Kleine Spurensuche zu den "schwarzen Brüdern"
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Während den Herbstferien las uns meine Tante an verregneten Tagen jeweils aus Kinderbüchern wie "Die schwarzen Brüdern" vor. Die traurige Geschichte der aus den verarmten Tessiner Tälern nach Mailand verdingten Kaminfegerjungen ("spazzacamini" genannt) hatte ich grösstenteils schon wieder vergessen, als ich 1977 die Herbstferien mit der Familie eines Schulfreundes zum ersten Mal im Verzascatal verbringen durfte. Wir logierten in Gerra, wanderten Richtung La Marcia und zum Lago d'Efra und besuchten einmal Sonogno, wo wir die Kirche besichtigten. Von dort aus erblickte ich auch erstmals den für mich damals unersteigbar aussehenden Monte Zucchero.
Als ich mir dann an Ostern dieses Jahrs auf SRF1 die berührende, wenn im Vergleich zur Vorlage auch etwas "brave" und "harmlose" Neuverfilmung Xavier Kollers von "Die schwarzen Brüder" zu Gemüte führte, fragte ich mich, auf welcher Alp rund um Sonogno Giorgios Familie mit ihren Kühen und Ziegen wohl die Sommer verbracht hatte, ahnend, dass die Drehorte nicht mit den Schauplätzen des Buches übereinzustimmen brauchten: in Frage kamen etwa die Alpe di Cardèd, die Alpe di Mügàia, die Alpe della Redòrta, Starlarisc, die Alpe di Trecc, Pendoréira oder - für mich am wahrescheinlichsten - die Alpe di Cagnói. Da der Film keine schlüssige Antwort zuliess, nahm ich mir vor, den Jugendroman von Lisa Tetzner, der neben "Heidi" und "Schellen-Ursli" zu den bekanntesten Schweizer Kinder- und Jugendbüchern zählt, endlich selber einmal zu lesen, auch um hoffentlich doch noch etwas über die von mir gesuchte Alp zu erfahren.
Beim Lesen des Buches fand ich zwar die Schilderung der Kälte- und Dürreperiode sowie des Waldbrands, die zur Verarmung von Giorgios Eltern und seiner Verdingung an den Mann mit der Narbe beigetragen hatten, die detaillierte ortsgetreue Beschreibung von Giorgios Weg von Sonogno durch das Verzascatal hinunter in die Magadinoebene, die erschütternde Geschichte von Alfredo und seiner Schwester aus dem Misox und die ausführlich geschilderte Aufnahme von Giorgio und einem seiner Gefährten bei Dr. Casella in Lugano, mit dessen Sohn Lorenzo sich Giorgio befreundete, welche Kapitel neben vielen anderen Episoden im Film fehlen bzw. nur stark verkürzt dargestellt werden, aber keine näheren Hinweise auf die gesuchte Alp ob Sonogno, und zwar weder im Text noch in den gelungenen Illustrationen von Emil Zbinden, der sogar Giorgios "Heimwehberg" Monte Zucchero über Sonogno eine schöne Zeichnung gewidmet hat. Der Autorin scheint der Name der Alp nicht so wichtig gewesen zu sein, so dass sie nur von der "ersten", "zweiten" und "dritten Alp" schreibt, und tatsächlich spielt deren Name für den dramatischen Verlauf der Geschichte eigentlich auch keine Rolle.
Wenn Buch und Film nicht weiter halfen, konnte ich ja villeicht vor Ort Näheres herausfinden? Als wir zum 1. August für ein paar Tage nach Sonogno fuhren, traf ich im Zug eine entfernte Verwandte mit ihrem Vater. Ich erzählte Ihnen von unserem Reiseziel im Verzascatal, und sofort erinnerte sich der Vater an die Geschichte von Giorgio und Alfredo, aber die besagte Alp kam natürlich nicht zur Sprache, und schon nach einigen Themenwechseln trennten sich in Zürich unsere Wege. In Sonogno angekommen, quartierten wir uns im gemütlichen Ristorante Alpino ein, und während sich meine beiden Kolleginnen von der langen Reise erholten, schaute ich mit Blacky schnell bei der Capanna Cognora vorbei, die seit meinem letzten Besuch vor 13 Jahren zu einem eigentlichen Luxushotel ausgebaut worden war. Am zweiten Tag wollte ich auf die Cima di Cagnói steigen, und wegen bereits ab Mittag prognostizierten Gewittern ging ich vor dem Frühstück los, stibitzte beim Gang durchs Dorf einige Zwetschgen von einem Baum und begann mit dem Aufstieg. Blacky war leider nicht mit von der Partie, denn er sollte die Kolleginnen bei einer vergnüglichen Badewanderung entlang der Redòrta und zu deren paradiesischen Gneisbecken begleiten.
Der gut erhaltene, mit schönen Steintreppen ausgebaute Bergweg führte durch dichten Mischwald zu den malerischen Hütten von Monte und Barm. Ab hier schlängelte sich ein z.T. nur noch undeutlicher und zuletzt sich verlierender Pfad entlang eines Geländerückens und über eine Weide zur Alpe di Cagnòi, wo ein Grosselternpaar mit ihren Enkeln eine grosse Ziegenherde sömmerten. Der freundliche Nonno erkärte mir den Aufstieg über die S-SW-Flanke und den Abstieg über die E-Flanke und ich machte mich auf den Weiterweg. Bis zum E Vorgipfel lief alles rund, E-Wändchen und SE-Kante des Gipfelturms, beide etwa 5m hoch, erwiesen sich aber als echte höhergradige Boulderprobleme, von denen ich nach mehreren erfolglosen Versuchen schliesslich lieber die Finger liess. So kurz vor dem Ziel umzukehren, war aber auch unbefriedigend, also liess ich nicht locker, bis ich eine leichteren Zugang von N und W gefunden hatte. Zurück auf Cagnói unterhielt ich mich wieder mit dem Nonno, berichtete ihm über den Verlauf der Tour und bedankte mich für seine hilfreichen Wegbeschreibungen. Zuletzt fragte ich ihn noch:
Aufstieg S-SW-Flanke
Von Sonogno (918m) auf dem Bergweg über Monte (1237m) und Barm (1663m) auf die Alpe di Cagnói (1971m), 2h15m, T2. Über die S-Flanke nach NW auf steilem Gras und Schrofen (Pfadspuren) hinauf und südlich an P. 2382 vorbei auf ein markantes Grasband auf ca. 2380m. Auf diesem nach W, westlich entlang dem S-Grat und über die SW-Flanke (Pfadspuren) auf den E-Grat und über eine Stufe (I) auf den E Vorgipfel (ca. 2440m, grosser Steinmann). Nördlich unter dem Gipfelturm hindurch zu einer überhängenden Stufe oder einer Verschneidung, über eine von beiden hinauf (II+) und nach E auf die Cima di Cagnói (2445m, kleiner Steinmann), 1h 30min, T4, L.
Abstieg E-Flanke
Zurück zum E Vorgipfel und optionale Überkletterung von 4 weiteren Gendarmen des E-Grats (II-III). Über die Aufstiegsroute zurück zum Grasband und an dessen östliches Ende. Nach E durch ein Tälchen auf Gras und Geröll nördlich an P. 2382 vorbei und nördlich ausholend (Pfadspuren) hinunter zum eingezeichneten Pfad nördlich P. 2098, auf diesem zurück zur Alpe di Cagnói und über die Aufstiegsroute wieder hinunter nach Sonogno, 3h-3h 30min, T4.
Als ich mir dann an Ostern dieses Jahrs auf SRF1 die berührende, wenn im Vergleich zur Vorlage auch etwas "brave" und "harmlose" Neuverfilmung Xavier Kollers von "Die schwarzen Brüder" zu Gemüte führte, fragte ich mich, auf welcher Alp rund um Sonogno Giorgios Familie mit ihren Kühen und Ziegen wohl die Sommer verbracht hatte, ahnend, dass die Drehorte nicht mit den Schauplätzen des Buches übereinzustimmen brauchten: in Frage kamen etwa die Alpe di Cardèd, die Alpe di Mügàia, die Alpe della Redòrta, Starlarisc, die Alpe di Trecc, Pendoréira oder - für mich am wahrescheinlichsten - die Alpe di Cagnói. Da der Film keine schlüssige Antwort zuliess, nahm ich mir vor, den Jugendroman von Lisa Tetzner, der neben "Heidi" und "Schellen-Ursli" zu den bekanntesten Schweizer Kinder- und Jugendbüchern zählt, endlich selber einmal zu lesen, auch um hoffentlich doch noch etwas über die von mir gesuchte Alp zu erfahren.
Beim Lesen des Buches fand ich zwar die Schilderung der Kälte- und Dürreperiode sowie des Waldbrands, die zur Verarmung von Giorgios Eltern und seiner Verdingung an den Mann mit der Narbe beigetragen hatten, die detaillierte ortsgetreue Beschreibung von Giorgios Weg von Sonogno durch das Verzascatal hinunter in die Magadinoebene, die erschütternde Geschichte von Alfredo und seiner Schwester aus dem Misox und die ausführlich geschilderte Aufnahme von Giorgio und einem seiner Gefährten bei Dr. Casella in Lugano, mit dessen Sohn Lorenzo sich Giorgio befreundete, welche Kapitel neben vielen anderen Episoden im Film fehlen bzw. nur stark verkürzt dargestellt werden, aber keine näheren Hinweise auf die gesuchte Alp ob Sonogno, und zwar weder im Text noch in den gelungenen Illustrationen von Emil Zbinden, der sogar Giorgios "Heimwehberg" Monte Zucchero über Sonogno eine schöne Zeichnung gewidmet hat. Der Autorin scheint der Name der Alp nicht so wichtig gewesen zu sein, so dass sie nur von der "ersten", "zweiten" und "dritten Alp" schreibt, und tatsächlich spielt deren Name für den dramatischen Verlauf der Geschichte eigentlich auch keine Rolle.
Wenn Buch und Film nicht weiter halfen, konnte ich ja villeicht vor Ort Näheres herausfinden? Als wir zum 1. August für ein paar Tage nach Sonogno fuhren, traf ich im Zug eine entfernte Verwandte mit ihrem Vater. Ich erzählte Ihnen von unserem Reiseziel im Verzascatal, und sofort erinnerte sich der Vater an die Geschichte von Giorgio und Alfredo, aber die besagte Alp kam natürlich nicht zur Sprache, und schon nach einigen Themenwechseln trennten sich in Zürich unsere Wege. In Sonogno angekommen, quartierten wir uns im gemütlichen Ristorante Alpino ein, und während sich meine beiden Kolleginnen von der langen Reise erholten, schaute ich mit Blacky schnell bei der Capanna Cognora vorbei, die seit meinem letzten Besuch vor 13 Jahren zu einem eigentlichen Luxushotel ausgebaut worden war. Am zweiten Tag wollte ich auf die Cima di Cagnói steigen, und wegen bereits ab Mittag prognostizierten Gewittern ging ich vor dem Frühstück los, stibitzte beim Gang durchs Dorf einige Zwetschgen von einem Baum und begann mit dem Aufstieg. Blacky war leider nicht mit von der Partie, denn er sollte die Kolleginnen bei einer vergnüglichen Badewanderung entlang der Redòrta und zu deren paradiesischen Gneisbecken begleiten.
Der gut erhaltene, mit schönen Steintreppen ausgebaute Bergweg führte durch dichten Mischwald zu den malerischen Hütten von Monte und Barm. Ab hier schlängelte sich ein z.T. nur noch undeutlicher und zuletzt sich verlierender Pfad entlang eines Geländerückens und über eine Weide zur Alpe di Cagnòi, wo ein Grosselternpaar mit ihren Enkeln eine grosse Ziegenherde sömmerten. Der freundliche Nonno erkärte mir den Aufstieg über die S-SW-Flanke und den Abstieg über die E-Flanke und ich machte mich auf den Weiterweg. Bis zum E Vorgipfel lief alles rund, E-Wändchen und SE-Kante des Gipfelturms, beide etwa 5m hoch, erwiesen sich aber als echte höhergradige Boulderprobleme, von denen ich nach mehreren erfolglosen Versuchen schliesslich lieber die Finger liess. So kurz vor dem Ziel umzukehren, war aber auch unbefriedigend, also liess ich nicht locker, bis ich eine leichteren Zugang von N und W gefunden hatte. Zurück auf Cagnói unterhielt ich mich wieder mit dem Nonno, berichtete ihm über den Verlauf der Tour und bedankte mich für seine hilfreichen Wegbeschreibungen. Zuletzt fragte ich ihn noch:
"È questo l'alpe dei "fratelli neri"?"
worauf er mit einem verschmitzten Lächeln antwortete:
"È possibile, ma non è sicuro...".
Und nachdem ich nochmals die anmutige Alphütte und die prächtigen Nere Verzasca bewundert und allen einen schönen 1. August gewünscht hatte, kehrte ich trockenen Fusses - die Gewitter blieben zum Glück aus - nach Sonogno zurück.
Aufstieg S-SW-Flanke
Von Sonogno (918m) auf dem Bergweg über Monte (1237m) und Barm (1663m) auf die Alpe di Cagnói (1971m), 2h15m, T2. Über die S-Flanke nach NW auf steilem Gras und Schrofen (Pfadspuren) hinauf und südlich an P. 2382 vorbei auf ein markantes Grasband auf ca. 2380m. Auf diesem nach W, westlich entlang dem S-Grat und über die SW-Flanke (Pfadspuren) auf den E-Grat und über eine Stufe (I) auf den E Vorgipfel (ca. 2440m, grosser Steinmann). Nördlich unter dem Gipfelturm hindurch zu einer überhängenden Stufe oder einer Verschneidung, über eine von beiden hinauf (II+) und nach E auf die Cima di Cagnói (2445m, kleiner Steinmann), 1h 30min, T4, L.
Abstieg E-Flanke
Zurück zum E Vorgipfel und optionale Überkletterung von 4 weiteren Gendarmen des E-Grats (II-III). Über die Aufstiegsroute zurück zum Grasband und an dessen östliches Ende. Nach E durch ein Tälchen auf Gras und Geröll nördlich an P. 2382 vorbei und nördlich ausholend (Pfadspuren) hinunter zum eingezeichneten Pfad nördlich P. 2098, auf diesem zurück zur Alpe di Cagnói und über die Aufstiegsroute wieder hinunter nach Sonogno, 3h-3h 30min, T4.
Tourengänger:
lorenzo

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