Zürcher Couloir


Publiziert von Gecko , 4. Juli 2010 um 09:26.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:24 Juni 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alvier Gruppe   CH-SG 

In meinem alten Churfirstenführer (welcher, unabhängig vom Namen, nicht nur die Churfirsten behandelt, sondern auch noch die Speer- und die Alviergruppe) aus dem Jahre 1983 steht bezüglich Gamsbergsattel unter anderem folgendes:


„Der Sattel wird als Übergang wegen der Schwierigkeiten auf der S-Seite kaum benützt. Von N her ist er leicht erreichbar und öfters besucht in Verbindung mit dem Aufstieg zum Gamsberg. Nach S fällt der Sattel in ein steiles Couloir ab, das im unteren Teil mehrere fast senkrechte Felsstufen aufweist, die im Abstieg fast nur mit Abseilen und im Aufstieg schwierig zu bewältigen sind. Dieser Aufstieg gelang nach etlichen Versuchen erstmals im Jahre 1910 drei Zürcher Touristen, weshalb das Couloir in der Literatur oft ‚Zürcher Couloir‘ genannt wird.“


Am 24. Juni machte ich mich auf in Richtung Zürcher Couloir. Dieses präsentierte sich im unteren Teil stark mit Lawinenschnee aufgefüllt. Meist war der Schnee weich, ein kurzes Stück war aber hart gefroren und verlangte den Einsatz meiner Steigeisen.


Der Führer kommentiert meinen Aufstieg wie folgt:


„[…]Nun in das enger und steiler werdende Couloir hinein. Der Aufstieg in demselben wird erleichtert bzw. eventuell überhaupt erst ermöglicht, wenn noch reichlich Lawinenschnee liegt. Über Blöcke und Schnee gelangt man zu einer ersten grobblockigen Steilstufe. Dann folgt eine etwas mässiger steile und breitere Partie. Die nächste, mehrere Meter hohe und sehr steile Wandstufe ist schwierig; sie wird – eher rechts haltend – über kleingriffiges und bauchiges Gestein überwunden. Einige Meter nun etwas leichter gerade hinauf, dann folgt wieder eine Steilstufe, die etwas nach rechts drängt. Nach einigen weiteren sehr steilen Metern legt sich das Couloir ein wenig zurück und weist Rasenpolster auf. Man hält nun wieder mehr links und erreicht eine schwach ausgeprägte, begraste Rippe. Dieser entlang und zuletzt über einen steilen Rasenhang zum Sattel.

Die Felsabsätze im Couloir sind plattig, kleingriffig, aber leidlich solid, das Couloir als ganzes ist jedoch steinschlaggefährdet. Ein Ausweichen auf die scheinbar leichter  zu begehenden begrenzenden Hänge ist nicht ratsam.“

 

Bemerkungen meinerseits zu dieser Beschreibung: die zweite Stufe besteht aus zwei senkrechten Couloirs, das linke sah einfacher aus, deshalb bin ich dort hoch (genau genommen weist das linke Couloir nochmals zwei Kamine auf, auch dort habe ich das linke gewählt). Für meine Psyche war es gut zu wissen, dass ich ein Seil und ein paar Haken im Rucksack hatte. So konnte ich mir einen eventuellen Rückzug offenhalten.

Nach ca. 20m erreicht man einen Absatz, egal welches Couloir man gewählt hat. Die nächsten Meter bieten keinerlei Schwierigkeiten. Danach wird es wieder steiler und man hat wieder die Wahl von zwei Rinnen…wenn ich die eher knapp ausgefallene Führerbeschreibung in Nachhinein richtig interpretiert habe, hätte ich  mich nun „nach rechts drängen“ lassen sollen, also die rechte Rinne wählen. Die linke sah aber einfacher aus, und die Beschreibung hatte ich zwar im Rucksack, aber so detailliert nicht im Kopf. Also ging ich links…weiter oben konnte ich das Couloir nicht mehr wechseln, und ich wusste auch nicht so genau, ob es rechts leichter war. Vermutlich sind in trockenem Zustand Kletterstellen bis zum dritten Grad zu bewältigen, heute war der Fels aber vom Schmelzwasser  grösstenteils nass. Da ich mit den Steigeisen kletterte spielte diese Tatsache aber kaum eine Rolle. Der Fels war auch nicht mal so schlecht, „leidlich solid“ eben (will heissen, es könnte viel brüchiger sein). Der Ausstieg aus der Rinne hinauf zum Gamsbergsattel weist dann keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr auf (ca. T5).


Nach einer gemütlichen Pause auf dem Gamsbergsattel machte ich mich auf, um die Sichli-Westwandroute zu probieren. Das Querband, welches hier den einzigen sinnvollen Aufstieg zu vermitteln scheint, war noch schneebedeckt. Bei den hohen Temperaturen handelte es sich allerdings um Nassschnee. Darauf wollte ich mich dann doch nicht einlassen, schliesslich bricht die Wand unter dem Band beeindruckend steil ab. Gerade hoch schien es aber möglich zu sein, wenn auch nicht mehr wirklich T6-Wandergelände…um da hoch zu kommen, musste ich meinen Grundsatz „Nur hochsteigen, wenn du notfalls auch wieder absteigen könntest“ vorübergehend beiseite legen. Immerhin war ich mir sicher, dass es geht, zumindest mit vierundzwanzig Zacken an den Füssen und einem Steileisgerät in der einen Hand. Empfehlen würde ich diesen Direktausstieg aber niemandem, da brüchig, steil und exponiert (Ausrutschen wohl nur einmal möglich, kaum eine zweite Chance!). Wer bei soviel Text noch eine Zahl dafür braucht: auf einer Länge von ca. 10m vermutlich T7.


Vom Sichli ist man schnell und ohne Schwierigkeiten auf der Rosswies. Den Abstieg von dort nach Süden kannte ich bereits vom letzten Jahr: steiles, aber einfaches Grasgelände. Der Beginn oben am Grat hatte es dann aber dennoch in sich. Da war ein aufgeweichtes Schneefeld, Teile davon schon abgerutscht. Unter dem Schneefeld bricht die Grashalde bereits nach wenigen Metern steil ab. Sollte der Schnee abrutschen, rutscht und stürzt man fast unweigerlich mit. Ich befürchtete schon, mir einen anderen Südabstieg suchen zu müssen. Ein Gratzacken bot sich dann aber förmlich als Abseilstelle an, und so gelangte ich sicher über den Schnee hinunter.


Tourengänger: Gecko


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Kommentare (2)


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Delta Pro hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 4. Juli 2010 um 09:52
zum Zürcher Couloir, und dem Rest!!
Dachten wir uns doch, dass wir menschlichen Fussspuren auf dem Weg zum Sichli gefolgt sind. Jetzt wissen wir, dass sie zwei Tage alt waren und wem sie gehörten.
Gruss Delta

Berglurch hat gesagt: Gratuliere!
Gesendet am 4. Juli 2010 um 13:33
Jetzt wissen wir, dass es geht...

Gruss


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