbar war es aber nicht, dass die nächste halbe Stunde die einzige mit Regen des ganzen Tages sein sollte.

Es hielt mich nicht wirklich hier oben, so dass ich auch die Gletscherpassage, den Rücken und den zweiten Gletscher hinter mich brachte. T4, L, II, 1 h 00 min

Nun kam ich wieder am Sattel (3120 m) an. Ich ging an die tiefste Stelle, an der eine Art Furche beginnt. Rechts davon finden sich zwei kleinere Steinmänner, die zu einem größeren führen, den ich ja schon vom Aufstieg kannte. Zu diesem hinabzusteigen ist eigentlich eher leicht und wegen der Felssimse auch eher fest. Unterhalb des Steinmannes kommt man dann aber wieder ins Lockergeröll, was im Abstieg weit weniger ein Problem ist. Wenn man weiter eher rechts hinabsteigt, kann man die Lockerheit des Gerölls sogar beinahe ausnutzen, indem man vorsichtig mit allem Geraffel abrutscht. Auf halber Höhe des Firnfeldes querte ich dann zu diesem hinüber und nahm wieder die Aufstiegsroute auf. Hier ist der Firn nicht mehr steil und man kann auch hier abrutschen. In dieser Linie stufe ich die Route auf T5+ ab (was sich auch im Kopf der Tour wiederfindet). Im Aufstieg dürfte die Passage aber äußerst mühsam sein. Für ein T6 ist die ganze Flanke wohl nicht steil genug.
Der Weiterweg zum Gletschersee ist dann wieder etwas leichter, wenngleich man zu Anfang noch sehr auf plötzlich nachgebende Blöcke und Steine acht geben muss. T5+, 40 min

Meine Empfehlung für diese Passage ist: man sollte sie früher im Jahr angehen, wenn Firnfelder das Lockergeröll bedecken. Wenn man bis zu besagtem Steinmann im Firn aufsteigen kann, dann reden wir hier über T4+ bzw. T5- und eine dann auch eher schöne und wenig gefährliche Route.

Am Gletschersee machte ich dann eine ausgiebige Pause bei inzwischen wieder strahlender Sonne. Als das Wetter abermals zu kippen drohte (was dann aber nicht so kam), ging ich den Weg hinab zur Jenatschhütte. T4, 45 min

An diesem Abend waren in der Hütte nur sehr wenige Menschen. Beim Abendessen waren wir nur zu elft. Dabei möchte ich ausdrücklich erwähnen, dass mir in der Hütte vor allem die Kuchen äußerst gut geschmeckt haben. Allein die wären einen weiteren Besuch wert.

Leider sagte der Wetterbericht von morgen dann erheblich schlechteres Wetter voraus, so dass ich meine Pläne für einen fünften Gipfel langsam begrub. Aber immerhin konnte ich noch einen für mich neuen Weg nach St. Moritz begehen. Es muss ja nicht immer ein Gipfel sein.

Tourengänger: basodino


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