Montanhistorischer Rundgang um Berggießhübel


Published by lainari , 24 January 2015, 16h59.

Region: World » Germany » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Date of the hike:18 January 2015
Hiking grading: T2 - Mountain hike
Waypoints:
Geo-Tags: D 
Time: 5:30
Height gain: 300 m 984 ft.
Height loss: 300 m 984 ft.
Route:10,5 km
Access to start point:Anfahrt: Auto oder Bus Linie 216 nach Zwiesel
Maps:1:20.000, SK Nr. 94 Bad Gottleuba-Berggießhübel und Umgebung

Auf den Spuren des Pirnisch Eisen
 
In diesem Jahr bislang selten: Ein Wochenendtag mit Prachtwetter. Nach einer Frostnacht in einen klaren Tag gestartet, musste ich das schneefreie Gelände einfach zu einer montanhistorischen Spurensuche benutzen. Nach kurzer Anreise erreichte ich Zwiesel und parkte gegenüber der Zufahrt an einem kleinen Rastplatz.
 
In der Region Berggießhübel wurde urkundlich belegt von 1388 bis 1925 Eisenerz abgebaut. Dieses trat hier an einer geologischen Störungszone in Form von oberflächennah vorkommenden Braun- und Roteisenerzen und des tiefer liegenden Magnetits auf. Nach jüngeren als gesichert geltenden Erkenntnissen begannen böhmische Eisenbauern schon um 1220 mit der Ausbeutung der Erzvorkommen. In einer ersten Phase geschah dies durch Tagebaue entlang der Erzadern. Später wurde zunehmend untertägig in kleinen Bergwerken gearbeitet. Deren Fördertiefe und Größe war vom Wasserandrang und der technischen Möglichkeit zur Hebung des Wassers begrenzt. In der Schlussphase waren aufwändige Stollen- und Schachtanlagen erforderlich um das technische Problem der Wasserhaltung in größerer Tiefe zu lösen. Ein wichtiges Element waren sogenannte Erbstollen. Diese waren die unterste im jeweiligen Gelände mögliche Entwässerung auf Gefällebasis und „erbten“ somit das anfallende Wasser der höher liegenden Bergwerke. Diese Dienstleistung war entgeltpflichtig.
 
Das Bergrevier Berggießhübel kannte drei historische Abbaugebiete. Meine heutige Tour erkundete zuerst das Gebiet Gißhobel, dessen Name später auf den Ort übertragen wurde. Seine Lage befand sich am Unter- und Mittellauf des Fuchsbaches. Die vorhandenen Erzgänge lagen dabei streifenartig in etwa quer zum Bachverlauf. Zur Entwässerung der schon von der Oberfläche aus über Schächte ausgebeuteten 8 Erzlager wurde hier von 1825-1853 auf einer Länge von insgesamt 1400 Metern der Tiefe Zwiesler Erbstolln aufgefahren. Ich ging vom Rastplatz auf einem Waldweg parallel zur Straße talabwärts und traf nach kurzer Zeit auf eine Halde und den intakten Schachtkopf des 1. Lichtloches. Von hier aus wandte ich mich im schwach ansteigenden Gelände bergwärts und folgte gefühlsmäßig dem Stollenverlauf. Trotz übersichtlichen Hochwaldes kam ich wegen der Umgehung von Mulden und Trichtern im Gelände erst nach Korrektur von 100 m Ostabweichung zum nächsten Punkt, der bisweilen Zwergenberg genannten Halde des 2. Lichtloches. Der Schacht ist heute verplombt. Hier querte der Stollen das Detlev Lager. Auf dem weiteren Weg überschritt ich den Forstweg „Eisenstraße“ und traf dahinter auf die bis zu 3 m tiefe Hohle des historischen Transportweges. Fuhrleute lenken ihre Gespanne dabei von den Kanten des Einschnittes aus.
 
Auf verschiedenen Routen wurde das geförderte erzhaltige Gestein mit täglich zwischen 50 und 100 Fuhrwerken an die Oberläufe von Biela, Bahra, Gottleuba, Müglitz und Roter Weißeritz gebracht, um in den dortigen insgesamt 40 Schmelzhütten und Hammerwerken verarbeitet zu werden. Nicht alle davon waren jedoch im Laufe der Geschichte durchgehend und gleichzeitig in Betrieb. Die weiten Wege waren erforderlich, weil für die Verarbeitung die Ressourcen Wasserkraft und Holzkohle gebraucht wurden, die in der nahen Umgebung lange nicht mehr ausreichten. Für die im 16. Jh. maximale Jahresproduktion aller Hämmer zusammen von bis zu 650 t Eisen (Halbzeuge und Fertigprodukte) wurden bis zu 23.400 t Holz benötigt. Man kann sich vorstellen, wie licht deshalb die damaligen Wälder waren. Die Produkte aus Berggießhübeler Erz, die einst über das Monopol der Eisenkammer Pirna vermarktet wurden, trugen die Qualitätsbezeichnung Pirnisch Eisen.
 
Das nächste Zwischenziel, die Halde des 3. Lichtloches/Martinschachtes erreichte ich erneut nur nach einer Kurskorrektur. Diesmal hatte ich 200 m Ostabweichung, wo nur dieser merkwürdige Ostdrall herkommt…
Auch dieser Schacht ist verplombt. Hier wurde einst das Martin Zeche Lager ausgebeutet, ein Magneteisenerzlager von 2-8 m Mächtigkeit. Ich folgte einem Waldweg leicht bergab und sah erneut viele Mulden, Trichter und Halden im Gelände. Später bog ich nach links auf die heutige asphaltierte Eisenstraße auf. Hinter dem Fuchsbach lief ich rechts einen kleinen Pfad hinab und kam zum Röschen-Mundloch des Johann Georgen Stolln. Das eigentliche Stollenmundloch ist in einiger Tiefe verschlossen und die vorgezogene Rösche wird von einem Sandsteingewölbe überdeckt. Das Wasser wurde einst für den Badebetrieb im Kurbad abgeleitet. Wieder zurück auf der Eisenstraße, lenkte ich meine Schritte an der Einmündung auf die Hauptverkehrsstraße zum heutigen Autohaus. Auf dessen Hof wurde mit dem Erkundungsschacht 381 der Hüttenwerke Gleiwitz von 1938-1942 der letzte Berggießhübeler Bergbauversuch unternommen. Man stieß nicht mehr auf abbauwürdige Vorkommen. Mit einer letzten Schicht im Schacht 381 endete am 31.05.1942 der Bergbau in diesem Revier.
 
Mit der Straßenüberquerung erreichte ich das zweite alte Bergbaugebiet, Witeberg genannt, das den Bereich des heutigen Kirchberges von Berggießhübel umfasste. Zunächst wurde das Erz im Tagebau und kleineren Bergwerken ausgebeutet. Das ertragreiche Mutter Gottes Lager wurde zuletzt ab 1726 vom Friedrich Erbstolln, später Marie Louise Stolln genannt, heute Besucherbergwerk und ab 1871 zusätzlich vom Emma Richtschacht erschlossen. An Letzterem vorbei, der sich heute auf dem Betriebsgelände von Bergiplast befindet, ging ich den Kirchberg hinunter. An zahlreichen Stellen mussten hier schon Bergschäden an Gebäuden und Grundstücken beseitigt werden. So auch in folgender Episode: In einem Beet welkten Pflanzen dahin. Als die Besitzerin diese herausreißen wollte, öffnete sich nahe der Gartenterrasse ein finsterer Schlund und gab den Blick in einen nicht kartographierten Altbergbau frei. Unten am Fuß des Kirchberges angekommen, überquerte ich die Gottleuba und die Hauptstraße, bog zunächst nach links und stieg dann rechts den Hochsteinweg hinauf.
 
Im Bereich des Hochsteins lag das dritte alte Bergbaugebiet, der Knorren. Auf dem Weg aufwärts kam ich gleich darauf zu einem Gedenkstein an den 16 m tiefen Absturz des Obersteigers Hengst bei einem Grubeneinbruch am 02.01.1845, den dieser unbeschadet überstand. Der Gedenkstein steht dabei auf der Schachtplombe des nach ihm benannten Hengst Schachtes. Nun ging ich zunächst eben auf der Karlsleite weiter. Unterhalb des Weges fand ich auf Anhieb die Rösche des Magdalenen Stolln. Da der sichtbare Teil nur etwa 30 cm groß ist, war die Scharte mit den morgendlichen Ostabweichungen wieder ausgewetzt. Anschließend lief ich noch bis zu einem alten Steinbruch, wo in der Bruchwand zumindest scheinbar ein alter Stollen angeschnitten wurde. Zurück am Gedenkstein wandte ich mich bergwärts und erreichte das Mundloch des Tiefen Hammerzecher Stolln. Etwas oberhalb folgte ich weglos den Bergbauspuren. In einer Furche stieß ich auf einen Tagebruch. Es müsste sich beim darunterliegenden Objekt um den Oberen Hammerzeche Stolln gehandelt haben. Als ich mich über den Spalt beugte, strömte mir ein stärkerer warmer Luftzug entgegen. Dies deutete auf eine weitere Verbindung des als unzugänglich bekannten Stollens nach draußen hin. Im weiteren Verlauf passierte ich den großen Trichter der Bolza Pinge, die ab 1777 durch den voranschreitenden Verbruch der Bolza Fundgrube entstand. Nun gelangte ich zu den Hochsteinfelsen. Unter den oberflächlichen Sandsteinfelsen befand sich das ergiebige Trautschold Lager, ein Braueisensteinvorkommen. Ich erklomm den Südfelsen wo ich die Lochmarke MG 2 OM 1725 (Mißgönnt Glück Fundgrube Zweite Obere Maß 1725) auffand. Lochmarken sind Vermessungspunkte von Erz-Abbaufeldern. Vorbei an den Felsen „Zwei Schwestern“ und der danebenliegenden Halde des Markscheideschachtes lief ich zum Nordfelsen, der u. a. die Lochmarke WG 1755 (Grube Wills Gott 1755) trug. Von den „Zwei Schwestern“ aus, folgte ich den Bergbauspuren westwärts bis zur Waldkante. Hier befindet sich die Halde des Hohnstein Stolln, dessen Mundloch verbrochen ist. Auf einem Flurweg kam ich an einigen Häusern vorbei zur Straße. Dort wandte ich mich nach links zum Jagdsteinpass. Dieser war einst eine wichtige Verkehrsverbindung, der Übergang nach Gersdorf kreuzte hier den auf dem Höhenrücken verlaufenden uralten Transitweg Kulmer Steig. Auf dem nun aufgesuchten nahen Jagdstein legte ich meine Mittagsrast ein. Hier bot sich ein schöner Ausblick in westliche Richtung. Nach dem Abstieg ging ich ein Stück zurück und bog rechts auf den Flurweg nach Giesenstein ein. Beim Erreichen des Waldes wurde ich auf die westlichsten Spuren des Berggießhübeler Bergrevieres aufmerksam, wo das Graf Carl Lager ausgebeutet wurde. Zunächst suchte ich die Halden und Schachtmarkierungen des Graf Carl Förderschacht „U“, des Graf Carl Neuschacht „V“ und des Wetterschachtes „T“ im Gelände. Dann wechselte ich zur Gehölzinsel auf dem Feld hinüber. Dabei nahm ich den Weg über den in Schattenlage noch gefrorenen Boden, um nichts zu beschädigen. In der Gehölzinsel liegt die interessante Ruine eines Kalkschnellers versteckt. Da man beim Abbau des Eisenerzes immer wieder auf Kalkstein stieß, baute man hier einst diesen Kalkofen als Verarbeitungsmöglichkeit. Des Weiteren befindet sich auf dem Areal die Halde eines Lichtloches des Tiefen Graf Carl Stolln. Zurück auf dem Flurweg verließ ich das Bergbaurevier.
 
Unterwegs lag noch ein weiterer Kalkofen an der absolvierten Strecke. Dieser wurde „restauriert“, wobei alle Öffnungen verschlossen wurden - quadratisch, praktisch, uninteressant. Am Talboden kam ich nach Giesenstein, das 1472 als Eisenhammer erstmals urkundlich erwähnt wurde. Um 1520 befand sich hier der erste Holzkohlehochofen Sachsens zur Herstellung von Gusseisen. Produkte waren Geschützzeuge, Geschützkugeln, Pochstempel, Siedepfannen und Öfen. Ich wechselte ans andere Gottleuba-Ufer hinüber und folgte dem Poetenweg talwärts. Dieser erinnert an die Kuraufenthalte des Lyrikers Christian Fürchtegott Gellert und des Satirikers Gottlieb Wilhelm Rabener. Am Ortseingang Berggießhübel traf der Poetenweg auf die vom anderen Gottleuba-Ufer über eine Stahlträgerbrücke herübergeführte Bahntrasse der 1976 stillgelegten und abgebauten Gottleubatalbahn. Diese hatte ich zuvor in Giesenstein schon überquert, aber in Straßenseitenlage geführt, fanden sich dort keine markanten Spuren mehr. Im Ort Berggießhübel in Hanglage angelegt, zeichnete sich die Bahntrasse deutlicher ab. Zur Erinnerung an die Bahnstrecke wurden jeweils vor den Bahnhofseinfahrten ein Formvorsignal und Formhauptsignal aufgestellt, die jedoch in beiden Fällen bauartlich nicht zueinander passten. Zudem nehme ich, ohne den historischen Gleisplan zu kennen an, dass auf dieser Nebenbahn die Vorsignale durch Kreuztafeln ersetzt wurden. Ich beging die Trasse talwärts vorbei am einstigen Bahnhof und passierte später die Bahnsteigkante des Haltepunktes Zwiesel. Ich lief bis zum Bach hinunter und bog hinter der Gottleuba-Brücke nach links ein. Nach etwa 100 m befand ich mich vor dem Mundloch des Zwiesler Tiefen Erbstolln, dessen Verfolgung an der Oberfläche den Beginn meiner heutigen Runde gebildet hatte. Nach wenigen Metern kam ich anschließend zum Ausgangspunkt, dem kleinen Rastplatz zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 5 h 30 min. Die Strecke ist mit T2 zu bewerten.
Die heute besuchten Bergbauspuren sind nur teilweise ausgeschildert/erklärt. Die Relikte habe ich freihändig nur nach Karte und eingeprägtem Wissen aufgefunden.
Ein fundierte Zusammenstellung der Bergbaugeschichte mit Karten, Skizzen und Rissen findet sich in A. + S. Fischer, Geschichte der Stadt Bad Gottleuba-Berggießhübel, Teil 3 Bergbau und Eisenverarbeitung.

Hike partners: lainari


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