Cristallina (2912m)

Nach sehr, sehr viel Schlaf standen wir am Montag pünktlich zum Sonnenaufgang am Basodino auf. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, um ca. 9 Uhr zur Cristallina aufzubrechen und nahmen's entsprechend gemütlich. Angesichts der 1h 15min, welche im SAC-Führer angegeben sind, machte ein früherer Aufbruch schlicht keinen Sinn.

Der Nordföhn hatte leicht nachgelassen, blies aber immer noch heftig. Die Querung entlang des Poncione della Forca di Cristallina war daher wenig angenehm. Wir hatten gehofft, dass im Kessel unterhalb der Cristallina etwas ruhigere Windverhältnisse anzutreffen wären, doch leider war dies kaum der Fall.

Mit den Erfahrungen des Vortags im Kopf hatten wir noch bei der Capanna die Harscheisen montiert. Eine absolut richtige Entscheidung, wie sich im Aufstieg durch den steilen Westhang (35° auf 100Hm unterhalb des N-Grats) zeigen sollte. Der Hang war stark abgeblasen, der Schnee pickelhart und teilweise mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Meine Augen konzentrierten sich daher primär auf die Harscheisen, denn auszurutschen wäre angesichts der Verhältnisse und der Windböen recht einfach gewesen – und wohl auch recht schmerzhaft.

Etwas 20m unter dem N-Grat entledigten wir uns der Skis. Ganz auf den Grat hätten wir's damit kaum geschafft. Wir bewaffneten uns mit Eispickeln und kämpften uns zum Grat hoch. Immerhin liessen sich gute Tritte in den Schnee stampfen. Vom Grat zum Gipfel ging's dann auch recht schnell und knapp 1h 15min nach Aufbruch bei der SAC-Hütte erreichten wir die Cristallina.

Das Panorama übertraf unsere Erwartungen und der Wind liess sogar eine viertelstündige Gipfelrast zu. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Der Blick reichte vom Weisshorn auf der einen zum Bifertenstock auf der anderen Seite. Traumhaft!

Weniger traumhaft war natürlich der Abstieg. Konzentriert stiegen wir zum Skidepot ab und da die Flanke im obersten Bereich felsdurchsetzt bzw. schneearm war, beschlossen wir die Skis erst etwas weiter unten anzuziehen. Sicherlich ein guter Entscheid – für unsere Skis wie auch für unsere Sicherheit. Die Abfahrt in den Kessel entpuppte sich aufgrund guter Routenwahl sogar noch als Genuss. Wir traversierten etwas nach Norden, um in eine schöne Triebschneerinne zu gelangen. Auch im unteren Teil suchten wir nach weiteren – absolut ungefährlichen – Triebschneenestern, um doch noch ein paar schöne Schwünge ins Weiss zu fabrizieren.

Noch vor Mittag waren wir zurück in der Capanna, wo wir uns nochmals etwas ausruhten und stärkten. Schade nur, dass der Wind nicht zuliess, dass man sich an der Südfassade der Hütte ein paar Stunden sonnte...

Die Abfahrt nach Ossasco gehört in die Kategorie „Abfahrten zum Vergessen“... Auf den obersten 200Hm gab's wenigstens ein paar schöne Triebschnee-Hänge zu befahren, danach war nichts Positives mehr zu vermelden. Eine harte, teils gedeckelte und total verspurte Unterlage begleitete uns bis ins Tal. Die finale Abfahrt durch den Wald liess sich zwar noch gut machen, verlangte aber nochmals volle Konzentration und harten Kanteneinsatz. Schön ist anders, doch wir hatten den Schnee ja auch nicht besser erwartet. Und zwei schöne Tage im Gebirge und das Panorama auf dem vereinsamten Cristallina-Gipfel entschädigten für sämtliche Wind- und Schlechtschnee-Aspekte der Tour.

SLF: mässig (Triebschnee oberhalb 2200m)