Alpe Druges zur Bivacco Menabreaz (2546 m) und Lago Jaquin (2950m)


Publiziert von Ekkehard , 24. Juli 2018 um 13:07.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum: 3 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:29,6m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem Auto von Aosta über Saint Marcel nach Druges. Braune Hinweisschilder nach 'Aire de pique-nique ''Les Druges''' folgen.
Unterkunftmöglichkeiten:Bivacco Menabreaz (siehe auch https://www.refuges.info/point/5642/cabane-non-gardee/Bivouac-Ernesto-Menabreaz/), eine sehr gut ausgestattete unbewirtschaftete Hütte. Kostenlose Benutzung, Spende erbeten. (Not-)Biwak auch auf der Alpe Salé, siehe Beschreibung.
Kartennummer:Kompass 86, "Parco Nazionale Gran Paradiso - Valle d'Aosta - Valle dell'Orco"

Unsere (Mein Freund F., seine Tochter T. und ich) zweite Tour sollte nach dem Abstieg der vorherigen Tour zur Hütte Bivacco Menabraez führen, die zauberhaft am Lago Inferiore di Laures gelegen ist. Statt des üblichen Weges von Grand Brissonge (950m), welcher stramme 1600hm aufweist, wollten wir den längeren Weg von der Alpe Druges (1600m) nehmen, welcher aber eben auch 650hm weniger aufweist. Durch einige Gegenanstiege reduziert sich dieser Gewinn allerdings deutlich.

 

Tag 1, Dienstag, 3.7.2018

Wir fuhren also die an Serpentinen reiche Straße von Saint-Marcel hinauf, ignorierten das „Verbot für Kraftfahrzeuge aller Art“-Schild in der Nähe der Aire de pique-nique ''Les Druges'' und parkten unser Auto ein kleines Stück weiter oben vor einer Schlackehalde. Ab hier wird die Straße deutlich schlechter und steiler. Hier stand das Auto sicher abseits des Weges und der Platz wird offensichtlich auch von anderen Besuchern genutzt.

Um etwa 15 Uhr hatten wir gepackt und es ging los. Zunächst folgten wir der Straße weiter bis zur Alm bei Praborna (1840m). Man kommt auf dem Weg am Fuß eines Museumsbergwerks vorbei und hat gleich den ersten Gegenanstieg zu leisten. Es war sehr warm und so sind wir über eine Stunde unterwegs bis wir den Bach im Tal überqueren können um auf der anderen Seite jetzt zurücklaufen zu können. Eine in der Kompasskarte eingezeichnete Brücke die man vorher zur Querung nutzen könnte gibt es nicht mehr. Man muss vielmehr etwas weglos durch das Almgelände laufen, findet aber dann den Weg problemlos.

Das erste Hindernis ist ein kräftige Bach, der die Tochter meines Freundes erst mal zu Boden warf. Außer einer nassen Hose und einem kräftigen blauen Fleck gab es keine weiteren Folgen. Der nun folgende Pfad liegt schattig im Wald. Leider hat der schon erwähnte schlimme Winter auch hier gewütet und etliche Bäume quer über den Pfad gelegt. Diese kosteten sehr viel Zeit, Kraft und Nerven, denn alle Varianten von Drüber- oder Drunterdurchklettern oder Umgehen waren nicht ohne. Auch hier muss man wieder mehr Meter absteigen als man möchte, denn eine Felsrippe verhindert den direkteren Weg. Der Pfad ist in alten Zeiten mit einem unglaublichen Fleiß sehr sorgfältig angelegt worden. An vielen Stellen erkennt man Befestigungsmauern in Trockenbauweise und Quersteine, die dem Wasserabfluss dienen. Offensichtlich hat man es mit einem echten Saumpfad zu tun, mit dem die Ver- und Entsorgung der beiden heute verlassenen oben gelegenen Almen Salé und die etwas höher gelegene Bon Plan sichergestellt wurde. Gerade die untere Umgehung der Felsrippe ist ein kleines Kunstwerk.

Viel später als geplant erreichen wir gegen 18 Uhr das Oratorio Arpisson, eine kleine Kapelle an exponierter Stelle auf etwa 1900m Höhe, nur einige Schritte vom Weg entfernt. Wir machen erst mal Pause, genießen die Aussicht und studieren die Karte. Es sind von hier noch 700hm bis zum Übergang in die nördliche Steilwand, durch die der Pfad zu unserem Ziel führt. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und meiner ebenso fortgeschrittenen Erschöpfung wachsen die Zweifel an der Erreichbarkeit unseres Zieles.

Wir beginnen den Aufstieg, der zunächst noch durch schönen Wald mit wunderbaren Alpenrosen, dann über eine kleine Baumstamm-Holzbrücke über einen Bach führt. Hier „tanken“ wir nochmal Wasser. Zwar rauscht es oben gewaltig, aber die Karte zeigt keinen Zugang mehr. Ab jetzt geht es richtig steil durch schütteren Wald nach oben. Bald öffnet sich ein Talkessel, der Wald ist verschwunden, die Blumen blühen. Aber es fehlen die Tiere. Wann waren hier zuletzt Nutztiere? Was für welche waren es, sind sie auch diesen Pfad hoch gelaufen? Fragen in meinem Kopf. Ich versuche die Gebäude der Alm „Salé“ zu erspähen, kann sie aber nicht finden. Es geht wieder sehr steil nach oben. Kurz danach, es ist jetzt etwas nach 19 Uhr, entscheide ich, dass an der Alm für heute Schluss sein wird. Die Aussicht, völlig ausgepumpt irgendwo im Steilhang biwakieren zu müssen, erscheint mir äußerst gefährlich, ich möchte mir ein Mindestmaß an Möglichkeiten und Kontrolle erhalten. Mit ziemlich letzter Kraft erreiche ich den Punkt von der man die Almgebäude erstmals sehen kann. Zwei Steinböcke stehen auf der Außenmauer der einen Ruine und beäugen unser Kommen. Man hat fast das Gefühl sie Ahnen, dass wir ihnen heute den Schlafplatz wegnehmen werden. Ich kämpfe mich die letzten Meter zur Alm und werfe den Rucksack ab.

Von den drei Gebäuden, hat nur der ehemalige Stall ein zu Hälfte erhaltenes Dach. Die zweite Hälfte des Daches ist eingestürzt, ebenso wie bei den beiden anderen Gebäuden. Das Wohngebäude besitzt noch einen Keller, alles aber wenig einladend. Im vorderen Teil des Stallgebäudes sind einige Bretter vorhanden, es sieht trocken aus. So bauen wir und eine Schlafstätte und hoffen, dass es nicht zu stark regnen wird.

Später gelingt es mir nach etwas Mühe ein Feuer in Gang zu bringen. Licht und Wärme haben doch einen unglaublichen Einfluss auf die menschliche Psyche, der Rauch vertreibt zudem die äußerst lästigen Fliegen. Wir schmelzen Käse auf einem Stein am Feuer und gedenken der Menschen die diese Gebäude errichtet haben. Mit großem Können und Geschick sind diese Gebäude gefertigt worden, jetzt erobert die Natur ihr Eigentum zurück.

Tag 2, Mittwoch, 4.7.2018

Durch den harten Untergrund wache ich mehrfach in der Nacht auf, sehe die letzte Glut unseres Feuers im Dunklen und wache endgültig um halb Sechs auf. Die Ruhe und der heraufziehende Morgen trauhaft, ich freue mich jetzt richtig auf den kommenden Weg. Wir frühstücken und packen und brechen um 7 Uhr auf. Es geht weiterhin steil aufwärts und dann erreichten wir bei ca. 2400m eine Hochebene, auf der die Gämsen gerade frühstücken. Was für eine Aussicht. Matterhorn und Breithorn, beide etwas in Wolken, so dass wir uns nicht einig sind ob es ein Gletscher oder doch nur ein Wolkenband ist. Der Gamsbock kommt regelmäßig schauen ob wir noch da sind. Bald geht es weiter, den jetzt wieder zunehmend steileren Grashang hinauf. Der Pfad verliert sich etwas im Gelände, erst spät sieht man einen gewaltigen Steinmann, der den Einstieg in den Steilhang anzeigt. Wir erreichen ihn um viertel nach 9 Uhr.

Ab hier sollte es jetzt eigentlich nur noch bergab gehen, schließlich liegt die Hütte nur auf 2550m Höhe. Aber auch hier geht der Pfad eigene Wege und packt noch einige Gegenanstiege drauf. Landschaftlich ist dieser Wegeabschnitt aber eine tolle Angelegenheit. Mit grandioser Aussicht hinunter nach Aosta, welches etwa 2000m tiefer liegt, hinüber zum Mont Blanc und natürlich die schon erwähnten Schweizer Berge.

Nicht viel später erreichen wir ein kleines aber unangenehmes Schneefeld. Dummerweise haben wir weder unsere Steigeisen noch unser Seil dabei, beides liegt schön im Auto. Ich bahne uns einen schöne Spur durch den ziemlich harten Schnee, wir können passieren. Spätestens hier wären wir gestern Abend hängen geblieben. Nur gut, dass wir uns zum Bleiben entschieden hatten.

Der Pfad schlängelt sich durch den Steilhang, ist aber fast nirgends ausgesetzt. Zum Ende hin, wenn man glaubt man müsse ja gleich da sein, geht es nochmal richtig runter. Unter der Wand nochmals ein großes Schneefeld, welches wir mit der nötigen Vorsicht überschreiten. Dann der letzte Anstieg, oben steht die kleine Kapelle Oratio di Laures. Ein großer schwarzer Fleck verrät, dass hier gelegentlich Feuer gemacht wird, welches man von Tal gut sehen können muss. Dann geht es nur noch ein paar Minuten runter zu traumstarken Hütte Bivacco Menabraez am See. Um kurz vor eins erreichen wir unser Ziel. Kaum zu glauben, aber es sind nochmal 6h gewesen.

Den Rest des Tages verbummeln wir mit Essen, Lesen und Schlafen in der toll ausgestatteten Hütte. Es gibt sogar Strom, ich hätte mein Handynetzteil mitbringen können, so muss der Ersatzakku wie geplant durchhalten.

Tag 3, Donnerstag, 5.7.2018

Endlich ist das angekündigte schlechte Wetter da. Es ist ziemlich ungemütlich und so nutzen wir den Tag zum Lesen, Essen und Reden und lassen die Höhenakklimatisation alleine vorangehen. Zweimal steige ich zur kleinen Kapelle Oratio di Laures, nicht zur Andacht, sondern weil es dort etwas Empfang und somit auch Zugang zum Internet gibt, gewürzt mit etwas Windschatten. Der Blick zum 2000m tiefer gelegenen Aostatal ist wirklich unglaublich, wie das Licht und die Wolken ziehen und gelegentlich der Regen.

Tag 4, Freitag, 6.7.2018

Heute wollten wir auf den Mont Emilius steigen. Etwa 1000hm trennen uns von seinem Gipfel. Von der Hütte sieht man die steile Nordostwand, unser Weg führt aber über den Passo dei tre Cappuccini (Pass der drei Kapuziner(-Mönche)). Leider ist das Wetter schlecht und es liegt noch viel mehr Schnee, so dass wir nur bis zum Lago Jaquin kommen. Der Weg dorthin ist aber auch sehr lohnend. Zunächst ein Aufstieg zum Lago Lungo, von da weiter zum Lago Superiore. Leider ist der Weg vom Lago Lungo zum Lago Superiore bei Openstreetmap nicht eingetragen und fehlt entsprechend bei „Maps.me“ meiner Offlinekarte auf dem Handy. Entsprechend unsicher navigieren wir, auch weil es kaum Wegmarken vorhanden sind. Immer wenn wir nach längerer Diskussion uns für eine Richtung entschieden haben findet sich wieder mal eine gelbe Wegmarke.

Dies ist auch den vermehrten Schneefeldern geschuldet, die den eigentlichen Weg, nebst seinen Markierungen immer häufiger verdecken. Besonders blöde ist es als wir am Lago Superiore ankommen und erst dem Trampelpfad am Ufer folgen, obwohl der Pfad sofort rechts auf den Berg führt. Aber das Gelände ist gnädig und wir wetzen auch diese Scharte wieder aus. Oben wo es dann wieder ebener wird liegt der Schnee in Massen, darunter gurgelt das Wasser. Einige wenige Markierungen weisen den Weg, er liegt offensichtlich weit unter dem Schnee. Als wir dann den Lago Jaquin erreichen wird uns klar, heute wird es nichts mehr mit dem Mont Emilius. Dichte Wolken ziehen über den Grat. Wie Ameisen kann man Bergsteiger*innen erkennen die eiligst den Abstieg über den Grat nehmen. Der äußerst steile Weg durch eine Schutthalte zum Pass ist durch Schneefelder blockiert, für die wir einfach nicht ausgerüstet sind. Also genießen wir unser Mittagessen und machen uns an den Abstieg. Etwas später im Jahr muss dieses Tal ein alpiner Sommertraum sein, heute erinnert er noch an den Winter. Aber je weiter wir absteigen um so weiter kommen wir dem Frühling und Sommer entgegen.

Weil es Freitag ist kommen gegen Abend doch noch Gäste auf die Hütte. Es gibt für Mitglieder einen abgeschlossenen größeren Raum, in dem es Schließfächer gibt. Aber auch für die Gelegenheitsgäste ist genug Platz vorhanden.

Tag 5, Samstag, 7.7.2018

Am gestrigen Tag hat sich mein Knie gemeldet, leise aber doch bestimmt sagte es mir, dass es wohl mit dem Gran Paradiso nichts werden wird. Heute früh ist es zwar leise, aber als ich das Gepäck aufsattele meldet es sich wieder lauter zurück. Wir statten noch der Kapelle einen Besuch ab und steigen zum Schneefeld herab. Mein Freund F. ist jetzt deutlich mutiger unterwegs und so bringen wir das Ding doch schneller als erwartet hinter uns. Der Weg, jetzt in der Morgensonne und dem wolkenfreien Panorama mit Matterhorn und Mont Blanc, ist traumstark. Auch das zweite Schneefeld ist schnell passiert und wir stehen wieder oben auf der höchsten Ecke der Alm. Der Weg runter zieht sich. Als kleinen Ausflug wollen wir noch die Alm Bon Plan ansehen. Es gibt dort eine Hütte mit Blechdach, wir wollen wissen in welchem Zustand sie ist. Die Wiese vor den Hütten zeigt noch ihre Bearbeitung. Saubere Gräben lassen das Wasser schneller abziehen, das Gras und die Kräuter wachsen kräftig. Die Hütte ist allerdings in bedauerlichem Zustand. Das Dach ist teilweise eingestürzt und hat dem Verfall nun Zutritt verschafft. Es sind noch Matratzen, Betten und ein Kocher vorhanden, den ich wohl nicht in Betrieb nehmen würde, ein gastliches Gefühl will sich jedoch nicht einstellen.

Also kehren wir zurück zum Weg und steigen weiter zur Alm Salé ab. Es folgt der steile Abstieg in den unteren Teil der Alm, dann durch den Wald mit den wunderbaren Alpenrosen, die ich jetzt deutlich besser genießen kann als beim Aufstieg. Vorbei an der kleinen Kapelle, durch eine sumpfartige flache Stelle und dann vorbei an der schon erwähnten schön gebauten Umgehung der Felsrippe. Dann sind wir im Wald. Statt der erwarteten umgefallenen Bäume erwarten uns frische Sägespäne. Ein hilfreicher Geist hat uns diese Schwierigkeiten mit der Kettensäge aus dem Weg genommen. Auch die Überquerung des Baches klappt besser, ein großer Stein lässt sich überreden im Wasser platz zunehmen und so die Überquerung zu erleichtern.

Es folgt die Alm Croulet und wir betreten die Straße die uns zurück zum Auto bringt. Der lange Abstieg mit einem Abrutscher und der längere Straßenhatsch haben meinem Knie nicht gut getan. Es verbietet mir weitere Touren, auch wenn wir noch zwei schöne Nächte auf dem Campingplatz in Pont verbringen werden. Der Gran Paradiso ist wenigstens für dieses Jahr für mich unerreichbar.


Tourengänger: Ekkehard


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