Eine spontane Übernachtung im Val d`Herens ermöglichte mir einen für meine Verhältnisse frühen Start zu einen noch nicht definierten Ziel. Da ich mit Kartenmaterial nicht optimal ausgerüstet war, kramte ich in der Erinnerung und entschied mich für einen Aufstieg von Arolla Richtung Col de Chevres/Riedmatten und einen Versuch entweder an La Rousette oder La Cassorte / Monts Rouges.
Das Wetter meinte es gut. Keine Nebelschwaden verhinderten am Ausgangsort im hoch gelegenen Arolla 2067m den Blick auf die von der Morgensonne hellerleuchtete Pigne d`Arolla. Der Aufstieg an den Osthängen nach La Remointse 2399m war nach 9 Uhr ebenfalls besonnt und heizte dem Körper ein. Landschaftlich ist diese Region eine meiner Lieblingsecken im Wallis, vor allem im Oktober. Die Stille, die Klarheit der Luft, die kontrastreichen Farbenspiele, lassen Eintauchen in eine andere Welt. So frei der Atem, so frei der Geist.
Die wenigen Skiliftmasten stören da nicht sonderlich. Ich biege ab nach Nordosten in ein Tal (Les Fontanesses). Dem Bachlauf folgend, kommen meine möglichen Ziele immer näher. Eine Entscheidung fällt schwer. Eine Verflachung, etwas östlich von P.2900m (kleiner See) ist erreicht. Vielleicht reicht die Energie ja sogar für zwei Gipfel. Ohne Druck entscheide ich mich für La Remointse. Der Aufstieg scheint mir durch eine breite Schuttrinne möglich, die Richtung Nordosten bis knapp an den Grat reicht. Der Gipfel ist am breiten Grat nicht klar auszumachen.
Je mehr ich mich der Rinne nähere, desto mehr legt sich diese zürück. Es ist deutlich weniger steil, als zunächst vermutet. Die Steine halten zudem ausgezeichnet. So macht es Freude. Der Untergrund ist teilweise noch gefroren, was den Hang zusammenhält, aber leider auch einige Steine recht rutschig machte. Mit der nötigen Vorsicht und dem Wissen, dass die Sonne zunehmend das Coilour für den Abstieg auftauen wird, bleibt die Zuversicht für eine erfolgreiche und entspannte Unternehmung gewahrt. Es hat zwei etwas steilerere Stufen mit ca. 40°, welche die gängige Literatur als "ein wenig mühsam" betiteln würde. Nach meinem Gusto aber purer Genuss. 100m unter dem Grat muss ich mich entscheiden, welcher Felsturm nun der höchste sein könnte. Hier liege ich falsch und halte zu weit nach rechts. Als ich den Grat erreichte, sehe ich, dass ich doch etwa 50m zu niedrig bin. Ich begebe mich nach Westen, was allerdings Kletterei bis II. mit sich bringt. Da die Felsen mit Reif überzogen sind und die Sache ausgesetzt ist, entscheide ich mich gleich wieder südseitig abzuklettern (kurz II / T5-).
Eine wild anmutende Rampe führt mich nun unschwierig zum Gipfel weiter westlich. Die Kotierung liegt etwa 5m unter dem höchsten Punkt, der noch weiter westlich mit einem Steinmann markiert ist. Die Aussicht ist wunderschön und trotz kühler Temperarturen wegen Wind halte ich mich lange am Gipfel auf.
Für den Abstieg wähle ich die gleiche Route, nur dass ich selbstverständlich auf den kleinen Abstecher zum östlichen Gratpunkt verzichte. Der Einstieg in das Couloir zwingt mich an einer anderen Stelle erneut zu einer kleinen Kletterei (I). Wahrscheinlich wäre es etwas weiter westlich einfacher gewesen. Mir sagte allerdings mein Bauch, dass dort das Geröll lebendiger sein könnte.
Der Abstieg verlief dank des aufgeweichten Untergrunds entspannt und ohne Zwischenfälle. Da die Temperaturen absackten und einige Wolken aufzogen, verzichtete ich auf einen sicherlich noch zeitaufwendigen Anstieg Richtung La Cassorte und ich begab mich gemütlich zurück nach Arolla.
Fazit:
Wildes Gelände mit alpinen Charakter, das im T4 Schwierigkeitsgrat zu meistern ist. Wer im Geröll routiniert ist, dem kann die Sache empfohlen werden. Vermutlich ein sehr selten bestiegener Berg. Keine Spuren, keine Steinmänner. Für den ambitionierten Alpinisten ist die Sache wohl nur lohnend, wenn er den Grat bis La Cassorte 3301m weiterklettert.
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