Auf dem Kungsleden von Nikkaluokta nach Abisko


Publiziert von Mel , 13. Juli 2013 um 20:39.

Region: Welt » Schweden
Tour Datum: 2 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: S 
Zeitbedarf: 7 Tage
Aufstieg: 1430 m
Abstieg: 1530 m
Strecke:Nikkaluokta - Kebnekaise Fjällstation - Singi - Sälka - Tjäktja - Alesjaure - Abiskojaure - Abisko Turiststation (104 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Ab Kiruna mit Bus Nr. 92, fährt zweimal täglich, Fahrdauer ca. 1h
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bahnhof gleich vis à vis der Turiststation
Unterkunftmöglichkeiten:Hütten des STF oder Zelt

Zugegeben, lange habe ich es seit meiner letzen Lapplandreise nicht zu Hause ausgehalten. Aber so ist es halt mit dem Virus scandinavicus... Über den bekannten und fleissig begangenen Kungsleden findet sich eine Fülle an Infos und unzählige Begehungsmöglichkeiten. Nach intensiver Recherche und wertvollen hikr-Tipps, insbesondere vom ebenfalls am oben genannten Virus ernsthaft erkrankten laponia41, steht unser Plan fest: wir wollen jene Etappe, über welche auch der Fjällräven Classics führt, wandern - jedoch gemütlicher in 5 bis 7 Tagen, dafür eventuell in Kombination mit dem höchsten Schweden, dem Kebnekaise.

1. Tag: Nikkaluokta - Kebnekaise Fjällstation, 19 km (- 6 km Boot), 3h
Es ist ja nicht so, dass wir in den letzten Tagen vor unserer Abreise zu wenig Regen gesehen hätten. Doch  an unserem ersten Wandertag zeigt uns der Norden gleich, dass er dies auch kann. Und wie, es giesst in Strömen und wir bekommen gleich einen Härtetest für Mensch und Ausrüstung. Beides hat bestanden, soviel sei vorweg genommen. Etwas schade wars trotzdem, den von der Landschaft bekommen wir nur wenig mit. Auch kann ich mir schöneres als das Begehen von Wegen, die sich mehr und mehr in Bäche verwandeln, vorstellen. Grund genug, 6 km über den Laddujavri per Boot abzukürzen. Kurz nach der Anlegestelle am anderen Ufer erblicken wir bereits die Kebnekaise Fjällstation. Der Weg zieht sich aber dann doch noch etwas hin und wir sind froh, als wir endlich ankommen und unsere Rucksäcke ausziehen können. Beine und Schultern benötigen offensichtlich noch etwas Zeit, sich an das Zusatzgewicht (ca. 12 Kilo ohne Wasser) zu gewöhnen. Beim Abendessen im Restaurant beschliessen wir schlussendlich, die Besteigung des Kebnekaise buchstäblich ins Wasser fallen zu lassen, da uns die Bedingungen zu heikel erscheinen und sowieso nichts mit Aussicht wäre. Dafür können wir es dank dem "gewonnen" Tag auf den nächsten Etappen etwas gemütlicher angehen lassen.

2. Tag: Kebnekaise Fjällstation - Singi, 14 km, 5h
Wie prognostiziert, sehen wir auch heute morgen vorerst keinen blauen Himmel. Aber immerhin hat der Regen etwas nachgelassen. Dennoch seien die Wasserstände in den Flüssen äusserst hoch und man rät uns, nicht tiefer als bis zu den Knien durch diese durchzuwaten. So geht es denn auch nicht allzulange, bis ich zum ersten Mal die Schuhe ausziehe. Das eiskalte Wasser reicht mir aber "nur" etwa zur Hälfte der Wade. Da ist zeitweise die Wegfindung schon fast das grössere Problem. Aber notfalls folgt man einfach "auf Sicht" den roten Kreuzen (Wintermarkierung); die Richtung durch das Tal ist sowieso gegeben. Wir wollten ursprünglich gegen Mittag in Singi sein und eventuell am Nachmittag noch bis Sälka weiterziehen. Wir merken aber bald, dass dies zu optimistisch war. Während wir hierzulande auf flachem Terrain locker fünf Kilometer pro Stunde zurücklegen, sind es hier vielleicht deren drei. Ob es an der Wegbeschaffenheit oder an den zusätzlichen Kilos am Rücken liegt - ich weiss es nicht. Aber es spielt auch keine Rolle, weil wenn wir hier etwas haben, dann Zeit!

3. Tag: Singi - Sälka, 12 km, 4h
Heute begrüsst uns endlich die Sonne und wir können im T-Shirt losmarschieren. Dank dem Wind bleiben wir auch weitgehend von den überaus gefrässigen Mücken verschont. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie eine sonst schon imposante Landschaft durch Sonnenlicht nochmals an Schönheit gewinnt. So wird die heutige Etappe zum Augenschmaus. Die Strecke führt stetig etwas auf und ab, jedoch ohne grosse Höhenunterschiede. Dabei fällt mir plötzlich auf, dass ich das Gewicht meines Rucksacks kaum noch spüre. Es ist schon erstaundlich, wie rasch sich der Körper an eine neue Belastung gewöhnt. Trotz der verhältnismässig lockeren Wanderung geniessen wir es, anschliessend bei der hübsch gelegenen Sälka Stuga am Fluss zu sitzen und die in der Butik frisch erworbenen Keckse zu verputzen.

4. Tag: Sälka - Tjäktja, 14 km, 4.5h
Heute steht die einzige Bergetappe an, wobei diese mit 300 Höhenmeter immer noch gnädig ausfällt. Zu Beginn geht es rund zwei Stunden weiter ins Tjäktjavagge. Gegen Ende des Tals wird es steiniger und steiler. Der eigentliche Aufstieg dauert dann aber kaum eine Stunde und bietet wirklich tolle Ausblicke zurück auf das bisher Erwanderte. Auf der Passhöhe angekommen, finden wir eine Schutzhütte und ein WC, wobei wir von letzterem gerne Gebrauch machen. Die Mittagspause halten wir dann aber lieber noch draussen statt drinnen ab, denn es sieht so aus, als würde das Wetter bald umschlagen. Und so ists denn auch: etwa auf halbem Weg zu der Tjäktja Stuga beginnt es zu regnen. Bei der Hütte angekommen, ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei. Ja, das Wetter ist launisch hier oben. Ganz im Gegensatz zum Stugvard, der uns sehr freundlich willkommen heisst. Ich fühle mich in dieser kleinen, hübsch dekorierten Stuga auf Anhieb sehr wohl und nütze die Gelegenheit, mein Schwedisch etwas aufzufrischen. Während ich damit beschäftigt bin, anhand von Fotos und Bilderbüchern alle möglichen Pflanzen- und Tiernamen zu lernen, bekommt unser 9-köpfiger Frauenhaufen von einem wunderlichen Dänen Zuwachs: wir sehen ihn bereits vom Fenster aus, wie er völlig entkräftet mit allerhand Gerümpel in der Hand auf die Hütte zu zottelt. Wir gehen ihm entgegen, helfen tragen, versuchen uns zu verständigen und es stellt sich heraus, dass er seit 6 (!) Tagen mit viel zu vielem und zu schwerem Gepäck unterwegs ist. Und zwar so, dass er den ganzen Plunder gar nicht alles auf einmal tragen kann und deshalb die ganze Strecke dreifach (!!!) laufen muss: ein paar Meter mit dem Rucksack, diesen abstellen, zurück und den Rest (Schlafmatte, Zelt, etc) holen und das ganze wieder von vorne. Ich kann es kaum glauben! Zusammen mit dem Stugvard packen wir seinen Rucksack aus und um und ich hoffe, dass er seinen Weiterweg anschliessend noch einigermassen gut hinbekommen hat.

5. Tag: Tjäktja - Alesjaure, 14 km, 4h
Höhepunkt dieser Etappe ist zweifelsohne deren Ende, sprich die Alesjaure-Hütten: eine wunderschön gelegene Anlage mit ebenso wunderschöner Sauna! Zuvor gilt es aber noch rund 14 Kilometer zu vernichten, grössenteils im Abstieg durchs Alisvaggi. In diesem Tal hat es sehr viele Vögel und auch einige Bäche, die es zu überqueren gilt. Bei den meisten hat es Brücken, bei Dreien gilt es aber, über Steine möglichst jenen Weg zu suchen, welcher keine nassen Füsse gibt. Wäre der Wasserstand hier auch so hoch wie vor ein paar Tagen zwischen Keb und Singi, hätte ich meine Schuhe wohl präventiv ausgezogen. So komme ich aber alle drei Male - mehr oder minder elegant - trockenen Fusses am anderen Ufer an. Am anderen Ufer des Alisjavri, gegenüber der Alesjaure Hütten, liegt ein Sameviste ("Sommerdorf" der Sami). Die Hüttenwartin informiert uns, dass die Einwohner heute Abend dort vielleicht tausende Rentiere von den Bergen herunter treiben, um sie zu markieren. Ein Spektakel, welches wir auf keinen Fall verpassen sollten. Doch leider wird das ganze dann kurzfristig auf eine der nächste Nächte verschoben. Rentiere haben wir im Übrigen auch sonst keine gesehen. Scheinbar sind sie dieses Jahr aufgrund der geringen Schneemenge schon sehr hoch im Gebirge oben, denn sie hassen Mücken. Man kanns ihnen nicht verüblen...

6. Tag: Alesjaure - Abiskojaure, 21 km (-6 km Boot), 5h
Schon in der Nacht höre ich es draussen stürmen und leider ändert sich das auch bis am Morgen nicht. Der Rat der Hüttenwartin, wegen sehr sumpfigen Wegen entlang des Sees besser das Boot zu nehmen, befolgen wir somit noch so gerne. Dazu hisst man einfach zu definierten Zeiten am Ufer eine gelbe Fahne und schon braust der Sami mit seinem kleinen Motorböötchen am anderen Ufer los. Da die heutige Strecke lang ist, haben wir trotz dieser Abkürzung noch ausgiebig Zeit, die Szenerie zu geniessen. Landschaftlich sicher eine der schönsten Etappen. Nur das Wetter ist mal wieder launisch: die Regenklamotten haben wir schon zu Beginn angezogen und mit dem ordentlichen Rückenwind fliegen wir förmlich Richtung Abiskojaure. Apropos fliegen: auf einmal packt eine Windböe Nadines Rucksack-Regenhülle und trägt sie ins Unterholz raus. Ich jage ihr hinterher, habe allerdings mit Sack und Pack keine Chance. Nadine war schneller, hat ihren Rucksack kurzerhand auf den Wanderweg geschmissen und ist losgespurtet wie ein Sprinter. Während sie ihre Regenhülle wieder einfängt, stolpere ich beinahe über ein äusserst hübsches Rentier-Horn. Wenn wir schon keine "echten" Tiere sehen, so schenkt mir dafür eines dieses wunderbare Souvenir, danke! Als hätten wir heute nicht schon genug Action, so stehen wir etwas später vor einem der typischen Holzstege, die einem so manche sumpfige Passage erleichtern. Nur diese ist selbst abgesoffen und mir bleibt nichts anderes übrig, als meine nicht mehr ganz dichten Schuhe einmal mehr auszuziehen. Die Erfrischung tut aber gut, denn mittlerweile hat das Wetter abermals umgeschlagen, die Sonne brennt auf uns nieder. Besonders schön daran ist, dass wir kurz vor den Abiskojaure-Hütten schon den Torneträsk, unser Ziel, erblicken können. Auf dem etwa 30 minütigen Abstieg treffen wir den Stugvard, der seinen jungen Rottweiler spazieren führt. Die Abiskojaure-Hütte ist ebenfalls schön gelegen, hat sogar einen eigenen Badestrand, den ich wenig später in Kombination mit der Bastu (Sauna) teste. Die Angaben zur Wassertemperatur schwanken je nach Experte zwischen 5 und 15 Grad...

7. Tag: Abiskojaure - Abisko Turist Statiun, 15 km, 4h
Unglaublich, aber heute bricht bereits unser letzer Tag an. Die finale Etappe führt mehrheitlich durch Birkenwald und der Weg wird zunehmend breiter. Je näher wir der Abisko Turiststation kommen, umso mehr Wanderern begegnen wir. Offenbar eigenet sich Abisko auch gut als Ausgangspunkt für Tagestouren. Von unterwegs können wir zumindest ein Sessellift erspähen und kommen an vielen Wegverzweigungen vorbei. Als wir dann den Lärm der Strasse hören, hat uns die Zivilisation entgültig wieder eingeholt. Mit einer warmen Dusche und sehr leckeren Mahlzeiten schafft die Turiststatiun es allerdings, uns auch über deren Vorzüge in Erinnerung zu rufen. Und so lassen wir unser Kungsleden-Trekking mit einem lockeren Spatziergang (ohne Rucksack!) an den See, einem vorzüglichen Abendessen und einem Gläschen Lakka ausklingen.


Tourengänger: Mel
Communities: Skandinavien Forum


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Kommentare (8)


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TeamMoomin hat gesagt: Trotz
Gesendet am 13. Juli 2013 um 22:19
dem teilweise nordischen Wetter scheint es ja eine gelungene Tour gewesen zu sein. Danke für die schönen Impressionen von dieser so tollen Gegend, da kann man gleich in Erinnerungen schwelgen, herrlich!

Lg Moomin und Oli

Mel hat gesagt: RE:Trotz
Gesendet am 13. Juli 2013 um 22:32
Ja, es war definitiv eine rundum gelungene Tour! Das wechselhafte Wetter gehört im Norden halt etwas dazu, aber das kennen wir ja ;-)
Allerdings - der Keb wurmt mich schon ein bisschen. Ich wage mal zu behaupten, dass ich nicht das letzte mal in der Kebnekaise Fjällstation genächtigt habe...

Baldy und Conny hat gesagt: Dein Bericht
Gesendet am 15. Juli 2013 um 13:18
kommt irgendwie gerade recht. Haben wir uns doch erst vor 2 Tagen darüber unterhalten, mal eventl. in den Norden zu reisen.
Sehr schön.
Gruess Angelo und Conny

Mel hat gesagt: RE:Dein Bericht
Gesendet am 15. Juli 2013 um 13:30
ist absolut zu empfehlen!

laponia41 hat gesagt: Auch wir
Gesendet am 25. Juli 2013 um 15:32
sind nun wieder zu Hause. Ich bin am Sichten meiner Fotos und freue mich an deinen! Siehe Kommentare!

LG Peter

Mel hat gesagt: RE:Auch wir
Gesendet am 25. Juli 2013 um 15:55
välkommen tillbaka!
freu mich auch schon auf deine fotos & berichte!

heluka hat gesagt: Schöner Bericht
Gesendet am 3. November 2013 um 19:16
Vermutlich bin auch ich unterdessen dem Virus Scandinavikus verfallen. Habe fast etwas wehmütig deinen interessanten Bericht von Schweden gelesen.
Gruss Heini

Mel hat gesagt: RE:Schöner Bericht
Gesendet am 3. November 2013 um 19:28
ja, gell, das ist ein ganz fieses virus! ich werd nämlich auch gerade wieder wehmütig, wenn ich daran zurück denke ;-)


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