Couloir Jagd hoch 3 im Bedretto Süd


Publiziert von danski , 14. Dezember 2014 um 12:03.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:12 Dezember 2014
Ski Schwierigkeit: S+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo San Giacomo   I   Gruppo Grieshorn   Gruppo Cristallina 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:All'Acqua - Val d'Olgia - Pizzo Grandinagia; Abfahrt via NW-Couloir - Btta di Formazzora - Pizzo San Giacomo; Abfahrt via SE-Couloir - Marchhorn; Abfahrt via N-Couloir

Nach dem wir im März 2014 auf der nördlichen Talseite des Bedretto die "King Line" http://www.hikr.org/tour/post77717.html erfahren konnten, war es nun an der Zeit, ihr südseitiges Pendant zu testen. Es wartet ebenfalls mit drei, bzw. vier Gipfeln und einer Handvoll anspruchsvoller Abfahrten durch enge Gneis-Korridore auf. Mit diesem bestechenden Plan in unseren Köpfen pilgerten wir zuversichtlich fast auf den Tag genau 9 Monate nach der "King Line" einmal mehr nach All'Acqua.

Pizzo Grandinagia, NW-Couloir

An diesem Freitag empfängt uns in All'Acqua eine fast schon andächtige Ruhe. Nur drei weitere Tourengänger machen sich am wolkenlosen Morgen auf ihre verschiedenen Wege. Wir schlagen zügig die Route Richtung Pizzo Grandinagia, 2700m, ein, dessen Wintergipel rund 1100m direkt über dem Ausgangspunkt thront. Auf harter Spur kommen wir schnell voran und geniessen das Lichtspektakel am Rotondo und Konsorten. Mit etwas geschickter Routenwahl sind Harscheisen nicht zwingend notwendig. Spätestens ab der Alp Val d'Olgia lenkt das NW-Couloir am Grandinagia unserer Aufmerksamkeit auf sich. Keine Spur und gut eingeschneit, sorgt es für zusätzliche Motivation und so stehen wir nach ca. 2 Stunden bereits auf dem Gipfel. Zum ersten Mal an diesem Tag geniessen wir wärmende Sonnenstrahlen. Der Vorschlag, den Hauptgipfel zu besteigen, lassen wir schnell zu Gunsten der Abfahrt fallen. Mit dem Gipfel lassen wir auch die Sonne zurück und tauchen erneut in den Schatten. Die Einfahrt in die ca. 40° steilen NW-Hänge, die sich allesamt in Couloirs verengen, ist schnell gefunden. Vorsichtig queren wir hinein, denn die Schneeoberfläche sieht alles andere als homogen aus. Eine Mulde verspricht guten, pulvrigen Schnee und so lassen wir es bald laufen, bevor eine steile Traverse ins rechte Exit-Couloir führt. Nach dem "Hui" folgt nun das "Pfui" unserer ersten Abfahrt. Eine dicke, aber brüchige Kruste auf Griesschnee der wiederum auf einem brüchigen Fundament liegt, lässt kaum flüssiges Fahren zu. Naja, survival skiing gehört eben auch zum Repertoire eines jeden von uns... Im schattigen Kessel unterhalb der Btta di Formazzora ist der wilde Ritt zu Ende und wir bereiten uns auf den Anstieg zu dieser vor.

Pizzo San Giacomo (fast), SE-Couloir

Als nächstes Ziel des Tages steht die Haifischflosse des beeindruckenden Pizzo San Giacomo, 2924m, auf dem Programm. Zuerst müssen wir die düstere und windige Seite der Btta di Formazzora, 2687m, erklimmen. Was für eine Wohltat, sich auf dem Pass endlich in der gleissenden Tessiner Sonne zu wärmen. Chris ist uns weit voraus und hängt noch rasch den Pizzo Cavagnöö, 2837m, an. Nic und ich ziehen einem zusätzlichen Gipfel einen gemütlichen und windstillen Rastplatz vor. Frisch gestärkt spuren wir sonnseitig zum unteren Ende des kurzen, aber steilen San Giacomo SE-Couloir. Wir nehmen es gleich in Angriff und geniessen wenig später einen atemberaubenden Blick in die wilde Nordflanke. So muss es in Alaska aussehen! Der Weiterweg zum Gipfel wird durch einen ca. 5m hohen, steilen Felsaufschwung versperrt. Kletterei im II-Grad mit Skis auf dem Rucksack erwartet uns. Nach einem 1. Versuch stellt sich das Unterfangen als nicht ganz trivial heraus und schliesslich lockt das schöne Couloir, während sich gleichzeitig dunkle Wolkenpakete rasch von Westen nähern. Abbruch und Abfahrt. Nicht mehr als 10m hätten gefehlt... Was solls, umso fokussierter nehmen wir uns jetzt das enge SE-Couloir vor. Stabiler, kompakter Pulver erfordert eine solide Technik und so arbeiten wir uns nach unten, um kurz darauf abermals anzufellen und die verbleibenden 220HM zum Marchhorn, 2962m, unter die Skis zu nehmen.

Marchhorn, N-Couloir

Mit nicht mehr ganz frischen Beinen gehts nun nicht ganz so flott, aber immer noch zügig genug zum Gipfel. Nur kurz schenken wir der Bergwelt auf dem Marchhorn einen Rundblick. Ein zügiger Wind pfeift uns um die Ohren und die Sonne kämpft immer wieder mit dicken Wolkenpaketen. Eine Stimmung, die nicht zum Verweilen einlädt, aber dafür sind wir ja auch nicht auf diesen Berg gekommen. Ein weiteres Abfahrtshighlight steht nämlich auf dem Programm: Das Nordcouloir zwischen Marchhorn und Pizzo San Giacomo http://www.hikr.org/tour/post76983.html. Mehrere verblasene Spuren ziehen zur steilen, wächtengekrönten Einfahrt. Ein kontrollierter Sprung muss beherrscht werden, um Einlass in das Couloir-Reich zu bekommen. Ist man mal drin, stört im oberen Teil einzig der durchzogene Schnee. Doch nach dem ersten Drittel geniessen wir endlich flow-Skifahren auf einer weichen Unterlage, die wir dank unserem bewegten Lockerschnee quasi konstant erneuern. Viel zu schnell spuckt uns das Engnis aus und entlässt uns in die weiten Hänge oberhalb der Alpe San Giacomo. Wir lassen es noch einmal laufen, bevor uns nach der Alp pistenartig, harte Verhältnisse erwarten. Doch für uns ist die Tour eh schon erfolgreich zu Ende und das Gerüttel auf der harten, zerfahrenen Unterlage nehmen wir gelassen auf uns. Keine warme März-Sonne und kein kühles Bier erwarten uns in All'Acqua. Doch diese Zeiten kommen auch bald wieder, spätestens wenn wir im Frühling zu neuen Abenteuern im Bedretto aufbrechen!

Tourengänger: chrismo77, nprace, danski


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