While you were sleeping: Bei Vollmond auf den Fürstein


Publiziert von TomClancy , 26. Februar 2013 um 18:39.

Region: Welt » Schweiz » Obwalden
Tour Datum:25 Februar 2013
Schneeshuhtouren Schwierigkeit: WT3 - Anspruchsvolle Schneeschuhwanderung
Wegpunkte:
Geo-Tags: Entlebucherflühe - Fürstein   CH-LU   CH-OW   Pilatusgebiet 
Zeitbedarf: 4:00
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m

Auf der Heimfahrt nach einem anstrengenden Arbeitstag juckts mich in den Füssen: es ist Vollmond, der Himmel klar, da muss noch was gehen!

Geschwind die Schneeschuhe zusammengerafft, den Rucksack gepackt, eine Thermosflasche Tee gekocht und ab in die Berge! Auf dem Langis ist es bitterkalt und der Parkplatz um 2000 Uhr naturgemäss praktisch leer. Nur ein einsamer Ratrac-Fahrer präpariert die Piste für den nächsten Tag.

Im fahlen Licht des Vollmonds ziehe ich die Schneeschuhe an und los geht's. Zügig wandere ich durch den Trogenwald hoch zur Alp Schnabel. Von dort will ich direkt aufsteigen zum Schnabelspitz. Eine Abstiegsspur führt mich in die Irre und so breche ich das aussichtslose Unterfangen nach kurzer Wühlerei ab und suche mir die nächste direkte Spur nach oben. Hier gelingt's. In gut angelegter Spur steige ich über die weiten Hänge immer höher. Ich verliere viel Zeit mit Fotografieren. Immer wieder tauchen neue Motive auf. Mit klammen Fingern klaube ich meinen Fotoapparat, den ich zum Schutz vor der grimmigen Kälte gut verstaut habe, aus dem Etui, montiere ihn auf's Gorrillapod und drücke ab. Das dauert halt etwas, aber ich habe keinen Zeitdruck. Die Einsamkeit umfängt mich wie ein eiskalter Mantel: so lebensfeindlich ist es bei dieser Kälte und trotzdem so entrückt schön - ganz speziell, dieses Gefühl! Ich geniesse jeden Schritt. Beim Schnabelspitz erreiche ich den Grat, der zum Rickhubel führt. Das Gipfelkreuz des Rickhubel ist abgebrochen. Ich benutze trotzdem die Gelegenheit für ein Gipfelfoto und einen Rundblick über das gewaltige Panorama. Der Mond scheint so hell, dass sich mein Schatten ganz scharf im Schnee abzeichnet. Bis jetzt war ich noch nicht sicher, wie weit ich heute Abend wandern möchte. Ein Blick auf die Uhr und an den immer noch klaren Himmel und der Entschluss ist gefällt: der Fürstein ist Ziel.
Über den breiten Gratrücken stapfe ich nun zügig los Richtung Pt. 1912, wo der Gipfelanstieg beginnt. Schneller als erwartet, stehe ich um 2230 Uhr oben auf dem Gipfel. Die Rundsicht ist überwältigend und die Einsamkeit fast absolut: wären da nicht die fernen Lichter von Flühli oder ab und zu ein vorüberziehendes, blinkendes Flugzeug, man könnte sich irgendwie wie ein einsamer Mammut-Jäger während der Eiszeit fühlen.

Der Windchill-Faktor ist nur noch eine theoretische Grösse, es wäre auch ohne Wind bitterkalt. So fällt die Teepause aus, ich trage mich mit steifen Fingern im nagelneuen Gipfelbuch ein, das die SAC Sektion Brugg hier am Vortag deponiert hat.  Dann mache ich mich im Express-Tempo auf den Rückweg. Wo immer möglich, geniesse ich im Abstieg die Hänge in der Diretissima und verfolge meine eigene Linie im jungfräulichen Schnee: welche Freude, so durch die Einsamkeit zu pflügen. Dies gibt mir auch Gelegenheit, die Schneebeschaffenheit ganz unmittelbar zu erleben. Die Pulverschneemassen vom Wochenende haben sich nach nur einem sonnigen Tag an den Südexpositionen bereits in einen unangenehmen Harschdeckel verwandelt. Ein deutliches Zeichen, dass es bald Frühling wird? Auffällig ist auch, dass nicht nur die Exposition, sondern auch die Hangneigung einen starken Einfluss auf die Umwandlung der Schneeoberfläche hat: je mehr die Hänge von ca 30° abweichen (steiler oder flacher) desto  ursprünglicher, pulvriger ist der Schnee. Das kann man sicher auch in schlauen Büchern nachlesen, aber auf der nächsten Skitour wird mir das selbst Erlebte eher in den Sinn kommen, als Angelesenes.

Kurz vor Mitternacht bin ich wieder beim Auto im Langis. Der Parkplatz ist mittlerweile leer. Der gefährlichste Teil der Tour beginnt: die Fahrt nach Hause! Auf der Rückfahrt nach Sarnen schrecke ich noch einen Hasen auf, der ziemlich verduzt mitten auf der Strasse hocken bleibt und sich wundert, was das wohl für ein Spinner ist, der um Mitternacht noch den Glaubenberg runterfährt. 

Fazit: eine wunderschöne, meditative Tour.

Tourengänger: TomClancy


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Kommentare (11)


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Winterbaer hat gesagt:
Gesendet am 26. Februar 2013 um 19:53
> Auf der Rückfahrt nach Sarnen schrecke ich noch einen Hasen auf, der ziemlich verduzt mitten auf der Strasse hocken bleibt und sich wundert, was das wohl für ein Spinner ist, der um Mitternacht noch den Glaubenberg runterfährt. Fazit: eine wunderschöne, meditative Tour.

Ganz nach dem Geschmack eines Winterbaeren:-)
Die Eindrücke davon bleiben ganz, ganz lange in einem drin. Den Hasen hätte ich dann gerne mit heim genommen:-)
Ein sehr schöner Bericht! Ich liebe einsame Mondnächte am Berg....überhaupt einsame Stunden am Berg zu den unmöglichsten Zeiten. Sind wir verrückt oder einfach nur extreme Genießer?

VG Uschi

TomClancy hat gesagt: Verrückte Geniesser
Gesendet am 26. Februar 2013 um 21:11
Hoi Uschi!

Leider war der Hase ziemlich mager, da wär der Winterbär nicht satt geworden davon !

Danke für Dein nettes Feedback. Mir hat diese Tour jedenfalls sehr gut getan. Gerade Nachttouren holen mich immer wieder etwas vom Tagesstress und den Alltagssorgen herunter und der heutige Tag war deshalb ziemlich relaxt.

Ich geniesse den ver-rückten Blick auf den Alltag den ich auf diesen Unternehmungen bekomme und betrachte mich deshalb als ver-rückten Geniesser. Das Extreme liegt mir eher fern :-)

Auf viele schöne Vollmondtouren und andere ver-rückte Unternehmungen!

LG

TC

Winterbaer hat gesagt: RE:Verrückte Geniesser
Gesendet am 26. Februar 2013 um 22:17
Mensch Tom, ich hätte doch den Hasen niemals gegessen! Wo denkst Du hin! Bevor ich ein Tier ermorde, ess ich doch nur Nudeln mit Käse. Ich hätte ihn mitgenommen und aufgepäppelt. Ich mag Hasen doch so gern.
Genau wie Du schreibst: so eine Tour holt einen wieder runter und gibt einem für die nächsten Tage ein erhabenes Gefühl, über dem dummen Alltag zu stehen. Leider hält das Gefühl nicht lange an, dann hat einen die "Normalität" wieder eingeholt. Wenn man dann nicht bald wieder raus kommt, geht`s einem schlecht.
Das Extreme liegt mir auch eher (sehr) fern. Aber bei Nacht durchzulaufen bis zum Sonnenaufgang (haben wir letztes Jahr ein paar Mal gemacht:-) ist doch auch irgendwie "extrem". Ich liebe diese Stimmungen. Nur muss es dabei ruhig sein. Stille...Voraussetzung für meditative Touren, schöne Sonnenauf- und -untergänge:-)

Ich wünsch Dir ganz viele davon!

Servus
Uschi




TomClancy hat gesagt: Entschuldige!
Gesendet am 27. Februar 2013 um 09:04
Da hab ich dem Bären aber Unrecht getan! Ein Vegi-Bär also. Tja, der Hase hätte liebevolle Pflege nötig gehabt.

Auf jedenfall danke ich Dir fur Deine netten Worte und wünsche auch Dir viele tolle Erlebnisse im 2013!

LG

TC

Winterbaer hat gesagt: RE:Entschuldige!
Gesendet am 27. Februar 2013 um 10:31
Nein, Tom, ich bin leider kein richtiger Vegi-Bär. Wenn ich mir aber vorstelle, was das da war, was ich esse, werd ich irgendwann noch einer. Ich wollte sagen, ich könnte im normalen Lebene keine Beute töten, um sie zu essen. Ich find die Tiere alle total nett: egal ob Kuh, Schwein, Pferd, Esel, Hase, Tintenfisch.... Dann lieber Bratkartoffeln und Nudeln:-) Wenn man wirklich am Verhungern wäre...dann kann es schon sein, dass alles anders ist, wohlgemerkt.....Flugzeugabsturz in den Anden...Du erinnerst Dich? Sag niemals nie.... Ich brauche aber nicht unbedingt Fleisch.

Ich wünsch Dir auch viel Sonne und viele schöne Mondnächte. Dieser Winter war - bei uns- der dunkelste seit 42 Jahren! Bei Euch hatte es viel, viel mehr Sonne. Das hab ich ja hier an den Bildern gesehen. Es lebe die schöne, sonnige Schweiz:-)

VG
Uschi

TomClancy hat gesagt: Eine Frage des Standpunkts
Gesendet am 27. Februar 2013 um 11:35
Also ich betrachte mich als Teilzeitvegetarier. Mir geht es nicht so sehr um das Töten, sondern viel mehr um das davor. Ich denke nicht, dass es gesund ist und ethisch vertretbar, Fleisch von Tieren zu essen, die unter fragwürdigen Umständen gelebt/vegetiert haben. Das bedeutet, dass ich gerne ab und zu Fleisch esse, von dem ich weiss, woher es kommt. Ich verzichte aber nach Möglichkeit auf Kantinenfleisch und andere Billigangebote. Ich lasse da aber jedem seine Meinung.

Ja, das mit der Sonne ist so ein Thema! Auch bei uns scheint der Winter eher trüb gewesen zu sein, sagen die Statistiker. Ich hatte nicht viel Zeit mich darum zu kümmern. Aber mir ist eh jedes Wetter recht- Hauptsache draussen!

Liebe Grüße
TC

Winterbaer hat gesagt: RE:Eine Frage des Standpunkts
Gesendet am 27. Februar 2013 um 12:00
Ganz genau und alles auch meine Meinung.
Tiere, Menschen und die Erde zu quälen ist wirklich widerlich. Schade, dass es nicht jedem aus tiefster Seele widerstrebt, das zu tun!
> Aber mir ist eh jedes Wetter recht- Hauptsache draussen!
Genau so ist es! Aber....wenn dann noch ein bisschen die Sonne scheint, wenn man die Wärme von ihr spüren kann (und sie ist schon ganz schön kräftig um diese Jahreszeit!) dann ist alles oberperfekt! Auch unsere Knochen (Vitamin D, Immunsystem) und die Psyche (Melatonin, Serotonin) brauchen nachgewiesenermaßen die Sonne. So ein Leben in der Dunkelheit ganz oben im Norden wäre nix für mich:-(

Heute hat`s bei uns wieder mal Hochnebel. Man kann sich ja immerhin aber die Webcams reinziehen, wo ab 1700 m die schönste Sonne scheint:-)
Da fällt mir noch der Spruch ein, den man früher immer in die Poesiealben geschrieben hat, der passt hier wie die Faust auf`s Auge:
" Hab Sonne im Herzen,
ob's stürmt oder schneit,
ob der Himmel voll Wolken..."
de.wikipedia.org/wiki/C%C3%A4sar_Flaischlen

In diesem Sinne: glücklich ist, wer so eine Vollmondnacht am Berg erleben darf oder sonst innen drinnen immer fröhlich ist:-) Der Winterbaer kann allerdings manchmal auch ganz schön "zwider" sein. Aber nicht am Berg! :-)

Alles Gute
Der Bayrische Nebelbaer:-)

kopfsalat hat gesagt:
Gesendet am 27. Februar 2013 um 13:47
> Zügig wandere ich durch den Trogenwald hoch zur Alp Schnabel.

kommt mir - leider - irgendwie bekannt vor ...

> was das wohl für ein Spinner ist, der um Mitternacht noch den Glaubenberg runterfährt.

was das erst für spinner waren, die drei wochen dort oben blieben ... lange ist's her. zum glück.

TomClancy hat gesagt: Dann hoff ich doch...
Gesendet am 27. Februar 2013 um 17:15
... Du bist mir nicht böse für diese www.hikr.org/gallery/photo1033523.html?post_id=61872#1 oder diese www.hikr.org/gallery/photo1033525.html?post_id=61872#1 Erwähnung? Sonst lösche ich sie natürlich! Nicht dass sich Dein Glaubenbergtrauma reaktiviert :-)

Gruss

TC

Felix hat gesagt:
Gesendet am 11. März 2013 um 18:45
toll, toll - was für eine Stimmung, was wohl für ein Erlebnis; Gratulation!
lg, Felix

TomClancy hat gesagt: Allerdings!
Gesendet am 12. März 2013 um 14:15
Danke Felix!

Ich liebe Nachttouren, aber diese war wirklich etwas ganz Besonderes: die Kälte, die Einsamkeit, die ganze Szenerie hatte etwas sehr Anrührendes, Unwirkliches, Episches...

Sehr speziell, unvergesslich!

Liebe Grüsse

TC


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