Skitour Piz Bernina über die Fortezza und den Spallagrat


Publiziert von rhenus , 27. August 2019 um 12:08.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Berninagebiet
Tour Datum:31 März 1975
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Ski Schwierigkeit: S-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   I   Palü-Gruppe 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 2900 m
Unterkunftmöglichkeiten:Berghaus Diavolezza

Nachdem wir an Ostersonntag von der Diavolezza aus den Piz Palü mit Skis bestiegen hatten, unternahmen wir am Ostermontag bei besten Schnee- und Wetterverhältnissen eine Skitour auf die Bernina. Es war mein dritter Viertausender und meine erste Bekanntschaft mit diesem Berg, der vom eidg. Forstinspektor Johann Coaz (1822 - 1918) am 13. September 1850 zusammen mit seinen beiden Messgehilfen und Führern Jon und Lorenz Ragut Tscharner in einer 20-stündigen Monstertour erstmals bestiegen wurde. Über den Morteratschgletscher erreichten sie vom Gasthaus "Bernina Häuser" (2049m) oberhalb von Pontresina das Labyrinth genannten spaltenreichen Teil, den sie unter grossen Schwierigkeiten durchquerten. Über die Südseite gelangten sie zum Bernina-Ostgrat, vermutlich oberhalb des Sass dal Pos 3264m. Über den Ostgrat stiegen sie dann zur Bernina auf. Diese Route ist heute wegen Ausaperung des Gletschers nicht mehr begehbar. Um 18 Uhr erreichten alle drei den Gipfel. Sie erstellten ein Steinmannli, pflanzten wie damals üblich die Schweizer Fahne auf und deponierten eine Flasche mit ein paar Bündner Münzen und einem Zettel mit ihren Namen am Gipfel. Der Abstieg erfolgte über die Aufstiegsroute, nachts um 2 Uhr erreichten sie bei Mondschein ihr Quartier in den alten Berninahäusern in Pontresina.

Coaz war als Forstmann, Lawinen- und Gletscherforscher, als Mitbegründer des Schweizerischen Nationalparks, als Topograf und Alpinist eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Er wirkte 39 Jahre bis zum 92. Altersjahr als eidg. Forstinspektor in Bern und erlebte insgesamt 32 Bundesräte! Ob in seinem Büro in Bern auch ein Kanapée für sein Mittagsschläfchen vorhanden war, ist nicht überliefert. Seine gute Gesundheit und wohl auch sein Flohnerleben als Bundesbeamter (!) liessen ihn bis zum Tod  in seinem 96. Lebensjahr rüstig sein. Die Chamanna Cuoz zuhinterst im Val Roseg erinnert an den Erstbesteiger der Bernina (Quelle: Bündner Wald, Jubiläumsausgabe Juli 2018: Coaz, Pionier seiner Zeit. Zur Sonderschau siehe hier). 

Seit der Erstbesteigung von Coaz wurde die Bernina wohl von Tausenden von Bergsteigern besucht, und sie haben die umfassende Rundsicht und die wechselnden Anblicke bewundert. Coaz schrieb dazu: "Um 6.00 abends standen wir auf der ersehnten erhabenen Spitze auf reinem, von keinem menschlichen Wesen betretenen Boden, auf dem höchsten Punkt des Kantons. Ernste Gefühle ergriffen uns. Das gierige Auge schweifte über die Erde bis an den weiten Horizont und tausend und tausend Bergspitzen lagerten sich um uns, felsig aus glänzenden Gletschermeeren emportauchend. Erstaunt und beklemmt sahen wir über diese grossartige Gebirgswelt hin." So schauten und staunten auch wir mitten in diesem "Festsaal der Alpen". Dank meinem Tourenbuch mit den damals aufkommenden Farbfotos von mässiger Qualität sind mir von dieser herrlichen Skitour von der Diavolezza über die einfachste Route via die Fortezza und den Spallagrat noch viele Einzelheiten in Erinnerung geblieben.


Beschreibung der Tour
Es mochte etwa 4 Uhr morgens gewesen sein, als wir drei (Felix N., Manfred G. und ich) nach einer guten Nacht in weichen Betten von der Diavolezza zum Vadret Pers hinunterfuhren. Nach der Gletscherquerung gings zur Isla Persa, und von dort über den Vadret da Fortezza hinauf zur Fortezza. In der Zwischenzeit erwachte ein herrlicher Tag, mit uns waren noch einige weitere Tourengänger mit gleichem Ziel unterwegs. Vom Fortezzagrat folgte eine Kurzabfahrt zum "Buuch" auf ca. 3200m. Es lag sehr viel Schnee, und soweit ich mich erinnern kann, fellten alle Skitüreler ohne Anseilen bis zum Skidepot beim Spallagrat hinauf, was rückblickend als fahrlässig beurteilt werden muss! Das Rifugio Marco e Rosa liessen wir links liegen. Wie man den Fotos entnehmen kann, waren wir mit robustem Militärrucksack, Knickerbockerhosen, roten Wollsocken, Gamaschen, langen Pickeln mit Holzstielen, schmiedeisernen Steigeisen und handgestrickten Pullovern und den damals modernen, schwarzen Allalin-Metallskis sowie Lederschuhen mit Schnallenbindung bestens ausgerüstet. Lawinengefahr herrschte keine, sodass wir auf das Auswerfen der damals üblichen roten Lawinenschnur verzichten konnten. Auf der Route 656a der heutigen Skiroutenkarte stiegen wir zum Skidepot beim Spallagrat auf ca. 3800m, wo wir uns mit dem von meinem Götti geschenkten Seil anseilten und die Steigeisen und Gamaschen anzogen. Der Fussaufstieg erfolgte durch gute Trittspuren. Im kurzen Seil der Ostflanke entlang in bestem Trittschnee stiegen wir zum Sattel "La Spedla" auf 4020m. Hier folgte eine kurze steilere Passage, bevor es zum kurzen Schlussaufstieg im Fels über den Südgrat zum Gipfel der Bernina ging (Gipfelbuch).

Wir genossen mit den wenigen weiteren Bergsteigern bei Prachtswetter das grossartige Gipfelpanorama auf dem einzigen Viertausender der Ostalpen. Der Blick reichte rund 200 km bis zu den Walliser Alpen und zum Mont Blanc. Es war windstill und frühlingshaft warm. Vom Biancograt stiegen um diese Jahreszeit keine Bergsteiger zu. Manfred war etwas erschöpft vom langen Aufstieg. So gönnten wir ihm ein Nickerchen, und nahmen nach einer langen, fast einstündigen Gipfelrast vorsichtig den Fussabstieg in Angriff. Beim Skidepot angekommen stiegen wir in unsere schweren, jedoch robusten Metallskis mit der bestens bewährten Flex-Kabelzugbindung. Nun folgte der schon damals angenehmste Teil jeder Skitour, nämlich die herrliche, sehr lange Abfahrt bei besten Schnee- und Sichtverhältnissen über den Morteratschgletscher hinunter bis nach Morteratsch, wobei wir uns in den kritischen Passagen anseilten. Die Längenänderung des Morteratschgletschers seit unserer Abfahrt 1975 und 2019 beträgt ca. 900m. Mit der Rhätischen Bahn fuhren wir vom Bahnhof Morteratsch glücklich und zufrieden nach zwei herrlichen Skitouren in einem der schönsten Gebiete der Alpen zurück nach Hause ins Sarganserland. 





Tourengänger: rhenus


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