Überschreitung Portjengrat / Pizzo d'Andolla (3654m)


Publiziert von Alpin_Rise , 22. Juli 2010 um 14:26.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:20 Juli 2010
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Aufstieg: 800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Saas Almagell

Der Portjengrat wird in Italien Pizzo d'Andolla gennant und geniesst dort die grössere Aufmerksamkeit denn von Schweizer Seite. Im Saastal stiehlt dem ästhetischen Felskamm das benachbarte, einfache Weissmies und die gegenüberliegende Viertausenderparade die Show; von der anderen Seite, aus dem Val d'Andolla zeigt der Gipfel seine imposanten Ostabstürze.

Wäre da nicht die grossartige, klassische Felskletterei in der Überschreitung von Süden nach Norden, der Gipfel ginge glatt vergessen... Von der Almagellerhütte SAC ist der Anmarsch bequem in etwas mehr als einer Stunde bewältigt, auch der Abstieg geht ohne endlose Gletscherhatscher zügig - eine Tour ganz nach meinem Geschmack!

Nachdem die Kletterei länger auf der Pendenzenliste gewartet hat und petitNic die Tour für diesen Sommer geplant hat, gabs kein Halten mehr - so starten wir ziemlich genau 10 Jahre nach unserer ersten gemeinsamen Hochtour in Eigenregie wieder in Saas Almagell Richtung Almagellerhütte:


Wunderbarer Gratanstieg  in grossartigem, hochalpinem Ambiente!

Von Saas Almagell Richtung Almagelleralp - Almagellerhütte. Unten ist die südliche Variante durch wunderbaren Lärchenwald vorzuziehen, danach gibt es zwei Möglichkeiten von der Alp zur Hütte: die rechte (südliche) ist besser ausgebaut und weniger steil, die linke (Abzweig kurz vor dem Gasthaus) geht auf schmalem Pfad zügiger in die Höhe.  Eine kühlende Thermik macht den Hüttenaufstieg selbst in der Nachmittagssonne angenehm, das Panorama ist atemberaubend und der Fels der Dri Hornlini lockt - dazu später mehr.

Nach guter Nacht in der grosszügigen, halb gefüllten Almagellerhütte lassen wir den Weissmiesaspiranten in ihren morgendlichen 4000er Stress den Vortritt und brechen nach dem Rummel um viertel vor Fünf auf. Die gelb und blau-weiss markierte Wegspur zur Port führt zunächst fast ohne Steigung bis P. 3007, dann über Blockschutt und den sterbenden Gletscherrest zum Schuttcouloir, welches zur Port P. 3290 hinauf führt. Dort holen wir eine englische Dreierseilschaft ein, welche ganz unten einsteigt. In der Hoffnung auf den Sonenaufgang gehen wir kurz in den Einschnitt hinauf, wo uns ein unendliches Nebelmeer empfängt, Mischabel und Monte Rosa färben sich rosa - genial!

Der Einstieg, ca. 6:15 h ist am untersten Eck, also am Beginn des Couloirs zur Port. Wir halten uns etwas zu weit rechts, wo wir in eine Variante im 4. Grad (2 NH) gelangen und etwas Zeit verbraten - immer leicht links in der Verschneidung gehts am leichtesten; die Gratschneide wird nach zwei langen oder drei kurzen Seillängen betreten. 
Die Kletterei am Südgrat gliedert sich in drei anspruchsvollere Steilstücke: der erste Aufschwung nach einigen Metern ist exponiert und hat einen riesigen Haken ("Eisengriff") in der steilsten Stelle; der Griff wird nicht unbedingt benötigt, da  viele natürliche Henkel locken (knapp IV).
Danach folgt leichteres Blockgelände, bis man vor dem zweiten, bollwerkartigen Aufschwung steht: zuerst leicht rechts in einem Kamin, dann über steile, gut gestufte Felsen nach links halten; der Turm ganz oben kann erklettert (lohnender) oder links umgangen werden. Danach folgt ein ausgesetztes, mit Gendarmen gespicktes Gratstück: entweder die Türme überklettern (max. IV, schöner Fels) oder westlich umgehen.
Ein Flachstück, einst Firngrat, heute oft Schuttgelände, leitet zum dritten Aufschwung. Ein erster Turm wird westlich umgangen, die restlichen überklettert: einmal durch einen schönen Kamin III+, ein andermal via eine knifflige Verschneidung mit Fixfriend  (IV, Schlüsselstelle). Kurz vor dem Gipfel westlich wenig unterhalb der Gratschneide traversieren und den Gipfelblock kurz etwas nach Osten ausweichend erklettern (III).
Schöner Gipfel (ca. 9:30 h) mit vom Blitz geprüftem Kreuz, die Gipfelbuchschatulle mit dem lumpigen Büchlein hat auch einige Löcher.

Abstieg via Nordgrat, zuerst seilt man einige Meter nördlich vom Gipfel an solidem Ring über eine 10 m hohe Platte ab, gelangt zur ersten Einsattelung und klettert auf der Ostseite vom Grat ab, um in den Durchschlupf zwischen den zwei markanten Gendarmen zu gelangen. Durch die Spalte hindurch, kurz auf die Westseite (nicht auf der Ostseite bleiben!), dann wieder in die Ostflanke und bis zu einem kleinen Felsenfenster traversieren. Dort kann der Grat durch ein, zwei kräftige Kletterzüge wieder gewonnen werden (III). Auf dem einfachen Blockgrat auf das Firnfeld/Schuttgelände in der Westflanke, dieses Richtung Hütte traversieren und über Blockgelände zur Allmagellerhütte.
Update: das doch ziemlich verwirrende Topo aus der 1. Auflage des Hochtourenführers Wallis (Silbernagel / Topoverlag)  ist in der aktuellen Auflage verbessert und kann kostenlos heruntergeladen werden - super Service, danke!

Wir folgten dem Verbindungsgrat zum Portjenhorn in den tiefsten Punkt, wo ich petitNic nicht von der weiteren Gratüberschreitung überzeugen kann - darum hocken wir kurz vor 12 Uhr bereits wieder bei Kaffee auf der Terasse der Almagellerhütte und planen unser nicht minder lohnendes Nachmittagsprogramm.

Orientierung: Die verbale Beschreibung liest sich kompliziert, ist man dann vor Ort, gibts viele etwa gleichwertige Varianten. Mit einiger Routine im einfachen Fels ist die Route nicht schwierig zu finden. Im genialen Topoführer von Daniel Silbernagel ist die Route (ab der 2. Auflage) prima abgebildet.

Verhältnisse: perfekt! Felsen trocken und handwarm, Firnfelder am Morgen griffig, ohne Steigeisen möglich. Im Abstieg von der tiefsten Lücke im Verbindungsgrat Portjengrat-Portjenhorn steilstes Stück schneefrei, danchach Rutschpartien bis fast zur Almagellerhütte - die Steigeisen blieben die ganze Tour im Rucksack, dennoch sollte ein Paar Leichteisen nicht fehlen, falls das Gletscherchen zur Port ausapern sollte. Die Schneeverhältnisse sind vom Aufstieg zur Almagellerhütte gut einsehbar.

Material: ein kurzes (mind. 30m) Einfachseil genügt, wir waren mit 60m grosszügig  "oversized". Einige kleinere Friends und Schlingen genügen zur Absicherung, wenn auch wenig fixes Material vorhanden ist. Pickel und Leichtsteigeisen, siehe Bemerkung oben.

Zeibedarf: je nach dem, wie geschult das Auge zur Routenfindung und die Seilhandhabung ist, variiert die Begehungszeit stark. Im Prinzip kann der Grat fast komplett am laufenden/kurzen Seil gemacht werden, sofern man im III. Grad sicher klettert. Wir sicherten vom Einstieg bis nach dem 1. Aufschwung  von Stand zu Stand, sowie kurz an den letzten Gendarmen vor dem Gipfel, den Rest am laufenden oder kurzen Seil - mit dieser Taktik benötigten wir für die Kletterei rund 3 Stunden, inkl. Foto und Verpflegungspausen. Dazu kommen 1:30 bis 2 Stunden zum Einstieg und 2 bis 3 Stunden vom Gipfel zurück zur Hütte. Insgesamt darf man inklusive Pausen mit 6 bis 9 Stunden rechnen. 

Tourengänger: Alpin_Rise, petitNic


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Kommentare (2)


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Zaza hat gesagt:
Gesendet am 22. Juli 2010 um 15:17
schöne Tour, tolle Bilder...

A+

zaza

Saxifraga hat gesagt:
Gesendet am 25. Juli 2010 um 22:21
Grandios!


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