Piz Bernina und Palü-Überschreitung


Publiziert von Linard03 , 2. August 2011 um 19:35.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Oberengadin
Tour Datum:28 Juli 2011
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Piz Bernina   Bernina-Gruppe   Palü-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2150 m
Abstieg: 2150 m
Strecke:Diavolezza - Fortezza - Marco e Rosa - Piz Bernina - Marco e Rosa - Fcla Bellavista - Piz Spinas - Piz Palü - Diavolezza
Zufahrt zum Ausgangspunkt:per Bahn bis Bernina-Diavolezza, dann mit Seilbahn bis zur Bergstation Diavolezza
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito

Ein mehr als würdiger Abschluss unserer Engadin-Ferien: mein nächster Besuch eines Kantonshöhepunktes sollte ein ganz Besonderer werden; nicht weniger als der Piz Bernina!
Während der letzten 12-14 Jahre stand ich immer wieder mal auf der Diavolezza und schaute sehnsüchtig zur Bernina hinauf und bewunderte voller Ehrfurcht die Bergsteiger, welche soeben von der Palü-Ueberschreitung zurückkehrten.
Nachdem ich mich langsam herantastete und diverse Gipfel in der Umgebung bestiegen hatte, fühlte ich mich jetzt selbst "reif" für die Bernina
.

Mittwoch, 27.07.2011
Wieder einmal hiess es, spätestens die letzte Bergfahrt zur Diavolezza zu nehmen (wollte man nicht laufen). Marco, mein Bergführer für die nächsten 2 Tage, traf ich dann auch bereits in der Bahn. Die 2 übrigen Teilnehmer trafen wir dann im Restaurant des Berghauses Diavolezza.

Mit einem feinen 4-Gang-Menu wurden wir so richtig verwöhnt, danach hiess es Material-Check und bald auch schon Bett-Zeit. Infolge des nach wie vor instabilen Wetter's wollten wir früh losgehen, um uns 2 Chancen für die Besteigung des Piz Bernina offen zu halten (entweder Do-Mittag oder Fr-Morgen).

Donnerstag, 28.07.2011
Um 3 Uhr gab's Frühstück, um 3.50 Uhr machten wir uns auf. Nachdem es sowohl am Vorabend als auch in der Nacht nochmals geregnet hatte, war der Boden nass und entsprechend rutschig im Abstieg zum Gletscher. Aber zumindest war es jetzt von oben trocken und die Temperaturen angenehm. Auf dem Gletscher ging's im Schein der Stirnlampen zuerst noch ein Stück ohne Steigeisen, dann aber wurden sie montiert. So ging's in Richtung Isla Pers und über ein Schneeband zu P.3186.
Nun folgte der Fortezza-Grat: schöne Block-Kletterei (II - III), wobei ziemlich winterliche Bedingungen herrschten (Schnee, Nebel und Kälte). Am Ausstieg machten wir kurz Pause, um dann nochmals ca. 200Hm aufzusteigen, bevor die lange Querung auf der Bellavista-Terrasse folgte.

Die Sicht war nicht übermässig, meist gingen wir im Nebel und nur zeitweise erhaschten wir ein paar Blicke ins Tal hinunter. Die Gipfel der unmittelbaren Umgebung waren leider nicht zu sehen; schade um die grossartige Landschaft (sollte jedoch am nächsten Tag "kompensiert" werden).
Der Abstieg durch die grossen Eisbrüche war problemlos und nach kurzem Gegenanstieg erreichten wir kurz nach 10 Uhr die Marco e Rosa-Hütte. Nach Zimmer-Bezug und Entrümpelung des Rucksacks genehmigten wir uns eine Suppe.

Inzwischen kehrte die Sonne zurück und wir wollten die Gunst der Stunde nutzen. Mit leichtem Gepäck und voll motiviert nahmen wir den Piz Bernina in Angriff. Zuerst galt es das Firnfeld aufzusteigen, welches immer steiler wurde, bis wir die Felsen erreichten.
Kurz unterhalb dieser Felsen wurden wir von einer vorangehenden Seilschaft noch mit einem Eishagel eingedeckt; glücklicherweise hatten wir unsere Helme schon auf ... Jetzt folgten mehrere Kletter-Passagen (II-III), wobei es immer wieder Stau gab - mehr als ca. 10 Min. mussten wir aber nirgends warten (da gibt's offensichtlich an Spitzentagen ganz andere Wartezeiten ...).

Trotzdem; das Wetter wurde zunehmend schlechter und wir waren deshalb etwas ungeduldig an den Warte-Stellen - nicht zuletzt auch deshalb, weil wir viel schneller kletterten als die 2 vorangehenden Seilschaften.
Jetzt setzte zum immer dichter werdenden Nebel auch noch Schneefall ein, aber wir mussten konzentriert bleiben, denn auch nach dem Erreichen des Spalla (4020m) gab es teilweise sehr ausgesetzte Stellen.

Ja, und dann - das ganz grosse Gipfel-Erlebnis mit Aussicht geniessen, Gipfel-Fotos, Gratulationen, etc. blieb diesmal aus, denn es blieb beim Berühren des Gipfels. Der Bergführer mahnte unmissverständlich zur sofortigen Rückkehr - weshalb, wusste ich erst wenig später.
Zuerst sah ich ein grelles Licht und meinte, einer der Kollegen hätte ein Foto gemacht. Als dann jedoch Sekunden später ein Donnergrollen erschallte, wusste ich, woran wir waren! Ein Gewitter auf einem Grat ist wohl das Letzte, was man sich wünscht ...! Alles surrte rund herum, den Pickel hielten wir so tief wie möglich. Jetzt nur nicht in Panik geraten! Wir mussten zwar so schnell als möglich vom Grat verschwinden; trotzdem galt es, auch beim Abstieg konzentriert zu bleiben, denn in solchen Situatioen passieren die häufigsten Unfälle.
Etwas unheimlich war's ja schon, als ein kleiner Felsen über uns so laut wie eine Hochspannungs-Leitung knisterte ... Jedenfalls hatten wir rückblickend Glück, dass es bei der einen, kleinen Entladung blieb.

Dann gab's natürlich auch wieder Stau im Abstieg, obwohl einige Seilschaften bereits weit vor dem Gipfel umgekehrt waren. Es schneite ununterbrochen, wurde kälter und unangenehmer, dazu die Unsicherheit, ob das Gewitter stärker werden bzw. näher kommen würde.
Zum Glück blieben die meisten Seilschaften besonnen, obwohl alle als Erste die Abseilpisten benutzen wollten. Lediglich eine Seilschaft aus .. war allzu ungeduldig und wollte alle Anderen überholen, was natürlich gar nicht gut ankam ...

Letztlich ging jedoch alles gut. Als wir vom Firnfeld zur Hütte abstiegen, schien bereits wieder die Sonne; allerdings nicht für lange. Während des feinen Abendessens schneite es wieder ununterbrochen ...

Freitag, 29.07.2011
Der Bergführer hatte uns versprochen, erst selbst aus dem Fenster zu schauen und uns nur bei guten Bedingungen früh zu wecken ... ;-)
Als wir deshalb um 5 Uhr geweckt wurden, wussten wir, dass das Wetter gut sein musste. Und so war es auch; herrliches Bergwetter wartete auf uns! Bei etwas frischen -6 Grad zogen wir nach 6 Uhr los und diesmal konnte ich auch die herrliche Landschaft geniessen. Bei ca. 15 cm Neuschnee waren wir natürlich froh, nicht als Erste spuren zu müssen - es war teilweise eine ziemliche Stapferei.

Schnell war die Bellavista-Terrasse passiert, als wir zum Fuss des Piz Spinas (Palü-Westgipfel) gelangten. Die Grat-Kletterei hatte ich völlig unterschätzt, denn nach jedem überwundenen Felszacken folgte der Nächste - es zog sich ziemlich in die Länge ...

Die Ausgesetztheit ist ziemlich gross, zudem lag enorm viel Schnee und einige Passagen waren ziemlich vereist. Jedenfalls herrschten äusserst winterliche Verhältnisse. Deshalb war auch hier absolute Konzentration angesagt. Während wir so hochkletterten, verschwand auch die Sonne plötzlich wieder und wir standen erneut im Nebel. Sollte es ...? Ja, auf dem Palü-Hauptgipfel standen wir ebenfalls im Nebel und konnten leider wiederum keine Aussicht geniessen.

So ging's dann nach einer kurzen Pause gleich weiter, auf dem derzeit extrem schmalen Grat zwischen Haupt- und Ostgipfel. Auch diese Passage überwanden wir gut und mit der letzten Konzentration erreichten wir dann das Skidepot.
Hier zogen wir die Steigeisen aus, denn die Verhältnisse erlaubten ein kontrolliertes hinunterrutschen auf den Bergschuhen. So waren wir denn auch um einiges schneller unten. Den letzten Aufstieg des Tages um den Piz Trovat herum bewältigten wir ebenfalls relativ locker und so erreichten wir glücklich, aber müde wieder unseren Ausgangspunkt; Berghaus Diavolezza.

Während sich draussen so langsam die Wolken wieder verzogen, genossen wir zum feierlichen Abschluss einen feinen Bündnerteller - schön war's!

Fazit:
eine Tour der Superlative, welche keine Wünsche offen lässt! 
Konditionell bekundete ich erfreulicherweise keine Probleme, hingegen war viel Kopfarbeit bzw. Konzentration auf den diversen Grat-Abschnitten gefordert ... Einziger Wermuts-Tropfen: fehlendes Wetterglück sowohl auf dem Piz Bernina als auch auf dem Piz Palü

Schwierigkeit:
der Biancograt ist zwar viel berühmter; der Normalweg ("Spallagrat") wird gem. SAC-Führer jedoch (zu Recht) gleich schwierig wie der Biancograt bewertet.

Zeiten:
Diavolezza (03.50) - Marco e Rosa (10.05): 6 1/4 Std.
Marco e Rosa (11.30) - Bernina (13.30): 2 Std.
Bernina - Marco e Rosa (15.30): 2 Std.

Marco e Rosa (06.15) - Palü (10.05) - Diavolezza (13.15): 7 Std.

Tourengänger: Linard03


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Kommentare (2)


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chamuotsch hat gesagt:
Gesendet am 4. August 2011 um 09:46
Chau Linard
Danke für die tollen Bilder!! Dann warst du wieder im Engadin? Habe immernoch ein schlechtes Gewissen wegen der, von meiner Seite, verpassten Bergtour letztes Jahr... Sorry nochmal!
Deine Tour ist schon lange ein Traum von mir.. bald bald ist es auch für mich so weit. Nur möchte ich über den himmlischen Biancograt hochsteigen...
Vielleicht bis ein ander mal...

Gruss chamuotsch

Linard03 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2011 um 21:17
allegra!
sorry für die späte Antwort - war jedoch bis vorgestern unterwegs ...

Ja, ich war die letzten 2 Juli-Wochen wieder im Engadin. Jedenfalls musst Du sicher kein schlechtes Gewissen haben - ich hätte mich bestimmt nochmals gemeldet. Jedoch war's auch heuer wieder schwierig, langfristig Touren zu planen bei diesem Sommer ...

Ich hoffe für Dich, dass Du Dir den Traum vom Biancograt erfüllen kannst!

Gruss, Linard


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