Wieselstein (2315 m) - irgendwo im Nirgendwo


Publiziert von 83_Stefan , 26. Januar 2014 um 23:18.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Tennen-Gebirge
Tour Datum:11 Januar 2014
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT5 - Alpine Schneeschuhtour
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Via A10 (Ausfahrt "Pass Lueg") oder B159 nach Stegenwald zwischen Golling und Werfen; gebührenfreier Wanderparkplatz neben dem Wirtshaus.
Unterkunftmöglichkeiten:Leopold-Happisch-Haus (1925 m, Naturfreunde Salzburg); Winterraum nur als Notunterkunft empfehlenswert, da nicht ausgestattet: Keine Heizmöglichkeit, kein Licht, kein Geschirr, kein Besteck; allerdings sind genügend Decken vorhanden.
Kartennummer:Freytag & Berndt, WK 392, Tennengebirge, Lammertal, Osterhorngruppe.

Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ist die Welt zu Ende. Wandert man dann noch sieben Stunden weiter, dann kommt das Tennengebirge mit dem Leopold-Happisch-Haus. Hier sagen sich im Winter nicht einmal mehr Fuchs und Hase gute Nacht, so abgelegen ist diese menschenverlassene Gegend. Ob allerdings der Gipfel in dieser Tourenbeschreibung deshalb Wiesel- und nicht etwas Fuchs- oder Hasenstein heißt, ist hingegen nicht bekannt. Direkt am Ende der Welt tragen die Berge so seltsame Namen wie Knallstein oder Hühnerkrall und die Winterräume sind nicht wintergeeignet. Aber das macht nichts - dem Abenteuer auf Schritt und Tritt folgend ist man hier genau richtig, auch wenn's manchmal etwas rustikaler zur Sache geht. So etwa im nicht beheizbaren Winterraum des Leopold-Happisch-Hauses... mit einem halben Dutzend Decken und warmen Gedanken lässt sich auch eine kalte Nacht gut überstehen und man beginnt wieder, die elementaren Dinge des Seins zu schätzen.

Auch der Weg ins Nirgendwo beginnt irgendwann mal an einer Autobahn. Im konkreten Fall in Stegenwald, direkt an der Tauernautobahn. Wer auf die Karte schaut und die Höhenangabe dieses Orts liest weiß, dass es sehr weit bis zum Leopold-Happisch-Haus ist. Ein Weg führt über eine freie Fläche hinüber zur Autobahn und unter ihr hindurch. Wen hier schon der Mut verlässt, der kann die Bergstiefel gegen einen Notizblock tauschen und munter Autos zählen; der Rest folgt einem Weg direkt neben der Autobahn in den Wald hinein. So kann wenigstens niemand behaupten, die Tour wäre nicht verkehrsgünstig gelegen. Nachdem man die Autobahntrasse durch ein Tor im Viehzaun verlassen hat, geht's im Wald zunächst flach weiter und der schwache Fahrweg geht in einen Steig über. Dieser schwingt sich auf und leitet hinauf zu einer Forststraße, die gequert wird. Steil geht's im Wald bergauf und direkt an der Abbruchkante zum Ofenrinnbach öffnen sich interessante Blicke auf dessen Wasserfälle. Weiter oben macht der Steig einen Linksknick und führt auf eine freie Fläche, auf der die Ruinen der Grünwaldalm stehen. Hier findet sich für lange Zeit die letzte Quelle.

Das Almgelände wird durchquert und im Wald geht's hinüber zur Grünwaldrinne. Der Steig quert die sehr steilen, lawinösen Hänge, die die Rinne begrenzen, und erreicht ihren Grund. Ambitioniert geht's die Rinne bergauf, teilweise werden 45° erreicht. Kurz bevor sich die Rinne markant zur Ofenrinne zusammenschürt, wird sie an einem Felsblock nach rechts verlassen. Schräg nach rechts ansteigend gewinnt man an Höhe und erreicht schließlich einen versicherten Abschnitt, der durch steile Schrofen endlich hinüber ins weitläufige Gelände des Pitschenbergtals leitet. Dort trifft man mit dem vom Pass Lueg kommenden Steig zusammen.

Im breiten Tälchen geht's mit großartiger Bergumrahmung in südlicher Richtung dahin und bald zeigt sich ganz hinten über dem Talschluss das Leopold-Happisch-Haus, aber der Weg ist noch weit. Auf etwa halber Strecke wird die verfallene Vordere Pitschenbergalm passiert, von dem dortigen kleinen See wird man im Winter wohl nichts mitbekommen. Ganz hinten im Talschluss wendet man sich scharf rechts und umgeht durch den latschenbestandenen Hang die steile Wand.  Oben auf der Anhöhe angekommen, ist es nur noch ein Katzensprung zur Hütte. Der Winterraum liegt direkt unter dem Haupteingang, ist aber nur als Notraum anzusehen, verfügt er doch nicht mal über eine Heizmöglichkeit; auch Geschirr, Besteck oder Licht sucht man vergeblich. Dafür gibt's ausreichend viele modrige Decken und Kissen... und etwa 10 kg Hunde-Trockenfutter, nicht zu vergessen die Dose Bier mit Ablaufdatum 11.11.1996 (!), die bereits kurz vor dem Durchrosten steht. Eine Nacht hier oben in völliger Abgeschiedenheit gerät durchaus zur Herausforderung.

Der Vorteil der kalten Nacht: morgens bricht man gerne wieder auf. Dem hinter der Hütte beginnenden Rücken folgt man bergauf, schließlich wird das Gelände wieder flacher. Das riesige Hochplateau des Tennengebirges tritt hier so richtig in Erscheinung. Über die abwechslungsreich modellierte Steinwüste mit tiefen Dolinen geht's etwas links haltend auf den Gipfelaufbau des Südlichen Wieselsteins heran, dessen nach Osten ziehender Grat günstigerweise angepeilt wird. Auf ihm hinauf zum höchsten Punkt, auf dem nur ein Steinmann steht. Damit ist der höchste Punkt der Tour erreicht. Die Aussicht ist wahrlich gigantisch. Mitten auf dem weiten Hochplateau des Tennengebirges gelegen, hat man vom Gipfel einen ungehinderten Blick in alle Richtungen: Hochkönig, Hoher Göll, Watzmann, Dachstein, die Niederen Tauern, die grünen Berge der Osterhorngruppe... aber besonders beeindruckt die weite, hügelige Karstfläche. In der Ferne erblickt das Auge den Höhenzug von Böhmer Wald und Bayerischem Wald - der Südliche Wieselstein bietet so viel mehr, als sein Name erwarten lässt.

Alleine schon wegen der wunderbaren Aussicht in alle Richtungen lohnt der Abstecher zum Mittleren Wieselstein, der zwar etwas niedriger, aber dafür kreuzgeschmückt ist. Man verlässt den Gipfel in nördlicher Richtung und steigt über den steilen Nordhang hinunter zur Scharte zwischen den beiden Wieselsteinen. Von dort - am Ende recht steil - hinauf zum Mittleren Wieselstein (Kreuz und Buch).

Über den Südlichen Wieselstein geht's wieder zurück zum Leopold-Happisch-Haus, es sei denn, man möchte auch noch den Nördlichen Wieselstein oder den Knallstein besuchen. An der Hütte beginnt dann der weite Abstieg zurück ins tief eingeschnittene Salzachtal - was für ein Kontrast: Oben tiefer Winter, im Tal blühen die Blumen! 

Schwierigkeiten:
Von Stegenwald auf's Leopold-Happisch-Haus: WT5 (teilweise sehr steil und lawinengefährdet, nicht immer leicht zu finden und sehr lang - im Winter mit großer Vorsicht zu genießen!).
Vom Leopold-Happisch-Haus zum Südlichen Wieselstein: WT3 (Vorsicht auf Dolinen; bei Nebel große Verirrungsgefahr!).
Abstecher zum Mittleren Wieselstein: WT4 (Abstieg vom Südlichen und Gipfelanstieg zum Mittleren Wieselstein teils ziemlich steil).

Fazit:
Eine unvergessliche 5*-Schneeschuhtour, die zum Feinsten gehört, was man mit Schneeschuhen in den Nördlichen Kalkalpen erleben kann. Die Tour ist so abwechslungsreich, dass keine Minute Langeweile aufkommt. Auf der beschriebenen Route ist im Winter absolut niemand unterwegs - dazu mag die Tatsache beitragen, dass die Gegend sehr abgelegen und der Winterraum des Leopold-Happisch-Hauses eigentlich nur ein Notraum ist. Wer eine eiskalte Nacht in Kauf nimmt, wird sein Leben lang von den Erlebnissen auf dieser einsamen Tour zehren können.

Mit auf Tour: Uwe.

Anmerkungen:
Der Anstieg vom Pass Lueg zum Leopold-Happisch-Haus ist vermutlich deutlich einfacher begehbar als der hier beschriebene, lawinengefährliche Zustieg von Stegenwald.

Kategorien: Tennengebirge, Mehrtagestour, Biwak, Schneeschuhtour, 5*-Tour, 2300er, WT5.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (9)


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alpstein hat gesagt:
Gesendet am 27. Januar 2014 um 06:39
Abenteuerlich kann ich da nur sagen. Respekt und Gratulation!

Gruß
Hanspeter

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Januar 2014 um 07:53
Hallo Hanspeter, vielen Dank! Ja, abenteuerlich war's wirklich. Vor allem die eiskalte Nacht im Winterraum war ein Erlebnis - bei jedem Atemzug ist die Feuchtigkeit kondensiert. Hab ich bis dato auch noch nicht erlebt. Jetzt hat man bei der DAV-Hüttensuche wenigstens den Vermerk "keine Heizmöglichkeit" aufgenommen, der davor gefehlt hat.

Gelöschter Kommentar

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. Januar 2014 um 20:19
Danke dir! Hmmm, ich bin einer Übernachtung auf der Vorderen Pitschenbergalm ehrlich gesagt eher abgeneigt... wobei es vielleicht gar nicht so viel kälter gewesen wäre.

Chiemgauer hat gesagt: Neues Wohnzimmer?
Gesendet am 27. Januar 2014 um 22:35
Da seid ihr ja fleißig in "meinem Wohnzimmer" unterwegs. Nur zu besuch oder gefällt es so gut, dass ihr einzieht? :D
Nördliches Tennengebirge, wie auch Hagengebirge, hat schon etwas. Landschaftlich ein Traum und durchwegs einsam. Im Winter dürfte es sich auf Knallstein von Scheffau begrenzen, was meines Wissens in gewissen Kreisen eine beliebte Skitour ist.
Wenn alles nach Plan läuft, dann wird diesen Sommer wieder etwas Licht auf einen schwarzen Hirkfleck im Tennengebirge geworfen. ;-)
Gratulation zur Tour und Gruß!
Hans

83_Stefan hat gesagt: RE:Neues Wohnzimmer?
Gesendet am 28. Januar 2014 um 06:40
Ich habe mich immer schon fürs Tennengebirge interessiert, jetzt war halt die Gelegenheit glücklicherweise mal da. Schee war's!

> Wenn alles nach Plan läuft, dann wird diesen Sommer wieder etwas Licht auf einen schwarzen Hirkfleck im Tennengebirge geworfen. ;-)

Na dann schauen wir mal, wer's von uns schneller zum Bleikogel schafft ;-) !

Chiemgauer hat gesagt: RE:Neues Wohnzimmer?
Gesendet am 28. Januar 2014 um 20:50
Weiß nicht ob ich deinem Smiley entnehmen darf, dass du schon oben warst und nur noch veröffentlichen musst!?
Ansonsten liegt dieser auf einer von mir geplanten Runde, ist aber nicht mein Hauptziel. Ich habe da einen ganz anderen Gipfel im Auge, der mir keine Ruhe lässt ;-)

83_Stefan hat gesagt: RE:Neues Wohnzimmer?
Gesendet am 30. Januar 2014 um 00:21
>Weiß nicht ob ich deinem Smiley entnehmen darf, dass du schon oben warst und nur noch veröffentlichen musst!?

Genau so ist es:
*Bleikogel (2411 m) - mit Schneeschuhen im Tennengebirge

Dann viel Erfolg! Ich würde nicht bis zum Sommer warten ;-) !

Chiemgauer hat gesagt: RE:Neues Wohnzimmer?
Gesendet am 30. Januar 2014 um 21:57
Sommer hat halt den Vorteil, dass eure 2 Tagestouren bereits als Hälfte einer ausgiebigen Tagestour möglich sind ;-)
Wenn der Winter so erfreulich bleibt, dann kann man sich vielleicht schon ab Mai ... :D
Gruß und weiter viel Spaß in meinem Wohnzimmer!
Hans


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