Grünstein (2661 m) - vom Drachenkar in die Hölle


Publiziert von 83_Stefan , 29. Mai 2012 um 21:55.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:26 Mai 2012
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der Straße Fernpass-Ehrwald nach Biberwier. Dort am östlichen Ortsrand parken. Parkgelegenheiten an der kleinen Straße.
Unterkunftmöglichkeiten:Coburger Hütte (1917 m, DAV Sektion Coburg).
Kartennummer:AV-Karte 4/2 - Wetterstein- und Mieminger Gebirge Mitte.

Der gewaltige Grünstein ist der höchste Berg der westlichen Mieminger Kette und er überragt den Kessel um den Drachensee fast drohend mit seiner mauerglatten Nordwand. Kein Durchkommen von dieser Seite, möchte man meinen. Wandert man aber - vorbei am tiefblauen Drachensee - hinein ins hinterste Drachenkar, wird man einer Schwachstelle in der Wand gewahr. Eine steile Rinne zieht direkt durch die Felsmauer nach oben. Ist sie komplett mit Schnee gefüllt, ist sie begehbar, wobei man mit dem Wort "Schwachstelle" sehr vorsichtig sein muss, denn die Rinne erreicht nahezu 60° Neigung - eine anspruchsvolle Eistour in der Mieminger Kette... wer hätte das für möglich gehalten?!?

Ausgangspunkt für diese ungewöhnliche Tour ist Biberwier, zwischen Ehrwald und dem Fernpass gelegen. Alles konzentriert sich hier auf die Zugspitze, man wirbt mit dem gewöhnungsbedürftigen Slogan "Tiroler Zugspitz Arena". An eine Hochtour denkt hier aber niemand, schon gar nicht am Grünstein. Aber das ist der besondere Reiz des Ganzen. Mit Pickel, Steigeisen und Helm bewaffnet geht es also hinauf zur Biberwierer Scharte, wo man in das Reich der Mieminger Kette eintritt: Mit einem Mal öffnet sich der Blick ins Innere dieses Gebirges und man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das untere Schwärzkar etwas absteigend querend, wird bald die Coburger Hütte erreicht, die als Stützpunkt dient.

Am nächsten Morgen geht es - vorbei am tiefblauen und in aller Regel großteils noch vereisten Drachensee - hinein ins Drachenkar, das vom langen Ostgrat des Grünsteins gesäumt wird. Am Ende des Kars droht der Grünstein bereits mit seiner prallen Nordwand. Dort setzt eine nicht zu verfehlende Rinne an, die die Wand durchzieht und vor einem Vorgipfel des Grünsteins auf dem Grat mündet.

Der weitere Aufstieg ist schnell beschrieben: In der Rinne bergauf! Wichtig ist, sich bei etwaigen, durch Ausaperung bedingten Verzweigungen rechts an der Wand des Grünstein-Vorgipfels zu halten, sonst endet die Tour in der Felswand (ich weiß, wovon ich spreche). So gelangt man hinauf zur Scharte, an der die Rinne am Ostgrat des Grünsteins ansetzt. Bei schlechten Bedingungen erwartet einen hier eine respektable Randkluft.

Ab jetzt wird's deutlich einfacher. Nach Westen, den Aufschwung südseitig umgehend, gelangt man bald zur Scharte zwischen Vor- und Hauptgipfel. Man steigt einige Meter ab und gelangt durch ein markantes Band in die Schuttreisse, die von der Scharte nach Süden hinunter zieht. Direkt unterhalb des Gipfelkörpers wird sie gequert, wo man wieder auf ein Felsband trifft (Steinmann), das um den Gipfelblock leitet. In unschwieriger Kraxelei (I) wird nun direkt der Gipfel erstiegen.

Der Ausblick ist gigantisch: im Norden bildet das Wettersteingebirge den Blickfang, im Osten die Riesen der östlichen Mieminger Kette. Die Ausblicke in die anderen Richtungen werden durch keine höheren Berge beschränkt und reichen, soweit die Sicht es eben zulässt. Vom großen Kreuz kann man zufrieden hinunter ins Drachenkar und zur Coburger Hütte schauen, die zum Greifen nahe scheint, aber doch Welten entfernt ist.

Nun wartet der völlig gegensätzliche Abstieg nach Süden hinunter in die Höllreise. Es geht auf dem bereits beschriebenen Band zurück zum Schuttstrom, der direkt östlich des Gipfels ansetzt. Durch ihn hinunter, bis zum Beginn der Felsen, die den Schuttstrom von der Höllreise trennen. An einem Steinmann verzweigt sich der Strom in zwei Rinnen. Der im AV-Führer beschriebene Normalweg führt über die schmälere, linke Rinne nach unten. Am 27.05.12 war diese Rinne durch das gefrorene Schmelzwasser der Schneefelder aber großflächig vereist, sodass uns nur der Abstieg über die rechte Rinne blieb. Diese führt in meist fester, angenehmer Kraxelei nach unten, ist aber von zwei Wandstufen (bis III) unterbrochen, die überwunden werden müssen. Diese Stufen sind zwar griff- und trittarm, aber weder besonders ausgesetzt, noch sonderlich hoch. Der zuverlässige (!) Fels erleichtert zusätzlich den Abstieg. So werden bald die Schuttströme der Höllreise erreicht, die zum markierten Wanderweg hinunter leiten.

Der Rest ist Formsache: nach rechts über den Wanderweg zum Gipfelhaus Marienberg, noch ein Stück auf der Skipiste am Rücken bergab und bald nach rechts auf den Jubiläumsweg abzweigend, der durch die Ostflanke von Marienbergspitzen und Wampetem Schrofen quert und dabei einige Schuttströme passiert. Nach dem kurzen, lohnenden Abstecher zum Schachtkopf geht's auf dem Knappenweg bergab, der in den Kappensteig mündet. Dort wird der Aufstiegsweg erreicht, dem man zurück nach Biberwier folgt.

Schwierigkeiten:
Über Biberwierer Scharte zur Coburger Hütte: T3.
Anstieg via Nordrinne und Ostgrat zum Grünstein: ZS+, I (Hochtour, Rinne fast 60° steil, nicht zu sichern).
Abstieg zur Höllreise über beschriebenen Weg: T6-, III (diese Route entspricht nicht der im AV-Führer beschriebenen Normalroute).
Vom Marienberghaus über Schachtkopf nach Biberwier: T3 (Weg teils etwas abgerutscht).

Fazit:
Eine kaum zu überbietende 5*-Rundtour - so viel Abwechslung in einer Tour findet man sonst kaum. Die phantastischen Seen im Herzen der wilden Mieminger Kette, der Anblick des Zugspitzstocks, ein Eisanstieg, eine Grattour auf einen ungemein schönen Gipfel und der Abstieg auf die gegensätzliche Südseite machen die Tour unvergesslich.
Die Aufstiegsroute muss als klassische, anspruchsvolle Hochtour gewertet werden - die Rinne ist normalerweise bockhart gefroren und etwa so steil wie die Hochfeiler-Nordwand.[1] Pickel, Steigeisen und Helm sind obligatorisch. Der begangene Teil des Ostgrats ist nicht besonders schwierig. Der Normalweg nach Süden ist laut AV-Führer vergleichsweise harmlos, aber Vorsicht, wenn die Abstiegsrinne vereist ist!
Die beschriebene Tour ist - wenn überhaupt - nur am Anfang der Saison für wenige Wochen empfehlenswert, wenn die Rinne durchgehend mit sicherem Schnee gefüllt ist und auf der anderen Seite ein gefahrloser Abstieg möglich ist.

Mit auf Tour: Stefan und Uwe.

Anmerkungen:
Sowohl der Anstieg über die Nordrinne wie auch der Abstieg über den Normalweg sind im AV-Führer "Mieminger Kette" meiner Meinung nach gefährlich lückenhaft beschrieben. Der AV-Führer "Wetterstein und Mieminger Kette" ist deutlich besser.
kardirk hat den Grünstein über den Ostgrat besuch. Hier sein Bericht.

Kategorien: Mieminger Kette, Mehrtagestour, Hochtour, 5*-Tour, 2600er, T6.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (12)


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kardirk hat gesagt:
Gesendet am 30. Mai 2012 um 08:28
Gratulation,
da habt Iht ja ein paar tolle Touren hingelegt, ist ja fast schon im Westalpen Stil.Respekt für diese klasse, aber auch ziemlich anspruchsvolle Tour.

Beste Grüße
Dirk
Dirk

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. Mai 2012 um 09:33
Danke dir!

simba hat gesagt:
Gesendet am 30. Mai 2012 um 10:48
Da kann man nur gratulieren! Bombentour!!! Alpinismus in den nördlichen Kalkalpen ;)
Gruß
Si

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 30. Mai 2012 um 11:55
Danke! Sowas erwartet man eigentlich wirklich nicht in den Miemingern...

simba hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Mai 2012 um 14:35
In der Tat...ähnlich der Nordfirnrinne des Großen Krottenkopfs im Allgäu, die bei mir seit ein paar Jahren schon auf dem erweiterten Programm steht ;)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Mai 2012 um 14:42
Klingt auch interessant! Es gibt in den Kalkalpen einige solcher Rinnen. Problem ist nur, dass die Eistour dann meist nur in einem kurzen Zeitfenster möglich ist.

DHM123 hat gesagt: Respekt :)
Gesendet am 30. Mai 2012 um 11:31
Klasse-Tour, super gemacht.
Der Abstieg durch die Rinne schaut aber nicht toll aus ...
Ein Rutscher und das war's - mag ich ja nicht so ...

83_Stefan hat gesagt: RE:Respekt :)
Gesendet am 30. Mai 2012 um 11:56
Vielen Dank!
Es war ja auch ein "unschwieriger" Abstieg geplant... aber wie das so ist, kommt es oft anders als geplant. Vor allem in der Randsaison. Da muss man halt dann irgendwie durch.

quacamozza hat gesagt: À la bonheur...
Gesendet am 31. Mai 2012 um 13:41
Hallo Stefan,

da kann man nur staunen und gratulieren. So ne heftige Tour werde ich den ganzen Sommer nicht unternehmen. Das ist Bergsteigen par excellence!
Genial hoch zehn.

Sportliche Grüße von Ulf

83_Stefan hat gesagt: RE:À la bonheur...
Gesendet am 31. Mai 2012 um 13:49
Danke Ulf! Ich habe sehr großen Respekt vor deinen Steilgrastouren, die ich für mindestens ebenso anspruchsvoll halte. Vielleicht klappt's ja doch mal mit einer Tour...
Beste Grüße!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 31. Mai 2012 um 14:18
Megastark!!
Ich gratuliere....

beste GRüße vom ADI ;-)

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Mai 2012 um 14:35
Danke!
Und beste Grüße zurück!


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