Croce Rossa (3566 m) mit Seebiwak bei mystischem Licht (la Croix Rousse)


Publiziert von lampbarone , 1. Januar 2016 um 00:00.

Region: Welt » Italien » Piemont
Tour Datum: 1 September 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: I   F 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Usseglio - in Villaretto rechts ab - 3,3 km auf schmaler Zufahrtsstraße
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Luigi Cibrario

Mein erster (richtiger) Bericht...
Die Croce Rossa (Höhenangaben schwanken) ist hier bereits mehrfach erwähnt worden, z.B. in der Diskussion um die höchsten "Wanderberge" der Alpen, mehrfach von weitem fotografiert und als Wegpunkt eingetragen, doch bisher hat niemand die "hikr-Erstbesteigung" gewagt  ;)
Überhaupt ist die hikr - Landkarte in den Zentralalpen schon ziemlich komplett, wohl auch durch die Berichte häufig gelesener Stammschreiber, während es vor allem im Westen und Süden noch einige weiße Flecken gibt, sogar von wirklich lohnenden und nicht unbedeutenden Gipfeln. So bin ich jetzt selbst mal gespannt, wer (zumindest virtuell) den weiten Weg an die französisch-italienische Grenze findet...

Um es vorweg zu nehmen: Wanderberg ... ja, aber mit Einschränkungen. So werden die letzten Meter unter dem Gipfel gröber und schuttiger und einmal ging es nicht ohne Hände (was ich in der Wertung T4 eingepreist habe). Jedenfalls schon eine Nummer anspruchsvoller, als Rocciamelone und Kreuzpitze, die für mich echte Wanderberge waren. Wobei sicher auch die gut 2000 Höhenmeter Aufstieg eine Rolle spielen. Dafür wird man entschädigt durch eine landschaftlich äußerst lohnende und abwechslungsreiche Tour. Die Krönung wäre sicher gewesen, wenn mir das Wetter bessere Fernsicht beschert hätte - dafür habe ich mehrfach eine unvergleichlich mystische Stimmung erlebt, man kann nicht alles haben :)

Die Croce Rossa kann man auf mehrere Wege besteigen:
  • Der "Normalweg" beginnt direkt im Ort Margone, bei 2100 Höhenmetern Aufstieg der sich von Beginn an landschaftlich lohnen dürfte
  • Spannend ist der Aufstieg vom Lago di Malciaussia. Von dort kann man in 3 verschiedene Himmelsrichtungen 3 verschiedene Gipfel über 3500 m erreichen: Croce Rossa, Pointe du Ribon und Rocciamelone über einen Höhenweg. Der Nachteil ist nur, dass man von der Colle Sule (3072 m) nochmal gut 400 m zum Rifugio in steilem Schutt absteigen muss, was den Aufstieg trotz höherem Startpunkt auf über 2200 m summiert.
  • Einige Meter Weg, aber nur 100 Höhenmeter sparen kann man, wenn man in Villaretto hinter Usseglio eine schmale Zufahrtsstrasse ca. 3,3 km hoch fährt bis zum Wegweiser "Rifugio Luigi Cibrario". Dort, sowie 50 m weiter gibt es ein paar Parkmöglichkeiten am Straßenrand.
  • Freunde längerer (Mehrtages-) Touren können im nördlichen Nachbartal starten und über den Lago della Rossa zum Rifugio, an dem ohnehin alle Wege vorbei vorbeiführen.
  • Was ich vor meiner Tour (im Nachhinein zum Glück ;) ) nicht wusste, Fußkranke und Autofahrer könnten von Variante 3 noch weiter hochfahren, dazu später im Bericht mehr.
Die Wege bis zur Hütte sind beschildet, Steinmänner nicht nötig. Weiter zum Gipfel halte ich ein GPS für sinnvoll, insbesondere bei Nebel. In osm Karten ist der Weg bis zum Gipfel eingezeichnet.


Bevor es losgeht, noch die Vorgeschichte und persönliches. Rein bergtechnisch interessierte können wie auch in geplanten zukünftigen Berichten diesen Block überspringen. "Gefunden" habe ich die Croce Rossa hier bei Hikr schon vor längerem, damals noch auf der Suche nach dem höchsten "Wanderberg" jedes Alpenlandes. Inzwischen weiß ich, eine halbe Stufe schwerer geht noch :) und da ich keine Lust auf die überlaufene Zugspitze hatte, "sammle" ich inzwischen "Berggänger" Gipfel über 3500 m jeweils als Höhepunkt meiner mehrwöchigen Sommertour (dieses Jahr insgesamt 400 km bei fast 35.000 Höhenmetern). Dieser Gipfel war eigentlich schon 2014 als "Sahneberg" geplant, doch der Sommer war bekanntermaßen durchwachsen und nach Ausweichen auf Pyrenäen und Abruzzen und einem ungeplanten Schneeabstieg von der Rocciamelone habe ich dann verzichtet. So habe ich die Croce Rossa nun dieses Jahr an den "Sahneberg" 2015, die Pointe de Ronce drangehängt.

Die Anfahrt gestaltete sich mal wieder lampbaronetypisch...
Zwischendurch noch weiter im Norden gewesen, war ich abends zu müde zum Durchfahren. Also "Autobiwak" auf einem Parkplatz rund 50 km vor dem Ziel. Kann ja am nächsten Morgen nicht mehr so weit sein. Dann kam, was kommen musste: Mein Navi zeigte an einem Kreisel eine Abfahrt, die auf den ersten Blick "verboten" aussah. Da sich das gute Gerät an Kreiseln öfter verzählt, dachte ich mir nichts dabei und fuhr die nächste raus. "Route wird neu berechnet". OK, wird schon an der nächsten Kreuzung wieder auf den Weg finden. Es ging in Richtung eines Tals. Da es nicht so viele Alternativen gab, muss das wohl schon das richtige sein. Gut 15 km nach dem Kreisel sollte ich dann in eine kleinere Nebenstraße abbiegen. Kein Problem, Navi macht manchmal Abkürzungen. Die Straße hatte einige kleinere Abzweigungen und wurde dabei selbst schmaler. Plötzlich stand ich vor dem Tor einer Grundstückszufahrt. Lesebrille auf. Das Navi wollte mich tatsächlich über dieses Grundstück führen. Genauer geschaut. Alle anderen Wege enden auch. Es blieb wirklich nichts anderes übrig, als die 15 km zum Kreisel wieder zurück zu fahren, um dann ins richtige Tal abzubiegen. Ein Anwohner schaute schon etwas sparsam, also mangels Wendemöglichkeit erstmal rückwärts. Beim Richtungswechsel an einem Feldweg musste ich noch einem Trekker ausweichen und dann passierte es: Der Weg war eigentlich eine kleine Brücke über einem Minigraben und ich dem stand ich nun mit meinem Vorderrad. Das dreht durch (ich gleich auch), aber keine Chance, rauszukommen. Ausgestiegen, die Wagenmitte liegt auf, da komme ich nicht einmal mit einem Wagenheber drunter um ein Brett drunter zu schieben (wie "damals" in Dänemark am Strand).
Ich bräuchte jetzt einen Trekker, der mich wieder rauszieht. Dachte ich so. Lampbarone, Du bist ein Spätzünder. Ja, genau ... äh ... ein ... Trekker!!! So schnell bin ich noch nie einen Berg hochgelaufen. Was man nicht im Kopfe hat (...). Der Fahrer wirkte erst überrascht, dann freundlich, aber ich verstand seine Sprache nicht und er nichtmal mein gequältes Englisch. Irgendwie konnte ich mich dann mit Handzeichen verständlich machen. Zunächst versuchte er mangels Abschleppseil mein Auto anzuheben. Keine Chance. Dann fand er doch noch eine alte verrostete Eisenkette. Mille Grazie!!!

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Aufbruch dann also um 10:30 Uhr. Eine typische Lampbaronezeit (wie bei Barrhorn, Grande Sassiere und Pleureur). Über 2000 Höhenmeter noch in einem Tag hoch und runter ... wäre auch bei frühem Aufbruch bei meiner Langsamkeit nur eine unwahrscheinliche Option gewesen. Früher waren 2 Taschenlampen mein Markenzeichen, heute ist es ein fertig gepackter Rucksack mit Schlafsack, Biwaksack und Regensachen. Die Spiegelreflex muss dafür leider unten bleiben :(
Hatte ich ursprünglich noch mit Variante 2 geliebäugelt, fiel die Wahl nun auf die Nebenstraße. Unten im Ort stand ein Verbotsschild. Nach meinem Zögern sagte mir ein Anwohner bis 4 km seien erlaubt. Ganz bis oben zu einem Wasserspeicher wären es mehr gewesen und der Asphalt in Schotter übergegangen, also Startpunkt 3 bei km 3,3 am Schild zum Rifugio.

Mit Biwak konnte ich es nun eigentlich immer noch ruhiger angehen lassen. Meine gern besuchte norwegische Wetterseite (die das Wetter für fast jeden Alpengipfel liefert und zwar für oben, nicht wie andere im Tal) sagte stabiles Wetter bis zum nächsten Tag voraus, erst abends Regen.
Bereits die ersten Meter bieten eine eindrucksvolle Kulisse. Mit Handyfotos kaum wiederzugeben ein unglaubliches Grün! Der Weg geht zügig hoch auf einen Wasserfall zu, der aus einer Scharte von einem Hochtal kommt. Man soll sich aber nicht täuschen lassen, bis dahin sind es schon rund 600 Höhenmeter. Beinahe wäre ich den falschen Weg gegangen, der von Margone hochführt, aber wozu hat man ja gps...
Beim Aufstieg gilt es eine Schienentrasse zu queren, man denkt fast, man ist in der Schweiz ;) Aber nur fast, denn es ist eine stillgelegte Materialbahn. Das andere Ende werde ich noch am nächsten Tag auf dem Rückweg sehen.
Das Queren des Bachbettes gibt keine Probleme, darüber hat der Wasserfall einige fotogene Rinnen ausgewaschen, dann ein winziges Staubecken. Es geht nochmal ein gutes Stück hoch. Für meine Langsamkeit (sagte ich das schon?) erstaunlich schnell sah ich das Rifugio in einem weiten flachen Hochtal mit vielen kleinen mäanderförmigen Bachläufen. Ich wollte heute noch etwas Weg machen, außerdem fand ich diese Landschaft spannend, immerhin hatte ich im Gegensatz zu meiner letzten Tour mal die hohen (und halbwegs wasserdichten) Schuhe an. Also am Cibrario vorbei.
Am Ende des kleinen Hochtals musste ich dann feststellen, der Weg auf der gps Karte sieht anders aus. Nochmal keine  200 m flach zurück zur Hütte wäre ein leichtes, aber der Abenteuerbaron muss ja lieber die steile Abkürzung durch den Grashang nehmen. Steiler als es auf dem Foto aussieht siegte nach einigen try-and-error dann doch die Vernunft. Naja nicht ganz, ein Remis, ich querte nach rechts, um auf dem Weg zu treffen, wobei ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass es in dem steilen Gelände irgendwie wieder "normal" hoch geht. Es ging, aber bis dahin hatte ich wegen ein paar Metern Kampf gegen den Abstieg fast eine Stunde verschenkt, um dann vielleicht 200 m hinter der Hütte zu sein.
Ab jetzt ging es wieder zügig. Ein weiterer Wasserfall, gespeist von einem See, dem traumhaft schönen Lago Peraciaval! Traumhaft, ja fast schon mystisch (obwohl ich das Wort eigentlich erst für den nächsten Tag für das Licht reservieren wollte) war auch die Stimmung zwischen See, kleinen Hügeln und dem Nebel, zwischen dem nur kurzfristig mal ein Hauch der umliegenden Gipfel zu sehen war.
Längst hatte ich mich in den See "verliebt" und gleichzeitig mit einem Funken Vernunft festgestellt, dass es für einen heutigen Gipfelerfolg bei Tageslicht zu spät war. Also stand der Beschluss zum Seebiwak.  Bis jetzt noch in kurzer Hose unterwegs (was ich in den Bergen nicht oft mache, vor allem bei wechselhaftem Wetter, doch der Aufstieg war selbst für mich Frostbeule ziemlich erwärmend), gabs jetzt gleich 3 Lagen Kleidung inclusive der langen drunter :)
Jetzt hatte ich plötzlich wieder viel Zeit. Eine Genußrunde um den See, ohne den schweren Rucksack gefühlt wie eine Feder im Wind. Erstaunlicherweise hatte ich hier kurz Handyempfang, den es sonst weder am Gipfel (!) noch an der Hütte gab. Der angesagte Niederschlag für den nächsten Tag konkretisierte sich auf eine Stunde Regen um 17 Uhr. Bis dahin wollte ich dann bis zur Hütte runter sein und die Stunde bei warmer Suppe verbringen. Dachte ich zumindest.

Zur Biwaknacht ist diesmal mit bewährter Ausrüstung nicht viel zu sagen. Ich suche bewusst Stellen, an denen ich nicht so auffalle, hier hinter einem großen Stein, der gleichzeitig etwas Windschutz bietet - allerdings wird hier diese Nacht garantiert keiner mehr vorbei kommen. Ein Hubschrauber stand einige Zeit nur wenig hinter dem See, aber der galt nicht mir. Kalt wars. Und als normalerweise Bauchschläfer empfinde ich es trotz der eigentlich komfortablen Isomatte irgendwie einengend in der atmungsaktiven Frischalteverpackung. Aber ich will ja unbedingt hart sein, ohne Zelt in der Natur hausen  ;) Gefühlt drei Dutzend mal wach, beschloss ich irgendwann die Weckzeit um eine Stunde zu verschieben, ich werde ja eh vorher wach und ein schöner Sonnenaufgang war nicht zu erwarten. Das wurde ich dann auch, aber nur wenige Minuten vor der Melodie. Man schläft also doch, selbst wenn man glaubt, nur wach zu liegen und Sterne zu zählen. Erst noch relativ gemütlich, obwohl der Schlafsack bei dem Wetter eh kaum trocknet, schaute ich nochmal ins Netz. Plötzlich hatte sich der angesagte mittlere Regen (9 mm/m²) von 17 Uhr in einen Starkregen von 17 mm/m² um 11 Uhr gewandelt! Ich hasse diese Wetterfrösche!!!
Ohne Gipfel umkehren nach schon so vielen Höhenmetern? Ich hatte ja Regensachen dabei, also los! Hauptsache kein Schnee, wie vor einem Jahr an der Rocciamelone. Immer mit der Absicht, wenn das Gelände zu schwer wird, umzukehren oder wenigstens unterhalb der ersten Kletterstelle vor dem Regen zurück zu sein. Bis hier war das Gelände ja absolut unproblematisch. Ich hatte 4 Stunden für 800 Meter hoch und so weit wie möglich wieder runter. Für Bergläufer und Rennziegen kein Problem, aber sagte ich schon, dass ich als Nordlicht am Berg relativ langsam bin?
Der Weg wurde dann schnell anstrengender und schottriger, aber immer noch machbar (T3). Dafür entschädigte mich die Landschaft mit einem - jetzt sag ichs - mystischen und angesichts des zu erwartenden (Un-)Wetters schaurig schönen Licht!
Wie so oft, der von unten angenommene Gipfel ist nur ein Vorvorgipfel, es zieht sich. Nach einem kleinen Pass geht es kurz  flacher, dann wird das Gelände gröber. Der angesagte Starkregen kam dann noch eine Stunde früher, aber nur als kleiner Hagel, genau an der ersten (und einzigen, aber das weiß man an den Punkt noch nicht) leichten Kletterstelle. Kurzes Innehalten und erneute Abbruchgedanken, dann wird es wieder heller. Nur noch 50 m bis zum Gipfel. Jetzt gibt es kein zurück.

Verständlicherweise hätte ich mir eine bessere Fernsicht gewünscht, so blieb es eben ... mystisch. Laut dem vielzitiertem Panoramagenerator von U. Deuschle hätte ich im Osten sehr weit in die italienische Tiefebene blicken können, im Süden neben dem unvermeidlichen Monviso ;) bis zu den äußersten Seealpen, wo ich am Ende meiner Tour noch war. Im Westen bis zum Ecrinmassiv, im Norden hätte sich die gesamte Prominenz vom Mont Blanc über Gran Paradiso bis zum Matterhorn aufgestellt. So blieb es bei der Pointe du Ribon und Rocciamelone im Süden und kurzzeitig der dominanten Pointe de Charbonel im Westen. Im Norden die Ouille d´Arbéron sah aus, als wäre sie von Westen machbar. Und dann kurz, ja ganz kurz und schemenhaft konnte man fast senkrecht die Nordwand auf den Lago della Rossa hinunterschauen!

Angesichts des kalten Windes hielt es mich entgegen sonstiger Gewohnheiten nicht lange oben. Nach dem großen Regen sah es nicht mehr aus, er hätte sich inzwischen auch verspätet, das gilt nicht mehr  ;) Also gemütlicher Abstieg. Gemütlich, wie das klingt, meine Knie sahen das trotzdem anders...
Unterwegs noch ein Blick auf den Lago di Bertá, der mir auf dem Hinweg im Rücken gar nicht aufgefallen war und irgendwie an den schrägen Hang geklebt zu sein schien.
Wieder am schönen See vorbei hinab zur Hütte, mittlerweile ist es doch Nachmittag geworden. Wenn der ursprünglich prophezeite Regen sich an die Abmachungen gehalten hätte, wäre ich pünktlich vor 17 Uhr bei der warmen Suppe gewesen. Suppe? An der fast leeren Hütte war man wohl schon in Vorbereitung des Abendessens. Freundlicherweise machte man mir doch eine Ausnahme, während ich über den Verlauf meines Abstieges nachdachte. Ich musste ja noch rund 1000 Höhenmeter absteigen. Für den Taschenlampenbaron wäre die Dämmerung kein Problem, aber ich hatte irgendwie keine Antrieb oder besser Abtrieb. Viereinhalb Biwaknächte im Freien (die in der Verdonschlucht zähle ich nur halb, da ohne Biwaksack bei angenehmeren Temperaturen) hatte ich ja schon in diesem Sommer absolviert, da kann ein Trockenraum für den Schlafsack auch nicht schaden, zumal ein Inlet für die Hütte reichte. Während ich sonst (überfüllte) Hütten meide wie Graf D. das Sonnenlicht, hatte ich diesmal Lust zu bleiben!

An dieser Stelle möchte ich noch einfügen: Der Wirt wollte wissen, wo ich denn her komme und wo ich letzte Nacht geschlafen habe. Ich war etwas verunsichert, hatte ich doch schon in einigen Berichten gelesen, dass es bei Hüttenwirten verpönt ist, wenn man irgendwo im Freien schläft. Ich war etwas zögerlich, erzählte es dann aber doch, etwas nach Ausreden suchend, dass ich eigentlich am Abend noch hoch wollte und ich bei Alleingängen die Biwaksachen immer zur Sicherheit dabei habe. Der Wirt war allerdings überhaupt nicht düpiert, im Gegenteil, er hat sich meinen Biwaksack angeschaut und wollte alles ganz genau wissen, wie ich das mache. - Am nächsten Morgen, als ich mich noch ins Hüttenbuch eintragen sollte, erfuhr ich auch den Grund für die Anfangsfrage: Man trägt sich ein, woher man kommt und zu welcher Hütte man als nächstes will, damit im Notfall jemand bescheid weiß. War das der Grund für den gestrigen Hubschrauberflug?

Ich bekam ein 6-er Zimmer ganz für mich allein. Trotz etwas begrenzter Ausdrucksmöglichkeiten in Englisch wurde ich sehr freundlich aufgenommen. An anderen Gästen war nur noch ein französisches Ehepaar da und eine italienische Familie, die mit dem Hüttenwirtspaar verwandt zu sein schien (vielleicht sind Italiener auch nur immer so familär ;) ). Es gab 6 oder 7 Gänge, so genau weiß ich das gar nicht mehr, der Wirt sorgte dafür, dass ich immer genug Hüttenwein im Becher hatte  ;) Die Nacht in einem richtigen Bett war traumhaft!

Am nächsten Morgen bei hellerem Wetter fand ich es dann viel zu schade, einfach nur wie geplant abzusteigen. Also nutzte ich den gewonnenen Tag und stieg ich noch nach Norden über den Colle Altare weiter zum Lago della Rossa. Am Pass sah ich ein paar Steinböcke, die mir sonst auf dieser Westalpentour ausnahmsweise mal gefehlt hätten. Der See war etwas größer als die vorherigen natürlichen Bergseen und an der Staumauer wurde offensichtlich gerade gearbeitet. Der Anblick diesmal nicht so überwältigend, dafür zeigte sich in den Wolken zeitweise die Nordwand des gestrigen Gipfels, leider nicht bis oben. Nochmal ein kleiner Aufstieg, so kommen die Höhenmeter zusammen.
Reife Blaubeeren auf rund 2600 m, hoffentlich ohne Fuchsbandwurm (im Vorjahr hatte ich bei Erkundungen am Lago di Malciaussia auf 1800 m einen gesehen, neben Eseln, die da einfach so auf der Straße standen). Arbeiter kamen mir entgegen und schienen sich zu wundern was ich Mensch auf diesem Weg allein mache.
Etwas weiter führte der Fußweg auf eine Schotterstraße, wo zwei Geländefahrzeuge offenbar vom Staudamm kommend runterheizten. Diese wurde dann ab dem Lago dietro la Torre, anscheinend ein Pumspeicherwerk, etwas weniger wild, aber immer noch unbefestigt. Hier wollte ich die Fahrstraße absteigen, die zwangsläufig zu meinem Auto führt. Agressiv bellende Hunde lenkten meine Schritte zunächst zu den Schienen der Materialbahn, über die ich erst quer zum Hang auf den Hinweg gekommen wäre. Von dieser wäre schon früh ein Weg zur Hütte abgezweigt, der diese mit nur 300 m Aufstieg fast quer zum Hang erreicht. Man hätte das Rifugio (und damit die Croce Rossa) also doch mit wesentlich weniger Höhenmetern erreichen können. Ob man darf ist eine andere Sache, und ich wollte ja auch wandern und nicht in der Blechkutsche hochrumpeln. Zumindest sah ich hier von weitem noch die Familie vom Vorabend, die offenbar bis hier hochgefahren ist. Dreieinhalb Parkplätze und zwei Wohnwagen (letztere vermutlich von den Arbeitern, wie auch die Vierbeiner) gab es am Wegrand.

Die Hunde beruhigten sich wieder, nun ging ich doch die Fahrstraße hinunter, die den Vorteil hat, dass man auf Autopilot schalten kann. Auf dem Weg kam noch ein etwa 350 m langer schmaler Tunnel mit einem Tor genau in der Mitte. Das war zwar auf, ansonsten hätten die Autos diese halbe Strecke wieder rückwärts fahren müssen. Es roch innen nach Diesel, doch auch zu Fuß war der Tunnel im steilen Gelände nicht zu umgehen. Wer Zeit hat, geht vielleicht besser der Bahn nach bis zu meinem Aufstiegsweg. Dann noch zwei nicht ganz senkrechte, aber hohe Wasserfälle. Bei einem so langen monotonen Weg beginnt man manchmal zu grübeln, warum man solche langen Touren macht, doch das erzähle ich ein anderes Mal...

Das Ende war etwas langatmig. Die restliche Tour auf meinen 7. Gipfel über 3500 m ein Traum! In den 2 Tagen von der Hütte bis zum Gipfel bin ich keinem Menschen begegnet.


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Ich wurde hier schon mehrfach gefragt, warum ich trotz eifrigen Lesens  bisher selbst noch keine Berichte geschrieben habe. So, jetzt ist es raus, ich kann mich einfach nicht kurz fassen  ;)
Zum Material und Biwakieren schreibe ich mal in meinem Obiou Bericht mehr Details. Helm und Sicherung braucht man bei einwandfreien Verhältnissen hier nicht, ich gebe allerdings (möglichen unerfahrenen) zu bedenken, dass man bei der Höhe auch im Sommer das Wetter nicht unterschätzen sollte. Wer Fragen hat oder meint, dass was wichtiges fehlt, darf mich gern anschreiben.





Tourengänger: lampbarone


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Kommentare (4)


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Seeger hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 25. Januar 2016 um 20:28
Hallo Stirnlampenfan
Sensationeller Bericht!
Super Fotos!
Tolle Tourenwahl!
Dein Stirnlampenkollege
Andreas
P.S.: Freue mich schon auf den nächsten Bericht :-))

rojosuiza hat gesagt:
Gesendet am 5. Februar 2016 um 10:50
de kogel is door de kerk!

Lampbarone hat fürwahr einen Bericht geschrieben - und ich merke es erst jetzt.

Bravo! Weiter so...

wandi hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. Juni 2016 um 16:36
jo, thanx für den super bericht!

...& die gipfelbenennungen bei den fotos, was für ein akt.

lampbarone hat gesagt:
Gesendet am 25. September 2016 um 08:59
Vielen Dank!
Und siehe da, es hat mich ermutigt, noch einen zu schreiben, sogar direkt von unterwegs ;)

@ Seeger: Nur eines muss ich etwas korrigieren: Die Stirnlampe blieb schon immer als Reserve im Rucksack, meist bin ich mit stark gedimmter Taschenlampe unterwegs gewesen, um in der Natur nicht so aufzufallen. In neuerem Zeiten ist jedoch der Biwaksack immer mehr zu meinem Markenzeichen geworden, oft mit Übernachtung direkt auf dem Gipfel...


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