Cima di Ghez (2715 m) - steil hinauf zur keltischen Ziegenspitze


Publiziert von gero , 17. Juni 2017 um 22:07.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:16 Juni 2017
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1690 m
Abstieg: 1690 m
Strecke:San Lorenzo in Banale (La Ri) - Monte Prada - Doss d'Arnal - Cima Ghez und zurück (14,5 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Vom Molvenosee kommend, steht direkt am nordöstlichen Ortsbeginn von San Lorenzo in Banale ein großer Wegweiser zum Rifugio Alpenrose. Auf dem Sträßlein durch den Wald hinauf, kurz vor der Alpenrosa ein kleiner (gebührenfreier) P bei LA RI.
Kartennummer:Tabacco Blatt 53 (Dolomiti di Brenta 1:25.000); Freytag & Berndt WKS 11 (Brenta - Madonna di Campiglio - Presanella)

Ja wirklich: profunder Fachliteraur aus Mailand vertrauend, heißt dieser gewaltige Berg in der südlichen Brenta so, weil "Ghez" das keltische Wort für die Ziege ist. Es wird heute ein Ausflug in die absolute Einsamkeit - ich treffe den ganzen Tag über keinen Menschen, nur Dohlen sind meine Begleiter.

Die Bergtour beginnt am kleinen Parkplatz von La Ri (1074 m), wenige Häuser hoch über San Lorenzo in Banale mitten im Wald gelegen. Es geht auf Steig Nr. 351 sofort sehr steil auf einem Karrenweg bergan; der Wald ist urwaldartig dicht und früh um 5 Uhr mit unheimlichem Raunen und Wispern erfüllt. Unheimlich insofern, als hinter jeder der zahlreichen Wegbiegungen der Braunbär stehen könnte. Um ihn im Ernstfall nicht zu überraschen, bewege ich mich geräuschvoll vorwärts, indem ich gelegentlich die Wanderstöcke zusammenschlage.

Nach 15 Minuten komme ich im Wald beim Wegpunkt le Mase (1129 m) vorbei - einer kleinen Kreuzung, für mich geht es unfehlbar auf Steig Nr. 351 weiter Richtung Malga Ben. Nach einer knappen Stunde passiere ich eine Lichtung, dann verschluckt mich die Dunkelheit des Urwaldes wieder. Knapp 2 Std. nach Abmarsch erreiche ich sein oberes Ende, und nochmals 50 Meter höher auf etwa 1600 m eine kleine Wegverzweigung: Steig 351 führt Richtung Forcella Bregain und Malga Ben, ich aber wende mich hier nach Osten, dem (hier einzigen) Wegweiser Richtung Prada auf Steig Nr. 345 B folgend. Zuerst leicht fallend, dann wieder etwas ansteigend, durchquert er saftig grünes Wiesengelände - man folgt hier einigen recht gut erkennbaren, da rot markierten Pflöcken (zusätzliche Inschrift CUET).

Nach etwa 20 Minuten gemütlichen Dahinwanderns erreiche ich den Kulminationspunkt von Steig Nr. 345 B auf einer Wiesenkuppe (auf der Tabacco-LK mit Kote 1693 m angegeben). Hier gilt es aufzupassen: mit auf der LK schwarz gestricheltem Verlauf zweigt an dieser Stelle eine Steigspur genau nach Norden ab, in sanfter Steigung leitet die Spur durch knietiefes Gras über die riesigen Wiesenflächen des Monte Prada. Selbiger stellt eine Ansammlung vieler sanfter Kuppen da, die nun bewandert werden. Die nördliche Richtung behält man hier bei - mal ist besagte Spur einigermaßen deutlich ausgeprägt, mal etwas schwächer. Nach einer weiteren Stunde wird auf diese Weise ein markantes "Schrofenriff" erreicht, das ins Val Dore hinunter abbricht. In dessen Talgrund ist eine Biwakschachtel erkennbar: dort hinunter führt die bisher verfolgte Wiesenspur. Von hier aus ist erstmals das Ziel, die Cima di Ghez, erkennbar.

An dieser Stelle verläßt man die bisherige Spur und wendet sich links (westwärts) weglos aufwärts. Mit Blick fürs Gelände ersteigt man unschwierig, aber anstrengend die steilen Wiesenhänge hinauf Richtung Doss d'Arnal, wobei ich mich weiter oben nach links (im Sinne des Aufstiegs) dem schon lange sichtbaren, namenlosen Sattel zwischen Doss d'Arnal und Doss delle Saette zuwende. Ich erreiche diesen Sattel schließlich etwa 4 Std. nach Abmarsch; Höhe knapp 2200 m. Hierher könnte man auch von Westen, von der Malga Ben gelangen - doch machen die Hänge einen noch wesentlich steileren Eindruck, eine Spur ist dort nirgends zu erkennen.

Auch weiterhin geht es auf steilen Wiesen aufwärts; Steigspuren führen auf den Doss d'Arnal (2350 m), danach folgt eine ebenfalls steile Wiesen- und Schrofenkuppe (ca. 2400 m), hinter der sich der Kamm leicht absenkt in einen Wiesensattel, der den Beginn des letzten, nunmehr felsigen Abschnittes hinauf zur Cima di Ghez markiert. Eine sanfte Wiesenmulde unmittelbar am Beginn des Felsgrates bietet sich als Rucksackdepot an - gern nehme ich die Einladung an und bewältigende die letzte knappe Stunde des Anstieges ohne Gepäck.

Zwischenbemerkung zur Bewertung:
- bis hierher unschwieriger Anstieg, im Hinblick auf die Steilheit der Wiesenflanken maximal T3 (eher T2+)
- der folgende Felsgrat ist die Schlüsselstelle des Anstiegs: im Hinblick auf deren Ausgesetztheit T4, die Kletterei entspricht dem Grad 1, ist jedoch teilweise unangenehm kleinsplittirg (ich stimme der Bewertung von Adi hier zu).

Ich habe mich also des Rucksacks entledigt und strebe, nur noch mit Fotoapparat und GPS behängt, aufwärts: das kleinsplittrige Gelände ist zwar gut zu erklettern, erfordert aber wegen beidseitiger Ausgesetztheit volle Konzentration. Den untersten Absatz werde ich später beim Abstieg auf einer unerwartet bequemen Spur westseitig umgehen! Man hält sich fast direkt an der Felsschneide, gelegentlich im Aufstiegssinne ein kleines bißchen links (selten rechts) ausweichend. Einmal wird der Felskamm zum Reitgrat, mit einem kleinen spitzen Zacken bewehrt - hier kann man aber leidlich gut 2m links unterhalb queren.

Nach ca 20 Minuten ist der felsige Abschnitt bezwungen, und ich stehe am Beginn der knapp 200 m hohen Schrofenflanke, die nun steil, aber unschwierig zum höchsten Punkt der Cima di Ghez (2715 m) hinaufführt. Schließlich erreiche ich 5 1/2 Std. nach Abmarsch deren Gipfel, er ist mit einem kleinen Metallkreuz markiert , das Gipfelbuch findet sich im zugehörigen Steinhaufen, gut verpackt in Plastikfolien.

Die Cima di Ghez ist ein großartiger Aussichtspunkt, und speziell die Hauptgruppe der Brenta liegt zum Greifen nahe gegenüber - nur auf der Tosa liegen noch letzte Schneereste, alle anderen Berge sind ziemlich abgetaut. Jetzt, gegen 11 Uhr, ist heute der berühmt-berüchtigte Brentanebel noch nicht aufgezogen - ich spaziere auf dem geräumigen Gipfelplateau umher und freue mich am gelungen Aufstieg.

Der Rückweg verläuft schließlich auf dem Anstiegsweg - ich überlege zwar noch, ihn mit einem Abstieg zur Malga Ben als Rundweg zu gestalten, aber die sehr steilen Schrofenhänge dort hinunter schrecken mich ab. Auch von der Besteigung der Cima della Saette sehe ich nach einem kurzen Versuch ab - die Hänge dort hinauf sind ebenfalls sehr steil, obwohl das im ersten Moment nicht so aussieht.

Cima di Ghez, die keltische Ziegenspitze - wer einmal totale Einsamkeit sucht, dem sei dieser großartige Berg in der südlichen Brenta wärmstens empfohlen!

Tourengänger: gero


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Geodaten
 35721.gpx Von La Ri auf die Cima di Ghez

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Kommentare (4)


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bergteufel hat gesagt: da steppt der Bär...
Gesendet am 18. Juni 2017 um 13:43
Servus gero,

eine feine Bergtour hast da g`macht. Und einen super Bericht geschrieben, bei dem man so schön mitwandern kann. Das unberührte Trentino ist immer einen Besuch wert. Allerdings, das Highlight wäre ein "Bärentreffen" gewesen.
Beste Grüße Rudi

gero hat gesagt: RE:da steppt der Bär...
Gesendet am 18. Juni 2017 um 15:19
Servus Rudi,

ja, das war wieder eine feine Unternehmung, ich liebe Südtirol, seine Wärme und das beständige Wetter über der großen Berglandschaft. Auf der Heimfahrt hatte es dann satte 34°C drunten im Etschtal - für manchen a Plag, für mich ein Traum!

Auf das Bärenhighlight allerdings kann ich gern verzichten - angeblich hauen die Viecher ja rechtzeitig ab, aber weiß man es? Andererseits sind sie ja auch neugierig und versuchen mal einen Hieb mit der Tatze. Da schaug'st dann ziemlich alt aus!
Ne, lieber nicht - da bin ich lieber ein Feigling, und als Alleingänger schon sowieso!

Gruß zurück vom gero

ADI hat gesagt:
Gesendet am 19. Juni 2017 um 16:51
Hey, Gero....klasse, Erinnerungen werden wach.....ist schon eine sehr lohnende Tour!

Beste Grüße aus Monaco vom

ADI

Felix hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2017 um 12:45
sehr einsam - wenn denn kein Bär auftaucht - wild und beeindruckend!

lg Felix


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