Grenzschlängeln vom Nationalpark zum Berninapass


Publiziert von Bergmolch , 28. Juli 2012 um 16:49.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:27 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   I 
Zeitbedarf: 13:00
Strecke:lange
Zufahrt zum Ausgangspunkt:RhB nach S-chanf
Zufahrt zum Ankunftspunkt:RhB zu den Berninahäusern
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Cassana http://www.rifugiocassana.it/
Kartennummer:1238 / 1258

Route

Tag 1:
Aufstieg von S-chanf durchs Val Trupchun auf die Fcla Trupchun. 
Über den Grat auf den Piz Trupchun und Überschreitung zum Piz Chaschauna. Abstieg zum Casana-See. Aufstieg Punta Casana. Teilüberschreitung und Abstieg via Pass Chaschauna zum Rifugio Cassana.

2. Tag:
Aufstieg Pass Chaschauna. Alles dem Grat entlang zur Fcla Lavirun. Überschreitung Piz Lavirun, Munt Cotschen, Monte Garone und Piz la Stretta. Abstieg nach La Stretta und durchs Val da Fain zu den Berninahäusern. Per RhB heim.

Tourencharakter

1. Tag:
Hinauf zur Fcla Trupchun bis zur Alp Trupchun T3 mit schöner Waldflora und vielen Tierbeobachtungsmöglichkeiten, v.a. Murmeltiere und Vögel. Ab der Alp maximal T4-Stellen, wo der Weg ausgebrochen ist. Zu oberst anhaltend recht steile Serpentinen in faulem Schiefergeröll. Beim Bach auf ca. 2300 müM letzte Möglichkeit, die Flasche aufzufüllen.

Aufstieg auf den Piz Trupchun und Überschreitung Piz Chaschauna max. T5. Einfache Kletterei erforderlich. Zahlreiche Steinböcke als Beobachter. Bijou des Tages ist das Casana-Seelein. Ein blauer Farbtupf umgeben von einer kolossalen Steinwüste. Er hat aus nordwestlicher Richtung einen kleinen Zufluss, wo die Flasche aufgefüllt werden kann.

Die Punta Casana, das markante Spitzlein in der Einöde verdient zu oberst ebenfalls ein T5. Die Überschreitung des gesamten Kammes ist anspruchsvolles T6-er Gelände in brüchigstem Kalk oder Dolomit. Es gibt jedoch immer wieder Möglichkeiten auf die Schweizerseite abzusteigen. Hier fühlt sich eine grössere Steinbockkolonie sehr heimisch.
Normalsterbliche steigen jedoch dem Grat entlang wieder retour, um an geeigneter Stelle durchs Geröll westwärts auf eine Höhe von 2780 müM hinunter zu sufen. Von dort führt ein Geröllweglein mit Steinmännli versehen horizontal unter den Zacken der Punta Casana hindurch zu P. 2788.

Von dort auf alpinen Rasenfeldern der Nase nach zum Pass Chaschauna. Auf einem Weg 90 Höhenmeter hinunter zum Rifugio Cassana.

2. Tag:
Bis zum Piz Lavirun führt ein einfacher Weg in T2 bis T3-Gelände über wunderschöne alpine Rasenflächen. Hier wäre alpines Golfen eine Wonne. Der Piz Lavirun ist zeitlich nicht zu unterschätzen. Seine T6-Stellen verlangen eine gute Nase und manchmal etwas Mut. Eine Umgehung auf der Schweizerseite durchs Geröll spart etwa die Hälfte Zeit.

Der Munt Cotschen kann recht einfach überschritten werden. T5-er Gelände, jedoch kaum absturzgefährdet einfach sehr loses Gestein, nichts für eine Schulreise. Der Abstieg ist anfangs sehr einfach. Vermutlich wäre die genaue Gratüberschreitung einfacher als nach links hinunter auszuweichen. Es wird dort nämlich unangenehm steil...

Das Laghetto di Federia ist das südliche Pendant zum Casana-Seelein. Einzigartig und lädt beinahe zum Baden ein, v.a. wenn noch genügend Zeit vorhanden ist.

(Anmerkung:
Leider habe ich, wie auf der gesamten Überschreitung, auch hier kein Bächlein ausfindig machen können. Entweder "trinkt" man Schnee unterwegs, schleppt zwei Liter mit oder läuft kamelartig noch über den Piz la Stretta hinaus, hinunter zum Pass La Stretta, wo nach etwa einem Kilometer Richtung Berininahäuser der erste frische Bach über den Weg plätschert.)

Die Überschreitung der nächsten drei Gratpunkte P. 2982, 3003 und 3002 ist einfaches, wegloses T4-er Gelände.

Der Abstecher auf den Monte Garone lohnt sich unbedingt, auch wenn sein Geröll von unten wenig einladend aussieht. In etwas mehr als 10 Minuten ist man oben, da man merkliche Pfadspuren findet, welche den Aufstieg sehr erleichtern. Oben angekommen überrascht die Aussicht, die Gesteins- und Blumenvielfalt. 
Ein banaler, floramässig sehr anregender Abstieg über den Gratrücken führt hinunter zur Fuorcleta  P. 2897, von wo sich der Stretta-Nordgrat aufbäumt.

Die schwierigsten Stellen befinden sich gleich anfangs. Es lohnt sich, hart an der Gratschneide zu klettern, allenfalls auf die Italienerseite leicht ausweichen. Die Kletterei ist etwa mit T5-er-Gelände vergleichbar,z.T. etwas ausgeetzt, und wird bei Nässe und Kälte rasch schwieriger. Nach 100 Höhenmetern liegen die Schwierigkeiten hinter mir und über loses Gestein nehme ich die letzten 100 Höhenmeter unter die Sohlen, mehr spulend als steigend. Der weiträumige Gipfel des Piz la Stretta lädt zum Verweilen ein. Der Blick ins Berninagebiet ist einmalig. Auch rückwärts lässt sich nochmals jeder überschrittene Berggipfel bewundern.

Leider wählte ich zum Abstieg den Italienerweg, welcher in weit auslaufenden und zeitschmelzenden Kurven hinunter auf den Pass La Stretta führt. Als Ziel Fcla La Stretta ist dieser Abstieg ideal. Möchte man jedoch durchs Heutal hinaus, würde ich nächstes Mal über den Westgrat des la Stretta via P. 2854 und P. 2790 direkt zur Alp la Stretta absteigen. Die Zeitersparnis ist lohnend, denn auch das Wegstück von La Stretta zur Alp la Stretta zieht ungemein lange hin, mit kaum Höhenverlust.
Auf einem guten Fahrweg gelange ich zu den Berninahäusern, wo immer etwa auf X.30 ein Zug Richtung Pontresina fährt.

Fazit:
Eine der schönsten Gratüberschreitungen Graubündens, die sich auch ohne viel Balast (Pickel, Steigeisen und Seil) meistern lässt. Letzteres würde ich jedoch empfehlen, zumindest eine 20m Reepschnur.
Fauna und Flora lassen sich kaum mehr übertreffen. Der Bartgeier am ersten Tag, der Adler am zweiten Tag und die vielen Polsterblumen als Farbtupfer in der öden Gegend bleiben mir in bester Erinnerung.

Kuriosum:
Auf dem Heimweg setze ich mich im überfüllten Zug zufällig neben einen jüngeren Herrn. Beim Gespräch stellt sich heraus, dass er genau diese Überschreitung drei Tage vor mir absolviert hat - und so vergeht die Zugfahrt im Nu...


Das Rifugio Cassana ist eine ehemalige italienische Kaserne, erbaut im Jahr 1913 (nächstes Jahr 100-jährig!). Am Tag beherbergt es die zahlreichen Biker, welche vom Livigno ins Unterengadin oder umgekehrt ihr Bike schieben.
Es ist selten überfüllt. Sofia und ihre Familie sind sehr gastfreundlich. Übernachtet wird in Zweier bis Sechserzimmern. Die Einrichtung ist typisch italienisch, mit viel Herz. Es gibt Dusche, Elektrizität, WiFi und Etagen-WC. Einziger Mangel: Kein Trinkwasser. Ich habe zwar ohne Magenschmerzen vom verbotenen Zisternenwasser getrunken...
Eine Übernachtung mit Frühstücksbuffet kostet 30 Euro. Halbpension mit einem Dreigänger nach Wahl Euro 49. Das Essen ist gut. Beim Frühstück gibt's alles Übliche. Das Brot dürfte dunkler sein. Nächstes Mal bringe ich Sofia ein Kilogramm dunkles Mehl und Trockenhefe mit. Ihr Mann backt im Holzofen die feinsten Kuchen, aber eben leider kein Brot. Zum Trinken gibt es wirklich alles, was der Gaumen begehrt.


Tourengänger: Bergmolch


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Kommentare (1)


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Delta Pro hat gesagt:
Gesendet am 28. Juli 2012 um 18:49
Schöne Grattour, Gratulation!
Wenn Du noch ein paar Wegpunkte mehr setzen würdest (sind ja alle schon im System), wär die Tour noch etwas besser verlinkt. Ich habe vor 9 Jahren eine ganz ähnliche Runde gemacht (mit Biwak bei der Fuorcla Federia).
Gruss Delta


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