Gerberkreuz SW-Grat und westl. Karwendelspitze NO-Grat - 2 Perlen im Karwendelkalk


Publiziert von algi , 14. November 2011 um 10:58.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Karwendel
Tour Datum:13 November 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V- (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der B2 Richtung Mittenwald / Scharnitz. Bei der Ausfahrt Mittenwald/Karwendelbahn abfahren, nun gleich wieder nach rechts, Richtung Garmisch weiterfahren. In der Linkskurve vor der Auffahrt zur B2 befindet sich ein Wanderparkplatz.

Ich dachte mir, es ist mal nötig, eine Lanze für den Karwendelfels zu brechen. Südseitig fällt mir hier spontan das Gerberkreuz ein, dieser Gipfel hat den Vorteil ( wenn man das so sehen will ), dass sowohl die klettersportlichen, als auch die alpinen Ambitionen zur Geltung kommen. 5 Seillängen feinste Kletterei  bis zum "Vorgipfel", und danach noch ein eher alpiner Aufstieg bis zum Hauptgipfel. Und falls die Zeit reicht, dann kann ich ja auch noch die westl. Karwendelspitze mitnehmen.

Ausrüstung:
Für die Seilschaft normale Kletterausrüstung mit kleinem Klemmkeilsortiment.
Falls jemand auch eine Solo-Begehung vor hat, würde ich auf richtige Kletterschuhe nicht verzichten wollen.

Um 8:30 Uhr geht es bei frostigen Temperaturen vom Parkplatz los. Der Weg führt mich zunächst zur Mittenwalder Hütte, beim Aufstieg bemerke ich, dass die Karwendelbahn offenbar nicht in Betrieb ist, dies bereitet mir eine diebische Freude. Nun weiter auf dem bezeichneten Weg Richtung Lindlähnkopf, beim letzten Stück weht mir ein eisiger Wind von der Anhöhe entgegen, ich habe schon Bedenken, ob man bei diesen Temperaturen überhaupt klettern kann. Kurz vor dem Lindlähnkopf zweigt links eine deutliche Spur in Richtung Gerberkreuz SW-Wand ab, ich folge ihr bis unter den schrofigen Vorbau, von hier gibt es mehrere Möglichkeiten, die ca. 60 - 80 Hm bis unter die Wand zu erklimmen. Ich halte mich zunächst mehr links an eine Rinne, quere auf halber Höhe rechtshaltend heraus, und erreiche zuletzt, über eine Latschengasse, die kleine Schulter, die den westl. Wandteil von der SW-Wand trennt. Der  SW-Grat bietet 2 Anstiege: den klassischen Weg ( IV ) und eine neuere Route, die sich "Pinocchio" ( V- ) nennt. Meine Wahl fällt auf Pinocchio, da ich den Klassiker bereits kenne, und der Kamin in der 2-ten SL, mit Rucksack und aufgesteckten Skistöcken nicht besonders elegant zu meistern ist.

Da mein Karwendelführer mind. 30 Jahre alt ist, habe ich mir noch ein Topo aus dem WEB ausgedruckt, leider ist bereits das Original so verwaschen, dass man außer der Linienführung nicht mehr viel erkennen kann. Wo ist denn nur der Einstieg ? Diese Frage beschäftigt auch 2 sehr junge Kletterer, die ebenfalls diese Route klettern wollen. Die beiden sind "up to date", und gönnen mir einen Blick in ihren aktuellen Führer  V- , V-, IV, IV, III, so sind die Schwierigkeiten auf die Seillängen verteilt, aber den Einstieg finden wir anhand der Beschreibung trotzdem nicht. In 15 m Höhe sehen wir eine Bandschlinge mit Karabiner, das könnten die ersten Meter doch sein, die beiden sind skeptisch, ich möchte es einfach mal probieren. Es ist ein seltsames Gefühl, nach über 4 Jahren, das erste mal wieder in die hautengen Kletterpatschen zu schlüpfen, aber passt immer noch wie angegossen. Als ich die Bandschlinge erreicht habe, dämmert mir langsam, dass dies keine Zwischensicherung, sondern eine Abseilstelle aus einem Verhauer ist ( Hornochse, da hättest du auch früher draufkommen können ). Nur ohne Seil, seilt es sich mal schlecht ab, also Flucht nach vorne, nochmal 10 m rauf, dann erreiche ich die kleine Schlucht hinter der Kante. Wenigstens war diese Aktion nicht ganz umsonst, 15 m weiter rechts sehe ich 2 Bohrhaken blitzen, dort drüben muss der richtige Einstieg liegen. Hier entdecke ich dann auch noch 2 Standhaken, und gebe den beiden jungen Aspiranten Bescheid.
Die erste SL führt über eine Platte rechtshaltend in eine kleine Gufel, ein Überhang auf der linken Seite vermittelt den Weiterweg. Hier geht es ganz schön zur Sache, mit IV hat dies eindeutig nichts mehr zu tun. Danach kommt der Standplatz, es ist mittlerweile so warm, dass ich dort die Jacke ausziehen, und im T-Shirt weiterklettern kann. Unmittelbar nach dem Stand kommt die 2-te Schlüsselstelle der Tour, ein kleingriffiger Quergang mit weiten Trittabständen in steilem Gelände. Danach ist das Schwerste geschafft, und ich klettere die restlichen 3 1/2 SL in schönem und meist festem Fels bis auf den "Vorgipfel", von dem eine Abseilpiste wieder zum Wandfuß führt.

Mich führt der Weg jedoch weiter zum Hauptgipfel, man kann die Schwierigkeit selbst variieren, links am Grat ist es schwerer, weiter rechts im Schrofengelände natürlich leichter. Kurz vor dem Gipfel wartet nochmal eine schwerere Kletterstelle, ein scharfer ausgesetzter Grat, der links umgangen wird, führt in eine Scharte ( sollte auch direkt gehen, ich schätze mal ein IIIer ), dann kurze Querung nach rechts zu einer Wandstelle und direkt darüber ( IV ). Danach sind es nur noch wenige Schritte zum schiefen Gipfelkreuz.
Ein schmaler Steig führt, meist unterhalb des Grates, weiter zur nördl. Linderspitze und dem Mittenwalder Höhenweg. Von hier hat man ein phantastischen Blick auf die Gipfel rechts und links des Karwendeltales. Ich verfolge den gesicherten Höhenweg weiter in nördlicher Richtung, bis die westl. Karwendelspitze in mein Blickfeld gerät. Ein fast waagrechter Steig unterhalb des felsigen Gipfelaufbaus führt zum Abstiegsweg ins Dammkar hinüber, auf dem Weg dorthin, muss man nun die gelbbrüchigen Felsblöcke eines Bergsturzes übersteigen, schade, der gesicherte Weg wurde auf einer Länge von 10 - 15 m weggerissen. Kurz darauf quere ich auf einem Band rechtshaltend hinaus zum Beginn der NO-Kante. Ein einbetonierter Standhaken zeigt mir, dass ich goldrichtig bin. Die Kante bietet ca. 2 SL IV-er Kletterei in gutem Fels. Nach dem Band bin ich dann nochmal eine schwerere Ausstiegsvariante "reingedappt", aber der Fels war Klasse, und meine Stimmung sowieso.
Nun  stehe ich ganz allein auf dem Gipfel, kann die tolle Aussicht genießen, und das weiche Spätherbstlicht auf mich wirken lassen.

Abstieg dann über die "Wanne" hinunter zur Mittenwalder Hütte, hier muss man teilweise schon richtig aufpassen, einige Stellen sind mit Spiegeleis überzogen.
Mir hat es großen Spaß gemacht, und die geschloßene Karwendelbahn war das Tüpfelchen auf dem "i".

Gruss Albert

Tourengänger: algi


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Kommentare (2)


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Anton hat gesagt: Gerberkreuz
Gesendet am 17. November 2011 um 21:39
Hallo Albert,
das Du ein harter Hund bist habe ich ja mittlerweile mitbekommen, da ich Deine Touren aufmerksam verfolge. Am Dienstag habe ich bei Kaiserwetter Deine Teufelsgrattour von der Gehrenspitze aus verfolgt. Ich bin wie Du ein Einzelkämpfer und kann Deine Touren im Umkreis vom Mittenwald nachvollziehen. allerdings in einer anderen Liga ,da ich Rentner und schwerbehindert bin aber wenn es meine Knochen zulassen immer noch am Ball, zu meinen Mög
lichkeiten. Eine harte wenn auch selten begangene Tour ist für harte Hunde, bis knapp unter Mittenwalder Hütte, (obwohl Lisa auf der Hütte mit Ihrem Angebot durchaus zu empfehlen ist ) Aufstieg vordere Kreuzklamm, Westgrat Viererspitze übergang nördlicher Karwendelkopf , Grad und Aufstieg über mittleren K.Kopf und Wahlweise Abstieg ins Dammkar oder über Bergstation wie gehabt über M.Hütte ins Tal.. Ich wünsche mir noch viele Erlebnissberichte von Dir in unserer Heimat.
Grüß von Anton aus Mittenwald

algi hat gesagt:
Gesendet am 18. November 2011 um 06:57
Hallo Anton

danke für den Tipp. Werde ich mir vormerken. Wenn es auf der Nordseite wieder wärmer geworden ist, dann "schaun mer mal".

Viele Grüße aus Franken
Albert


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