Pisciadu-Steig - Exnerturm (2496m) - Piz Rotic (2966m) - Mesules (2995m)


Publiziert von gero , 21. Mai 2009 um 00:21.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:10 August 2006
Klettersteig Schwierigkeit: K2+ (WS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1170 m
Abstieg: 1170 m
Kartennummer:Freytag & Berndt WKS 5 Cortina d'Ampezzo - Marmolada - St.Ulrich

Dieser Klettersteig ist wohl einer der am meisten besuchten Steige überhaupt - nicht nur in den Dolomiten, sondern alpenweit! Demensprechend viele Beschreibungen gibt es, auch hier bei hikr - aber mit erstaunlich wenig Bildern. Ich will Euch die "Via ferrata Brigata Tridentina al Pisciadu", wie der Steig offiziell heißt, mit weiteren Fotos näherbringen - und gleichzeitig eine Erweiterung beschreiben, die diese Unternehmung zu einer richtigen Bergtour macht: den Weiterweg hinauf auf die Sella-Hochebene zum Piz Rotic und zum Mesules mit anschließender Umrundung der Gamsburg auf der Westseite und Abstieg durch das wild-romantische, aber total überlaufene, supersteile Val Setus.

Ich habe den Pisciadu schon einige Male begangen - auch mit den Kindern, als sie noch  klein waren. Das sagt einiges, die Beine laufen und klettern in diesem spannenden Gelände von selbst - aber allein waren wir noch nie. Je nach Verhältnissen und Jahres- bzw. Uhrzeit muß man schon mal erhebliche Wartezeiten einplanen - vor allem oben an der Brücke zwischen Exnerturm und Massiv, wo die Fotografiersucht der Mitbürger keine Grenze kennt. Aber ist ja auch eine wilde Szenerie, in der man sich da bewegt - die Brücke ist mit guten Augen schon von der Grödner-Joch-Straße aus zu sehen.

Der Steig ist fast durchwegs ausgesetzt, aber immer gut abgesichert, es kann bei entsprechender Schwindelfreiheit und Erfahrung nichts schiefgehen. Vom Parkplatz am unteren Ende des Val Setus (großer Wegweiser) sind es 15 Minuten zum Einstieg: es geht schon gleich mal eine steiles, schräges Wandl aufwärts, über eingelassene Stahlklammern, immer am Stahlseil. Dieser erste kleine Abschnitt führt auf ein Band, dem man gen Osten folgt, bis knapp vor dem Wasserfall, der meistens von oben herunterkommt (Namensgebung "Pisciadu": das bedeutet genau das, woran man dabei gleich denkt!) - hier beginnt der eigentliche Klettersteig und der Leidensweg: Einer hinter dem Andern, manchmal Hunderte Kletterer .... ungeduldiges Drängeln völlig sinnlos.

Es erübrigt sich, die Kletterei entlang des Fixseils im Detail zu beschreiben. Man kommt sowieso nicht auf die Idee, das durchgehende Stahlseil zu verlassen. Die Tiefe wächst beständig, man hat gelegentlich ganz ordentlich Luft unter den Sohlen - aber die Kletterei ist nie schwerer als II, höchstens III, wenn man das Seil NICHT zur Fortbewegung, nur zur Sicherung benutzt. Bis man nach 2/3 der Tour, also geschätzten 300Hm, an jene Stelle kommt, wo der etwas schwierigere Teil der Kletterei hinauf Richtung Exnerturm, Brücke und Ausstieg beginnt. Hier kann man das Stahlseil verlassen und über steiles, etwas ausgesetztes Schrofengelände direkt hinauf zur Pisiciaduhütte "flüchten".

Unmittelbar vor der Brücke steigt man um eine Kante herum: wenn man den Exnerturm (2496m) mitnehmen möchte (was unbedingt empfehlenswert ist), muß man hier das Stahlseil verlassen (welch komisches, unsicheres Gefühl im ersten Moment!) und in wenigen Minuten bis zum Gipfel hinaufsteigen. Das Gelände ist nicht schwer, aber man muß absolut trittsicher sein, denn seitlich geht es in alle Richtungen haltlos hinunter. Und vor allem EXTREM wichtig: hier oben in dem losen Geröll keine Steine lostreten! Sie treffen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Kletterer im Steig! Ich sah hier schon Berggänger mit müden Füßen dahinschleichen und gedankenlos Steine lostreten, daß mir das Blut in den Adern gefror... 

Tja, nach dem Exnerturm zurück ans Seil und dann wenige Meter zur Brücke gequert. Man traversiert auf dieser Stahlseil-Hängebrücke außerordentlich ausgesetzt den tief eingerissenen Spalt zwischen Exnerturm und gegenüberliegendem Massiv - und tief drunten krabbeln die Autos auf der Grödener-Joch-Straße dahin ..... phantastisch, auf alle Fälle mehrere Fotos wert, ich geb's ja zu!

Unmittelbar drüben auf dem Massiv ist der Klettersteig zu Ende, und man steigt in ca. 20 Minuten noch zur Pisciaduhütte (2585m) auf, am kleinen gleichnamigen See (eher ein Tümpel) gelegen. Von hier kann man, wenn man möchte, kurz und steil durch das Val Setus zum P zurückgelangen, oder - weiter - ins Val Mezdi absteigen und zum P zurücklaufen. Oder den Tag erst richtig lossgehen lassen und völlig einsam zur Sella-Hochfläche hinaufsteigen, wie ich es tat :

von der Pisciaduhütte geht es durch das Val Pisciadu aufwärts, bis man schätzungsweise nach 1 Std. Aufstieg durch eine enorme Blockwüste den Pisciadu-Sattel zwischen Bamberger Spitze und Mesules erreicht (kurze Kletterstelle). Von dort geht es ein Stückchen weiter zur Gamsscharte; von hier stieg ich auf den Piz Rotic (2966m) und den Mesules (2995m); es hatte im August bereits geschneit, einzelne Schneefelder waren hier und da zu queren. Der westseitige Abstieg war dann vorübergehend ein Suchen im Nebel, aber dann erreichte ich doch das große Band, das die Westseite des Sellastockes durchzieht. Von hier geht es noch ein paar mal auf und ab, bevor man schließlich knapp westlich der Pisciaduhütte wieder herauskommt.

Der anschließende Abstieg durch das Val Setus ist dann nochmal landschaftlich äußerst eindrucksvoll; der oberste Teil ist wieder mit Fixseilen versichert. Dann erreicht man die obersten Geröllfelder des Val Setus und saust das steile Geröllgelände hinunter. Schade nur, das man das Geröll nicht sonderlich gut abfahren kann (dafür bin ich dort auch schon aufgestiegen).

Nach gut 6 Stunden war ich zurück am Parkplatz.

Mein subjektiver Vergleich:
ich empfinde den Pisciadusteig fast als etwas ausgesetzter als den Pößneckersteig. Andererseits ist der Pößneckersteig im Hinblick auf die Gesamtansprüche höher einzustufen, da er wesentlich länger ist (vor allem der Rückweg). Schwierig im Sinne dieses Wortes sind sie beide nicht sonderlich (mal von den ersten 100 Klettermetern beim Pößnecker abgesehen, da geht ohne Seil überhaupt nichts) - absolute Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und alpine Erfahrung sind eine Selbstverständlichkeit.


Tourengänger: gero


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Kommentare (3)


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georgb hat gesagt:
Gesendet am 23. Juni 2017 um 07:59
Servus Georg,
du warst ja auch schon auf gleicher Runde unterwegs, wie ich eben gerade! Kannst du dich an die Rinne auf der Nordwestseite erinnern hier. Oder hast du evt. ein Foto? Sie scheint sich in den Jahren verändert zu haben, denn bei deiner Tour war sie einfacher, oder?
Grüße Georg

gero hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2017 um 18:40
Servus georgb

nein, ich habe von der Rinne damals kein Foto gemacht.

Dumm - denn ich weiß noch: diese Rinne war damals auch unangenehm! Ich war Mitte August unterwegs und damit 8 Wochen später als Du jetzt, aber harte Schneereste gab es auch, und ich habe mich gern an den Fixseilen festgehalten.

Irgendwie habe ich diese als unangenehm lose in Erinnerung - jedenfalls war ich froh, als ich heil drunten war! Das sind so die Stellen, wo man sich "mindestens g'scheid weh tut, wenn man ausrutscht und runterjodelt".

Gruß, der gero

georgb hat gesagt:
Gesendet am 27. Juni 2017 um 15:44
Ok, jetzt bin ich schlauer, die Rinne war also schon vorher haarig und die Seile sind wohl noch von damals ;-)
In jedem Fall ist es eine der schönsten Unternehmungen in der Sella, nach meinem Geschmack!
Grüße


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