Fradusta (2939 m) - Bergsteigen in der südlichen Palagruppe


Publiziert von gero , 12. August 2011 um 18:11.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:10 August 2011
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1910 m
Abstieg: 1910 m
Strecke:Cant del Gal - Val Pradidali - Rif. Pradidali - Passo Fradusta - La Fradusta - Forc. Alta del Ghiacciaio - Passo Canali - Val Canali - Rif. Treviso - Cant del Gal (20,6 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Über den Rollepaß über San Martino di Castrozza hinab nach Siror und Fiera di Primiero; über den Ortsteil Tonadico ins romantische Val Canali hinauf bis Cant del Gal. Gebührenpflichtige Parkplätze (4 Euro pro Tag).
Kartennummer:Tabacco Nr. 022 (Pale di San Martino, 1:25.000))

Ausgangspunkt der im folgenden beschriebenen, landschaftlich großartigen Rundtour durch die südliche Palagruppe ist Cant del Gal (1180 m), im unteren Val Canali gelegen. Es handelt sich dabei um einen lieblichen Platz im Wald mit mehreren Gasthäusern - und Parkmöglichkeiten für Tausende von Besuchern. Aber so ist das halt in den Dolomiten: die Schönwettergarantie erkauft man sich mit Massenauflauf. Es sei denn, man ist so früh unterwegs wie ich - dann hat man die Bergwelt für sich alleine.

Allerdings kann es passieren, daß man dafür andere Kröten schlucken muß: braver Staatsbürger, der ich bin, will ich um 4:30 Uhr bei Abmarsch den Parkautomaten füttern. Denkste - nachdem Gebührenpflicht nur zwischen 8:00 und 17:00 besteht, verweigert der Blechdepp die Annahme meiner Münzen. Na dann halt nicht ... wird schon gutgehen, denke ich mir und wandere in den noch dunkeln Morgen hinein.

Irren ist aber menschlich - darauf komme ich zum Schluß meines Berichtes nochmal zu sprechen; dort auch eine Erläuterung der generell miserablen Parksituation in der Pala für Bergsteiger.

Immer bestens beschildert, folge ich dem Weg Nr. 709 zum Rifugio Pradidali. Er ist auch im Dunkeln problemlos zu begehen (die Batterien der Taschenlampe sind leider leer), aber schon nach kurzer Zeit reicht das erste Licht der Morgendämmerung zum Sehen aus. Der Steig überquert nach 5 Minuten an der Colonia Don Bosco den Bach und führt dann orographisch rechts aufwärts. Nach 1 Std. komme ich an Pedemonte (1640 m; auch: Portela) vorbei - inzwischen ist die Ostwand des Sass Maor zum die Szenerie eindrucksvoll beherrschenden Element geworden: sie erglüht in den Strahlen der aufgehenden Morgensonne und verleiht meiner um diese Uhrzeit einsamen Wanderung eine ganz spezielle Note.

Der Steig wird nun steiler, er windet sich in vielen Kehren von Absatz zu Absatz empor zur Pradidalihütte; gelegentlich sind kurze kettenversicherte, teils künstliche Stufen zu erklimmen, die aber keinerlei Schwierigkeit darstellen. Je höher ich komme, desto wilder wird die Szenerei - beidseitig des Val Padidali streben Pfeiler, Schluchten, Wände, Zinnen in den Himmel, und an der Pradidalihütte (2278 m; 7:10 Uhr) stehe ich der gewaltigen Westwand der Cima Canali gegenüber: sie wird von einer rinnenartigen Schlucht schräg durchzogen, duch die der Normalweg verläuft.

Erstaunlicherweise habe ich für die 1100 Hm nur 2,5 Std gebraucht (incl. kurzer Fotografierpausen) und bleibe damit 1 Std unter der bei Cant del Gal angegebenen Gehzeit von 3,5 Std. - der Steig läßt sich aber auch hervorragend begehen, so grad die richtige Neigung für effizientes Gehen. Die großartige Landschaft beflügelt meine Schritte, der Auftrieb ist enorm.

Weiter geht es gut beschildert auf Weg Nr. 709 hinein in das obere Val Pradidali (das von den Ostwänden der Cima Immink und der Pala di San Martino beherrscht wird); zunächst relativ eben vorbei am fast ausgetrockneten Lago Pradidali kurz nach der Hütte. Die Richtung zielt auf den Passo Pradidali Basso (kurz nach dem Seelein zweigen unbeschilderte Steigspuren zum Passo Pradidali Alto ab), der jedoch beim Aufstieg zur Fradusta nicht ubedingt erstiegen werden muß: etwa 30 Minuten oberhalb der Hütte weist ein Schild zum Passo Pradidali Basso (2658 m, 30 Minuten), und genau an dieser Stelle folge ich über einen Geröllhang unbezeichneten, doch bequem gangbaren Steigspuren hinauf zum Passo Fradusta, der schon seit einiger Zeit das Tal in markanter Weise abschließt. Als ich droben ankomme, stehe ich am südlichen Rand des Altipiano delle Pale, der weitläufigen, teils karstigen Hochebene, die für die Palagruppe so charakteristisch ist, weil sie allseits mit mächtigen Felswänden in die umgebenden Täler abbricht.

Der eigentliche Passo Fradusta (2680 m) ist aber unerwarteterweise hier noch nicht ganz erreicht; mit etwas Auf und Ab folge ich den Steinmännern durch Mulden und über Kuppen, bis ein großer Wegweiser den Fradustapaß anzeigt. Ich stehe hier in aussichtsreicher Position unmittelbar unter der Nordflanke der Fradusta (deren Gletscherchen zu einem besseren Schneefeld degeneriert ist) mit phänomenalem Blick über weite Teile der Palagruppe; besonders eindrucksvoll deren Hauptkamm mit Cimon, Vezzana, Bureloni und wie die Türme und Zinnen dort drüben alle heißen. Nur - bei unsichtigen Verhältnissen dürfte die Orientierung in diesem Gelände mehr als schwierig sein, im Nebel möchte ich hier nicht herumstochern müssen!

Vom großen Wegweiser des Passo Fradusta folge ich der Beschilderung auf Steig Nr. 708 zur Forcella Alta Ghiacciaio (2727 m); es geht dabei in einiger Entfernung am Gletscherseelein des kärglichen Fradusta-Gletschers vorbei, der nicht betreten wird. Hervorragend markiert mit Steinmännern und roten Tupfen führt der Steig einige Male auf und ab, um schließlich den Osthang der Fradusta an einem weiteren Wegweiser zu erreichen (9:20 Uhr; die Gletscherscharte liegt unterhalb, ich werde sie erst später beim Weiterweg überqueren).

Von diesem Wegweiser geht es nun, weiteren Steinmännern folgend, in knapp 40 Minuten auf den Gipfel der Fradusta (2939 m); um 10 Uhr sitze ich auf den Gipfelblöcken, ich habe somit einschließlich aller Fotografier- und sonstiger Pausen 5,5 Std. gebraucht (in der Kartenunterlage des GPS-Tracks steht an dieser Stelle "Pala di San Martino" sowie daneben "Vezzana" - wo diese Einträge herkommen, weiß ich nicht, sie sind beide falsch!).

Tja, da sitze ich nun auf dem südlichsten 2900er der Palagruppe - und genieße mein Dasein und die herrliche Aussicht in vollen Zügen. Noch bin ich ganz allein (erst später beim Abstieg kommen einige Bergsteiger entgegen), es ist völlig windstill und vor allem wolkenlos. Die Aussicht reicht von der Adamello- und Ortlergruppe im Westen über die Zillertaler Alpen im Norden bis in die Julischen Alpen im Osten, und mit ein bißchen Phantasie schweift der Blick über die Adria bis nach Kroatien, das Mittelmeer glitzert sozusagen zu meinen Füßen. Dem Panorama ist zu entnehmen, daß im Süden weit jenseits der oberitalienischen Tiefebene die nördlichen Ausläufer des Appenin erahnt werden können.

Welch ein großartiger Tag ... dafür hat sich wieder sämtlicher Aufwand im Zusammenhang mit der weiten Anreise gelohnt, und auch die Unannehmlichkeiten, die im Tal auf mich warten (irgendwie sagt mir mein Bauchgefühl, daß die Parkuhr mich noch ärgern wird), sind mit diesem Gipfelerlebnis abgegolten.

Ich statte auch dem (wenige Meter niedrigeren) Westgipfel einen kurzen Besuch ab - dabei ist eine 10m kurze, sehr ausgesetzte Gratstelle zu meistern, die allerdings südseitig knapp unter der Gratschneide umgangen werden kann. Es ist dies überhaupt die einzige Stelle des gesamten Aufstiegs, wo man - bildlich gesprochen - erstmals die Hände aus den Hosentaschen nehmen muß. Auf dem Westgipfel stehen viele Steinmänner herum, die Aussicht ist aber die gleiche wie vom Hauptgipfel, der übrigens ein Vermessungszeichen des Militärgeografischen Instituts trägt.

Nach gut einer Stunde alpinen Hochgenusses schultere ich wieder meinen Rucksack und mache mich auf den Weiterweg - er führt mich zunächst auf den Ostgipfel, der ebenfalls minimal niedriger als der Hauptgipfel ist. Von hier aus kann man auch in die Berge östlich des Val Canali hineinsehen, durch das ich im folgenden absteigen werde.

Im Geschwindschritt geht es nun abwärts zur Forcella Alta del Ghiacciaccio (2727 m); ich folge dabei dem beschilderten Steig Nr. 708 Richtung Passo Canali und Rifugio Treviso. Er leitet, etwas steiler werdend, 500 Hm hinunter in die Senke der Buse Alte, die von den Höhenzügen der Fradusta und der Cima Manstorna eingerahmt wird.

Nach kurzem Gegenanstieg ist dann der Passo Canali (2467 m, 90 Min. ab Fradusta-Gipfel) erreicht - wieder so ein Wegekreuz, von dem es in alle möglichen Richtungen weitergeht. Sehr eindrucksvoll erheben sich gleich gegenüber die Felsbastionen der Cima Alberghetto - sie flankieren das Val Canali, das es nun steil, aber anregend hinuntergeht. Der Steig windet sich zunächst noch durch Geröllhalden, die dann aber mehr und mehr von Rasenflecken durchsetzt werden. Unter der türmereichen Westflanke der Croda Grande zweigt die Ferrata Fiamme Gialle ab, sie führt abenteuerlich hinauf zum Bivacco Reali.

Kurz vor dem Rifugio Treviso (1631 m) taucht der Steig in Bergwald ein, und hier hat mich die Zivilisation in Form aufgeregt lärmender Kindergruppen, Touristen in Halbschuhen und Schoßhündchen, die in Tragetaschen heraufgeschleppt werden, wieder eingeholt. Der letzte Abschnitt meiner Bergtour besteht im Abstieg ins untere Val Canali, es geht an der Malga Canali (1302 m) vorbei und auf der nunmehr geteerten, öffentlich befahrbaren Almstraße zurück zum Ausgangspunkt Cant del Gal.


EPILOG

Es kommt, wie es kommen muß - an der Windschutzscheibe ein Knöllchen wegen nicht bezahlter Parkgebühr. 39 Euro kostet mich der Spaß, als ehrliche Haut morgens vor Tau und Tag am Parkautomaten gescheitert zu sein. Ich nehme es mit Galgenhumor, denn immerhin ist es keine Parkkralle (wie ich sie übrigens im Sextener Fischleintal an anderen Fahrzeugen schon gesehen habe).
Trotzdem nagt der Ärger an mir. Ich besuche die zuständigen Carabinieri und versuche (auf Englisch, Deutsch können sie hier in Südtirol ja nicht) zu klären, daß ich doch bezahlen wollte und wie ich das anstellen soll, wenn der Parkautomat die Münzen nicht annimmt. "You MUST pay" ... die lakonische Antwort, eine andere Erklärung ist vom zuständigen Polizisten nicht erhältlich. Na also ... dann löhne ich halt die Strafgebühr gleich an Ort und Stelle, eine andere Chance habe ich nicht, und eine ehrliche Haut bleibe ich damit allemal.

Abschließend: die PARKMÖGLICHKEITEN in der gesamten Palagruppe sind unter bergsteigerischen Aspekten MISERABEL !! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Bergsteiger hier unerwünscht sind, denn es sind 1) alle Parkplätze entweder generell nachts von 21.00 bis 7.00 Uhr gesperrt oder 2) tagsüber von 8.00 bis 17.00 gebührenpflichtig (und NUR in dieser Zeit nehmen die Automaten die Parkgebühr an).
Bleibt die Frage ungeklärt, wo man sein Auto hinstellt, wenn man - wie ich - eine längere Tagestour oder gar eine Mehrtagestour machen möchte. Die Carabinieri kontrollieren offenbar überall rund um die Pala .... der einzige freie Parkplatz ist unmittelbar oben östlich unterhalb am Rollepaß bzw. etwa 3 km unterhalb der Paßhöhe an der Straße nach San Martino di Castrozza (kleiner P am Straßenrand).
Damit haben sich - leider - weitere Aktivitäten meinerseits in der Pala erledigt (obwohl es in dieser großartigen Gruppe noch viele lohnende Ziele gäbe). Denn ich bin nicht bereit, mich jedesmal zuerst mit den Parkautomaten und anschließend mit den Carabinieri anzulegen. Aber so ist das halt ... wo mit den Touristenmassen Kohle zu machen ist, ist die bergsteigende Minderheit unerwünscht.

Tourengänger: gero


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 7083.gpx Auf Rundtour über die Fradusta

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Kommentare (3)


Kommentar hinzufügen

ma90in94 hat gesagt: Parken in der Pala
Gesendet am 12. August 2011 um 19:46
Das mit dem Parken in der Pala liest sich ja grauenvoll. Könnte mir nur vorstellen, daß die Wohnmobile in den Sommermonaten alles zugeparkt haben, mit ihren entsprechenden Hinterlassenschaften. So hat die Gemeinde ihre Konsequenzen gezogen.
Viermal war ich in der Palagruppe, zuletzt 1996. Da haben wir noch zu zweit unbedarft in Cant del Gal und anderswo übernachten können, allerdings immer in der Nachsaison Oktober. Die Pala ist für mich der absolute Höhepunkt der Dolomiten. So viele Highlights auf kleinstem Raum.
Sollte ich dort nochmal aufkreuzen, weiß ich nun Bescheid, daß ich meinen PKW nicht vor 8 Uhr abstellen kann, was immer zu spät ist. Echt schade.
Übrigens, sehr schöne Bilder.

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 13. August 2011 um 05:54
Sehr ärgerlich, diese Parkabzocke! Ich weiß nicht, ob ich dann so brav gezahlt hätte, denn das ist schon ein starkes Stück. Wie ich ja neulich schon geschrieben hatte: auch im Marteller Tal ist die Parkplatzsituation nicht allzu viel besser. Aber vielleicht laufen die Automaten sogar nachts...

Felix hat gesagt: eindrücklich, ...
Gesendet am 15. August 2011 um 07:54
diese Bergwelt - da hast, lieber Georg, wieder ein schönes Bergerlebnis gehabt und geschildert; lg


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