Piz Palü 3900 m


Publiziert von basodino , 20. Juli 2020 um 11:32.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:19 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Palü-Gruppe   Bernina-Gruppe 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:das Berghaus Diavolezza ist mit der Seilbahn erreichbar, aber auch über verschiedene Wege erschlossen, die Talstation hat einen großen, kostenfreien Parkplatz und eine Bahnstation
Zufahrt zum Ankunftspunkt:siehe oben
Unterkunftmöglichkeiten:Berghaus Diavolezza 2978 m, Massenlager und Zimmer

Um 3.15 Uhr schellt der Wecker - Aufstehzeit! Ich öffne unser Fenster und sehe Sternenhimmel. So habe ich mir das vorgestellt. Und rechts unterhalb des Großen Wagens leuchtet der Komet Neowise. Haben wir ein Glück (sah man ja in der Vergangenheit mit Kometen ein wenig anders). Ich nehme es als gutes Omen.

Nach dem Frühstück letzte Vorbereitungen und wir treten in eine windstille, aber nicht zu kalte Nacht. Es ist 4.25 Uhr und wir liegen nur 10 Minuten hinter dem eigenen Zeitplan.
Die Traversen bis zum Anseilpunkt gehen im Dunkel besser vonstatten, als es gestern aussah. Ab der Hälfte hätte man es auch ohne Stirnlampe machen können, denn die Morgendämmerung zieht früh merklich in der Helligkeit an. Bald wird die Sonne an einem makellosen Himmel erscheinen, was wir aber nicht sehen werden, denn der Anseilpunkt liegt genauso im Schatten wie weite Teile des ersten Anstieges. T4, 1 h 00 min

Um 5.40 Uhr sind wir ready und starten mit der Gletscherwanderung. Erst quert man ein sehr flaches Gletscherfeld bis an den Fuß des Pizzo Cambrena (leichter Abstieg bis dahin), dann geht es noch ein wenig weiter und eine erste Kehre führt einen steiler auf die nächste Gletscherwelle. Bereits nach wenigen Minuten beginnen Palü und Bernina zu leuchten, was immer wieder ein toller Moment in einer solchen Tour ist. Wir bleiben aber noch lange im Schatten, was aber an diesem stillen Morgen kein Problem ist.
Der Weg führt auf der ersten Gletscherwelle recht gerade in eine Art Furche hinein, durch die wir auch absteigen werden. Wir folgen im Aufstieg aber den weniger deutlichen Spuren nach links und bauen eine weite Kehre ein, was diesem Anstieg deutlich die Schärfe nimmt. Dann geht es nach rechts durch einen Gletscherbruch, der später im Jahr sicher spektakulärer und schwieriger sein wird. In einem Bogen geht es nach links aufwärts auf die nächste Welle im Gelände, in der auch ein paar Spalten liegen, die im Moment noch recht bequem zu überschreiten sind. Nach einem weiten "S" kommen wir ins erste Sonnenlicht, wo wir eine erste Pause machen, auch um unsere Brillen zu wechseln. WS-, 1 h 45 min

Die Spur steilt jetzt etwas auf und man behilft sich mit immer mehr Kehren, um weiter relativ bequem aufzusteigen. Nach einer solchen Kehrenkombination steigen wir nach rechts knapp an einer weiteren großen Spalte vorbei (im Moment noch ohne Probleme). Dann geht es in weiteren Kehren zu einer dritten auffälligen Spalte, die wir links umgehen. Danach erreicht man recht schnell schon die Schulter. WS, 1 h 15 min

Auf der flachen Schulter kamen wir das erste Mal in den Wind, der zwar kühl aber nicht sonderlich stark war. Hier könnte man sogar an einige Felsen treten und dort Pause machen, was wir aber nicht taten. Nach einer kurzen Pause nahmen wir den steilen Aufschwung des Ostgrates des Ostgipfels in Angriff. Von unten sieht er weit weniger furchteinflössend aus, als nachher im Abstieg von oben. Da er der Morgensonne maximal ausgesetzt ist, weicht der Schnee hier früh auf. Die Spur wird so steil, dass man diesem weichen Untergrund nur durch hohe, größere Tritte Herr wird, was kräfteraubend ist und einem etwas den Rhythmus bricht. Zudem kam jetzt schon genügend Gegenverkehr herunter.
Der Steilhang führt auf einen schmalen Grat, der die ersten Meter auch noch steil ist und dann glücklicherweise abflacht. Jetzt kann man wenigstens wieder kleine Schritte machen, wenngleich der Weg bis zum Ostgipfel durchaus leicht exponiert bleibt. An einer breiteren Stelle ließen wir drei im Abstieg befindliche Seilschaften vorbei und erreichten wenig später den Ostgipfel. WS+, 0 h 40 min

Der Weiterweg zum Hauptgipfel ist dann derzeit kein Problem mehr. Der breite Rücken hinab in eine Senke ist pure Erholung. Danach wird der Grat sehr schmal, ist aber mit der guten Spur eigentlich problemlos zu begehen. Mann muss natürlich konzentriert bleiben, denn neben der ca. 30-40 cm breiten Spur geht es rechts schlanke 800 m in die Tiefe. Bald verbreitert sich der Rücken und man ist auf dem flachen Hauptgipfel. WS, 20 min

Unser Zeitplan war es gegen 10 Uhr auf dem Gipfel zu sein. Und genau um diese Zeit waren wir oben. Die Sicht war phänomenal, es war windstill und sonnig. Man konnte im T-Shirt auf dem Gipfel sitzen und die Welt genießen. So blieben wir 45 Minuten und genossen diesen Tag, der wie wenige vorher uns in Erinnerung bleiben wird.

Im Abstieg ist dann vor allem nochmals an den beiden Graten vom Haupt- und Ostgipfel Konzentration gefordert. Hier waren wir lieber vorsichtig und langsam, als dass uns ein fataler Fehler unterlaufen wäre. Unterhalb der Schulter kamen wir dann ab und an auch mal in den Schatten aufziehender harmloser Wolken, was eher eine Hilfe als ein Ärgernis war. Auf 3350 m machten wir nochmals eine Pause, als ich auf einmal einen richtigen Hunger bekam. Außer dieser 20 Minuten hielten wir aber nur für einige Fotostops an oder um eine andere Seilschaft passieren zu lassen. Auch heute kamen uns viele Seilschaften am Mittag noch entgegen. An den wenigen kritschen Spalten war im weichen Sulz mehr Vorsicht geboten, zweie davon übersprangen wir lieber, als die Festigkeit der weichen Schneebrücke zu testen. Am Schluss zieht es sich dann ein wenig in der Querung unterhalb des Cambrena, bis man wieder "Land" unter den Füssen hat. WS+, 2 h 35 min

Wir packten alle Ausrüstung in den nun wieder schwereren Rucksack und machten uns auf die Rücktraverse, die blöderweise ja auch noch zwei nennenswerte Aufstiege beinhaltet. Erst hier merkten wir die Kräfte, die wir auf dieser nicht zu unterschätzenden Tour gelassen hatten. T4, 1 h 10 min

Glücklich liefen wir an der Diavolezza ein, wo wir uns eine leckere Gerstensuppe gönnten. Noch lagen eine Seilbahnfahrt und 5+ Stunden Heimfahrt vor uns, die wir dann aber mit abwechselndem Fahren und klug gesetzten Pausen auch noch hinter uns brachten.

Der Corona-Urlaub 2020 war für uns nicht nur ein Urlaub vom Alltag, sondern auch von dem Thema Corona und seinen Auswirkungen. Solange man am Berg unterwegs ist, kümmert einen das sowieso nicht und außer im leicht überbevölkerten Engadin waren wir auch in eher einsamen Gegenden unterwegs. Aus dem Notplan wurde eine schöne Zeit und mit dem krönenden Abschluss Palü werden wir diesen Urlaub unter den schönsten der letzte Jahre einreihen.

Tourengänger: basodino, tourinette


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