Hundstein (2157 m) und Widderalpstöck Mittelgipfel (2058 m) am 1. Advents-Wochenende


Publiziert von marmotta , 30. November 2014 um 18:17.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:29 November 2014
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Brülisau - Brüeltobel - Plattenbödeli - Sämtis - Stiefel - Hundsteinhütte - Hundstein - Widderalpstöck Mittelgipfel - Hundsteinhütte - Stiefel - Sämtis - Plattenbödeli - Brüeltobel - Brülisau
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Brülisau, Kastenbahn
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Brülisau, Kastenbahn

Es musste einfach noch mal sein! Obwohl die Tour auf den Hundstein (2157 m) um diese Jahreszeit bekanntlich über weite Strecken im Schatten verläuft und somit für den sonnenhungrigen November-Wanderer kein besonders dankbares Ziel darstellt, wollte ich die seltene Gelegenheit nutzen, Ende November bei schneefreien und trockenen Verhältnissen auf diesen schön gelegenen Gipfel inmitten der wilden Mittleren Alpsteinkette mit ihren steilen Grasflanken und Felswänden zu steigen - wohlwissend, dass diese Ecke in den nächsten gut 6 Monaten nicht auf der Speisekarte stehen würde!
 
Wie schon in den vergangenen Tagen liegt über dem Flachland auch heute wieder eine zähe Hochnebeldecke mit einer Obergrenze bei rund 900 m. So kann ich in Brülisau (922 m) zwar bereits über der "Suppe" starten, doch ein weiteres für die Region und die Jahreszeit typisches Wetterphänomen sorgt bei den meisten Ausflüglern am Morgen für lange Gesichter: Der Föhn bläst im Appenzellerland mal wieder so heftig, dass die Seilbahn auf den Hohen Kasten ihren Betrieb erst am Nachmittag aufnehmen konnte. Mir ist das egal - nur der stürmische Wind, dem ich mich bis zum Beginn des Brüeltobels entgegenstemmen muss, stört ein klein wenig. Dafür sorgt der Föhn nicht nur für aussergewöhnlich hohe Temperaturen, sondern hat auch -quasi über Nacht- alles schön abgetrocknet und in der Höhe dem letzten verbliebenen Schnee den Garaus gemacht.
 
Der im Sommer so (über-)bevölkerte Alpstein wirkt derzeit wie ausgestorben: Am Parkplatz Pfannenstiel kann man die dort stehenden Autos an einer Hand abzählen und auf der gesamten Tour begegne ich gerade einmal 5 Menschen (und 3 Steinböcken). Für den komplett im Schatten verlaufenden Anmarsch zum Fählensee wird man mit einer einzigartigen Stimmung entschädigt, die man während der Wandersaison so nicht erleben kann. Sämtisersee und Fählensee erscheinen in einer geheimnisvollen, dunklen Farbe - hierzu bilden die in der Sonne leuchtenden, mittlerweile goldgelben Grasflanken an der Marwees und später unter den Widderalpstöcken einen unglaublichen, fast unwirklichen Kontrast. Es dauert fast 1,5 h, bis auch ich an der Hundsteinhütte (1551 m) in das Licht der gleissenden, warmen Herbstsonne tauche. 3 Kletterer biegen vor mir zu den herrlichen Kalkwänden des Fähnligipfels ab, ich steige weiter über den guten, weiss-blau-weiss markierten Alpinwanderweg zum Hundstein (2157 m). Die Route ist bis auf wenige, unproblematische Meter unterhalb des Gipfels komplett schneefrei und trocken, die Verhältnisse könnten im Sommer nicht besser sein! Ich geniesse die Wärme, die ich förmlich in mich aufsauge - schliesslich wollen die Sonnen-Akkus für die nächsten Tage aufgeladen werden. Auf dem Gipfel des Hundstein, den ich nach knapp 2,5 h erreiche, mache ich eine längere Pause, der (Föhn-)Wind ist hier oben glücklicherweise fast kein Thema mehr. Vom Hundstein ist nicht nur der Blick auf die senkrecht abfallenden Wände und Türme der Mittleren Alpsteinkette faszinierend, auch die Fernsicht ist bestechend: Von den Allgäuer Alpen über das Rätikon und die Glarner Alpen reihen sich unzählige Gipfel am Horizont auf. Eindrücklich ist das Wolken-Schauspiel, das der Föhn über den hohen Glarner Gipfeln erzeugt. Dort "schwappen" jeweils gigantische Föhnwalzen von Süden herüber.
 
Da der Tag kurz ist und ich noch auf den mittleren Gipfel der Widderalpstöck (2058 m) möchte, breche ich irgendwann schweren Herzens wieder auf. Vom Wanderweg quere ich auf einer Höhe von ca. 1960 m unter dem kompakten Felsklotz des Hauptgipfels der Widderalpstöck (2066 m) hinüber zum Einstieg in den gut sichtbaren Gamswechsel, der auf die felsdurchsetzte Südflanke des Mittelgipfels führt. Obwohl das Gelände zwischen Haupt- und Mittelgipfel gut gestuft und nicht besonders steil ist, erfordert das "Grasbergsteigen" um diese Jahreszeit erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht: Das langhalmige, völlig verdorrte und vom ersten Schnee plattgedrückte Gras gibt wenig Halt und kann tückisch glatt sein!
 
Der Aufstieg auf den markantesten Gipfel der Widderalpstöck (obwohl einige Meter niedriger als der "Hauptgipfel", erscheint aus den meisten Perspektiven der Mittelgipfel als höchster und bedeutendster Gipfel) ist erstaunlich einfach und genussreich. Es ist nirgends besonders steil oder ausgesetzt, der traumhafte und bombenfeste Schrattenkalk eröffnet vielfältige Routenvarianten (meist im Bereich T5). Es sind jedoch immer nur einzelne Felsstüfchen oder Schrofen zu überklettern, am besten hält man sich entlang der ersten markanten Felsrippe, die sich über den Südrücken von oben nach unten zieht. Hier befinden sich auch mehrere eingebohrte Stände der von unten durch die Platten führenden Kletterouten. Für den Abstieg wähle ich sogar meistens eine Route, in der praktisch überhaupt nicht geklettert werden muss - auf Gamsspuren umgeht man etwas weiter östlich die Kalkrippen (T4), lediglich eine Schichtstufe muss dann in der irgendwann notwendigen Querung nach W überwunden werden (II).
 
Am westlichen Ende des langgestreckten Gipfelkamms befindet sich zwischenzeitlich ein stattlicher Steinmann, leider gibt es kein Gipfelbuch (dabei hätte dieser schöne Gipfel durchaus eines verdient!). Noch immer finden sich auf dem Südrücken und dem breiten Gipfelkamm etliche (verdorrte) Edelweiss - im Sommer ist das hier oben eine Pracht! Ich folge dem Gipfelkamm nach Osten bis zur Abbruchkante, um von hier den eindrücklichen Blick hinüber zum Fähnligipfel und in die Sämtiser Ebene zu geniessen. Der Widderalpstöck-Mittelgipfel ist einer dieser vergessenen Alpsteingipfel, die auch vom geübten Wanderer ohne grosse Schwierigkeiten zu erreichen sind und dennoch erstaunlich selten besucht werden. Die Aussicht über die Südliche Alpsteinkette auf das Nebelmeer im Rheintal und im Walgau ist phänomenal. Blöderweise habe ich meinen Rucksack mit der Kameratasche am Einstieg gelassen, daher gibt es hiervon leider keine Bilder.
 
Die Schatten werden schon länger und die Sonne schickt sich an, hinter den grossen Alpsteinbergen zu verschwinden, als ich um ca. 14 Uhr wieder den Fählensee erreiche. Viel Sonne bekomme ich auch auf dem Rückweg zum Plattenbödeli nicht mehr ab, in diesen Tagen ist das "Sonnenfenster" in den tief eingeschnittenen Tälern des Alpsteins halt schon sehr kurz! Um das Postauto in Brülisau um 15.14 Uhr noch zu erwischen, beschleunige ich mein Tempo nun etwas, der Föhnwind schiebt mich entlang desSämtisersees gar noch etwas an.
 
War´s das nun mit den Alpinwandertouren im Alpstein im 2014? Normalerweise schon - nur, bei diesem aussergewöhnlich milden und trockenen (Spät-)Herbst bin ich mir da nicht so sicher…             

Tourengänger: marmotta


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»