Mattenstand über die Barlouene (Nordroute) via untere Roseflue


Publiziert von amphibol , 20. Juli 2016 um 22:52.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Berner Voralpen
Tour Datum:17 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1101 m
Abstieg: 230 m
Strecke:Unders Lindital - Einstieg 11. Kurve von unten - Barlouene (Graben Richtung Reutiglücke) -ostlicher Teil der Roseflue - Mattelücke - Mattestand - Matte
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Fahrrad bis unters Lindital
Zufahrt zum Ankunftspunkt:-
Unterkunftmöglichkeiten:Niederstocken, Reutigen, Wimmis, Erlenbach
Kartennummer:Thun

Altmännertour auf den Mattestand via Barlouene


Mike und ich sprachen schon ab und an mal über die Begehung der Barlouene als Aufstiegsroute zur Nüschlete via Mattenstand. Die Barlouene ist eine steile Rinne unterhalb der Nüschlete, die nur wenig durch Wald bewachsen ist, weil sie im Winter, wie ihr Name es bereits vorwegnimmt, regelmässig durch Lawinen verschüttet wird. Ihre durchschnittliche Neigung ist zwischen 40 und 50 Grad, oft relativ feucht weil nicht viel Sonneneinstrahlung eintritt und wild in ihrer Erscheinung.

Zur Geografie:
Die Stockhornkette dieses Abschnitts, also zwischen Moosflue im Osten und Solhorn im Westen und davon vor allem die Nordseite ist ein sehr wildes und vegetativ dicht bewachsenes Gebiet, das selten bis nie begangen wird. Einzelne Routen findet man in den interessanten Beschreibungen von Lorenzo, der eben die Barloune und den Gang (Judengang) unterhalb des Chummlis am Stockhornostsporn bereits auf hikr.org beschrieben hat. Andere Routen - deren gibt es trotz garstiger und abweisend steilen Hängen trotzdem einige. Eine mir augenfällige Route ist auch jener Quergang unterhalb des Solhorns der vom Lindital von Ost nach West über ein leicht gestuftes Fels- und Grasband führt, daher unter Umständen ebenfalls begehbar wäre. Dies aber nur eine Ahnung ohne etwas in der Literatur gesucht oder gar gelesen zu haben. 

Die Nüschlete welche das Hauptmassiv mit einer unwahrscheinlichen Nordwand, Teile davon die Roseflue bildet, ist das auffälligste Element dieses Abschnitts. Neben der steilen Rinne Barlouene führt die Lengi Louene von der Ostseite, also eher von der Moosflue auf die Reutiglücke die ebenfalls begehbar ist und im "Pass" Reutiglücke hinter, bzw. südlich des Kanzli (Felskopf etwa 80m nordnordwestlich der Reutiglücke) mit der Barlouene zusammenkommt. Die Lengi Louene ist diesen Frühling "Opfer" eines mittelgrossen Bergsturzes gewesen, weswegen eine Begehung im Moment wohl eher ein Risiko wäre. Es liegen daher etliche Tonnen "frischer" Stein und Fels in der Lengi Louene. 

Unser Plan war es, die Barlouene zu begehen, danach vor dem Mattestand im südwestgerichteten Grasscouloir auf die Südseite der Nüschlete auf den Grat zu steigen. Diese wollten wir dann überschreiten und bis aufs Stockhorn, Abstieg über den Strüssligrat, den alten Schafweg zurück ins Lindital zu den Fahrrädern. 

Doch es kam anders, auf interessante Weise. Es war uns vor allem ein Anliegen, dieses Gebiet etwas besser zu erkunden und mögliche Alternativen zur Barlouene anzusehen. Aber nur anzusehen.. ;-)

Tour durch die wilde Barlouene

Mit dem Bike fuhren wir vergangenen Sonntag bis in die 11. Kurve, wo der Weg abflacht und kurzzeitig in einer langen Schlaufe nach einer kleinen Wiese auf der rechten Seite leicht gegen links dreht. Dort stellten wir die Fahrräder ab und machten uns einsatzbereit. Mit dem Helm auf dem Kopf zogen wir direkt hoch zuerst durch Brennesseln in die dicht bewachsenen Hänge auf dem leicht gebeugten Rücken gegen Norden zu. Bald einmal lichtet sich der Wald und wir gelangten in die Barlouene, die eben gegeben durch die Lawinen waldfrei vor uns liegt. Von da an ist der Weg nicht schwierig zu finden. Einzig an einem Scheidepunkt der Barlouene getrennt durch einen Sporn entscheiden wir uns links (östlich) zu gehen. Ab und zu steigen wir auf Restschnee auf und kommen zu einem ersten Nadelöhr in Form von fein geschichtetem feuchten Fels durchsetzt mit Moos und Flechten. Die Passage gehen wir zuerst direkt über den Fels und bei zunehmender Steilheit dann links in einem sehr steilen Schrofenstück. Mit dem Pickel kommen wir aber gut hoch und erreichen gegen rechts wiederum die Rinne. Danach steigen wir wiederum leicht hoch mitten in der eben besagten Rinne. Etwas weiter oben meinen wir, bereits die Reutiglücke zu sehen, was aber bei weitem zu täuschen vermag. Denn oben links ist erst das Kanzli von seiner Nordseite zu sehen, oberhalb dessen sich erst die Reutiglücke befindet. 

Ausflug in die östliche Rosenflue, unterhalb der Tannegg

Wir schritten weiter in der Rinne (Barlouene) und verpassten es ca. auf Höhenlinie 1300 auf dem leichten aber unübersichtlichen Rücken zu bleiben. Statt dessen blieben wir in der Rinne die uns ab 1300m bereits erste Kletterpassagen abverlangt. Der Fels ist oftmals nur wenig strukturiert und teilweise etwas feucht, was zu besonderer Vorsicht ermahnte. Jedenfalls war es da nicht nicht ausgesetzt, da immer wieder Garsbänder den Fels durchbrechen. In der Rinne, die sich stetig verengt, seilten wir nun an und kletterten gesichert weiter. 3 nicht ganz triviale Seillängen (abwechselnd in Schwierigkeit bis III) später immer noch in der Rinne standen wir vor einem engen, feuchten Felsverschnitt. Nicht trivial war die Geschichte, weil viele Felsstücke relativ lose sind und man stets aufpassen muss, dass nicht etwas abbricht. Die Kletterei ist aber bis hierhin mit Bandschlingen absicherbar und machte passagenweise richtig Spass. In der immer enger werdenden Rinne stieg ich so folgt etwa 15m vor. Etwas ungemütlich würde mir dann, denn es gibt keine Möglichkeit Klemmkeile oder Friends zu setzen. Der Fels bricht entweder beim Anfassen oder die Spalten sind a) zu klein und b) zu stark geöffnet um etwas gegen die Fallrichtung zu verankern. Auch Bandschlingen kann ich nirgends anbringen. Zudem ist es feucht und rutschig auf den Felsen. 

So schauen wir uns die Geschichte genau an und bemerken, dass ein Weiterkommen hier für uns nur möglich sein würde, könnten wir ein paar Fixpunkt à la Bohr- oder Klebhacken setzen. Doch das haben wir natürlich nicht dabei. So hiess es, die rund 15m wieder ungesichert abzusteigen. Einzig um unteren Teil konnte ich das Seil um eine aufspitzende Felsplatte hängen, damit mich Mike von unten sichern konnte. 

Nun, die Devise war dann wieder zurück. Wir hätten abseilen können, denn unten gab es Möglichkeiten dazu. Doch nach wenigen Metern konsultierten wir wiederholt die Karte und bemerkten, dass wir doch etwas weit links der einfachsten Route auf den Mattestand waren. Daneben aber ebenfalls augenscheinlich wurde uns ein gegen links oben sich auftürmender Quergang über steilen Fels mit Grasbändern durchsetzt. Auch konnte man, so unsere Beurteilung, zwei Bandschlinge anbringen. Dieser Quergang sollte uns auf einen steilen Grat führen, der aber durch einzelne kleinere Tannen bewachsen ist.

Oben ist daher ein Stand an einer mittelgrossen Tanne möglich. So stieg ich wieder vor, hängte die Bandschlinge ein und weiter oben einen Friend und trotzdem - jetzt im Nachhinein betrachtet - war es die heikelste Passage der ganzen Tour, da die Tritte nur so-so-là-là stabil waren und die Klettereinlage doch auch einiges an meinen beschränkten Fähigkeiten abverlangte (IV). Bei der Tanne angelangt, war ich erst mal ordentlich froh "Stand" zu rufen und sah kurz in die Tiefe hinter mir runter, ordentlich...

Danach folgten zwei Seillängen in grossen Felstritten durchbrochen mit sehr steilen Grasbänder (um die 60 Grad). Doch immer wieder fanden wir gute Stände und fanden so unseren Weg über diesen steilen Rücken. Irgendwie entsprach die Tour jetzt erst recht unserem Geschmack, auch wenn sie anstrengend und etwas nervenaufreibend geworden ist. Im Wissen darum, dass wir von jetzt an, sollte es nicht weiter gehen, immer noch abseilen konnten. 

Nach einer weiteren heiklen Querung, diesmal aber gut gesichert, erreichten wir weiter rechts einen weiteren Rücken, den wir in drei weiteren SL etwas rechts der Gratscheide abschüssig erkletterten (bis III). 

Direkt auf der Gratscheide angekommen, die durch eine grosse prosperierende Tanne bewachsen ist, sahen wir die Möglichkeit, nach nachmaliger Konsultation der Karte, von da an die rund 20m auf einen relativ flachen Zwischenboden abzuseilen. Gegenüber führte uns dann eine steile aber gut begehbare Grasrinne (45-50 Grad) nach Südosten und nochmals auf einen leichten Gratrücken. Oben machten wir mal eine Pause zum Verschnaufen. 

Der weitere Weg führte dann in weniger steilem Gras in eine Verengung, die nochmals steiler wird und uns in die flacheren Gebiete unterhalb des Mattenstand brachte. Danach links des grossen spitzen Kalkfelsen auf einer moderat steilen Wiese auf den Grat, der uns dann in wenigen Gehminuten auf den Mattestand begleitetet. 

Wir waren etwas geschafft aber glücklich und bereichert durch diese wunderbare Erfahrung. Wir sprachen über die Rinne und eine mögliche Begehung, irgendwann mal. Die Rinne würde auf den Nüschletegart auf rund 1820 etwas westlich des Gipfels der Nüschlete führen ist aber im ganzen Bereich ähnlich steil wie der Rücken, den wir über nur wenige SL begangen sind. Wenn man das pièce de résistance überwindet, stellt sich die Frage in der Folge weiter, ob machbar oder nicht, was wir nicht zu eruieren vermochten. Interessant bliebe es aber trotzdem. 

Material: 30m Seil, 6 Expresse, 1 Friend mittlerer Grösse, Klemmkeile eher klein (nicht verwendet, kann aber durchaus zum Einsatz kommen), Steigeisen, Pickel (sehr wichtig), Bandschlingen und Tuber.
Eisgeräte könnten je nach dem auch noch hilfreich sein.

Danke an Mike, war eine sehr interessante Tour und Erfahrung und grossen Dank an Martin, der uns das nötige Material zur Planung mitgab und selber ein erfahrener Barlouenebegeher ist.

Tourengänger: amphibol


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Kommentare (2)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 21. Juli 2016 um 07:53
Moin,

Ich habe eure Route gerade eben durchs Zugfenster bestaunt; eine schöne Sache! Abenteuer vor der Haustür gehören doch zum Allerbesten...

Lg, zaza

amphibol hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juli 2016 um 19:37
Hallo zaza
Merci für den Kommentar. Das ist so und auch wenn das Gebiet vergleichsweise klein, gäbe es noch das eine oder andere zu erkunden. Mir ist irgendwie danach, von dieser Seite eine begehbare Route auf die Nüschlete zu finden, aber direkt. :-)

Wer weiss, vielleicht kann meinen Tourenpartner dafür begeistern. Es braucht wohl noch die eine oder andere Erkundung.
Lg, amphibol


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