Gross Mythen: Geissstock SE-Wand (6b)


Publiziert von mde , 27. April 2010 um 22:42. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Schwyz
Tour Datum:24 April 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: 6b (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Mythengruppe   CH-SZ 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 700 m

Die SE-Wand am Geissstock, in der Südflanke des Gross Mythen war früher eine Route der Extremen, wurde ziemlich oft begangen und mit 6, A1 bewertet. Im museumsreifen und äusserst spannenden Wandbuch der Erstbegeher von 1957, das noch immer vor Ort ist, finden sich denn auch alle Schweizer Alpingrössen der 50er und 60er Jahre wie z.B. Kurt Grüter, Franz Anderrüthi, Seth Abderhalden, Heidi und Albin Schelbert, die Gebrüder Andres, etc. In den 70er-Jahren wurde die Route dann zum Testpiece für die junge "Schnafler"-Generation um Martin Scheel, Roli Heer und Konsorten, welche sich mit möglichst kurzen Begehungszeiten, Altersrekorden und Schlafentzug vor der Tour gegenseitig unterboten.

Um 1990 wurde anlässlich einer ersten Sanierung für eine gute Grundabsicherung mit Bohrhaken gesorgt. So wie es scheint, wurden später (Datum ist mir unbekannt) noch einige weitere Bohrhaken hinzugefügt. Dennoch wurde die Route nie mehr so populär wie in den Anfängen. Heute trägt sich im Schnitt nur noch etwa 1x pro Jahr eine Seilschaft im Wandbuch ein, in der Regel ambitionierte Alpinkletterer aus dem Raum Zürich, der Zentral- und Ostschweiz. In meinem Augen ist das schade, und auch nicht ganz verständlich: andere alte Extremrouten aus dieser Zeit, wie z.B. am Bockmattli oder die Südverschneidung am 2. Kreuzberg, sehen heute noch viel mehr Begehungen - vielleicht liegt's ja einfach dran, dass bisher kein verlässliches Topo existierte.

Wie auch immer, trotz den etwas grasigen ersten Seillängen bietet die SE-Wand im oberen Teil rassige Kletterei in sauberem Fels. Auch wenn nach heutigen Massstäben keine extremen Kletterstellen warten, so ist doch der versierte Alpinkletterer gefragt. Trotz der guten Grundabsicherung mit neuzeitlichen Bohrhaken muss hier und da auch noch ein Klemmgerät platziert werden. In den steilen Seillängen ist auch das alte Material noch vorhanden, so dass technisch geklettert werden könnte, wenn man denn den Haken vertraut.

Tourenbericht

Der sonnige April hat ganze Arbeit geleistet, voralpine Klettertouren sind bereits wieder möglich. Kurzfristig haben wir sogar die Ehre der Begleitung eines guten Freundes aus dem fernen Australien. Dies verpflichtet uns richtiggehend, ihm etwas Action und Abenteuer zu bieten, so dass wir uns für die klassische SE-Wand am steilen Geissstock, in der Südflanke des Gross Mythen entscheiden - natürlich hatte uns diese Tour sowieso schon lange gelockt.

Um den Umständen entsprechend als echte Turnschuh-Touristen agieren zu können und möglichen Altschneefeldern in den Nordhängen komplett aus dem Weg zu gehen, entscheiden wir uns für den Zugang von Süden. Ab der Ibergereggstrasse führt von P.940 eine Fahrstrasse bis zum Weidestall im Hasli, P.1187. Sie ist jedoch ab P.945 mit einem Fahrverbot belegt. 

Hinter dem Stall geht's in den Wald hinein, und bald über Runsen und Rippen, in noch recht dünnem und flachgedrücktem Gras steil obsi (etwas exponiert, T5), bis an den Fuss der Felsen. Zuletzt eine Querung nach Westen zum Einstieg, welcher sich nahe beim tiefsten Punkt der Fluh befindet. Um 11.30 Uhr sind wir bereit und steigen ein.

SL 1, 50m, 3a: im Schrofengelände geht es aufwärts, doch immerhin ist der Fels überwiegend fest und zuverlässig. Drei Bohrhaken weisen den Weg, zusätzlich kann selbst abgesichert werden.

SL 2, 45m, 5c: wohl ab von der Originalroute wurden bei der Sanierung die kompakten Platten im (immer noch) Gemüsegarten gesucht. Tatsächlich muss schon eine etwas glatte Stelle bewältigt werden.

SL 3, 30m, 5b: erst flach, dann steiler, entlang einem schönen Pfeiler. Immer noch etwas grasig, aber gute Kletterei in festem Fels.

SL 4, 35m, 5c: zuerst eine einfache Traverse nach rechts zu einem alten Stand. Diesen am besten überklettern, d.h. die folgende Rinne hoch, dann rechts über eine knifflige Wandstufe, zum neuen Stand.

SL 5, 30m, 6b: die erste Schlüssellänge folgt einer steilen, abdrängenden Verschneidung. Anhaltend knifflig geht's hinauf, zum Abschluss wartet noch eine fordernde Rechtsquerung aus der Verschneidung hinaus. Nach dem Verlassen der Verschneidung noch wenige Meter weiter, zu eher unbequemem Stand.

SL 6, 25m, 6a: einer Art Rampe entlang nach links, über eine knifflige Stufe mit schönen Tropflöchern hinweg und in schöner Wandkletterei weiter zum nicht sanierten Stand (1 Ring-BH und alte H).

SL 7, 45m, 6a: zuerst steil und dennoch technisch, in schönem, diagonal geschichtetem Fels aufwärts. Dann der Verschneidung folgen, mitten durch die Büsche hindurch, zum Stand in der Arena unter dem Schlussbouquet (Wandbuch in einer Nische, ca. 1m oberhalb der Standhaken).

SL 8, 40m, 6b: die überhängende Rissverschneidung sieht auf den ersten Blick ziemlich abweisend aus, lässt sich aber dank guten Tritten und teilweise auch Griffen in den Seitenwänden doch einfacher als gedacht bezwingen. Erst etwas weit gesichert, im zweiten Teil stecken dann zahlreiche alte H und BH.

SL 9, 25m, 5b: vom Stand in der Nische nach links und bei etwas mangelhafter Sicherung einem System von Schuppen entlang recht athletisch aufwärts und hinauf auf die Wiese. Dort gilt es inmitten von Millionen von Ameisen, Stand an einem Baum zu beziehen.

Um ca. 16.30 Uhr erreichen wir den Ausstieg. Wir haben von Beginn weg auf ein Abseilen gesetzt. Die SE-Wand selbst entpuppt sich allerdings als ziemlich ungeeignet für dieses Vorhaben (Querungen, Stände nicht eingerichtet). Als Alternative bietet sich die moderne Route "Mauerläufer" an, deren Ausstiegsstand wir etwa 20m weiter östlich problemlos lokalisieren können.

Selbst für den abgebrühten Alpinkletterer ist hier der Blick über die Kante beeindruckend. Der Ort würde sich sicher hervorragend als Base Jump Exit eignen, ist er doch relativ gut (über den Schafweg) zugänglich und vor allem geht es hier zuerst 200m überhängend runter, bevor das Gelände dann immer noch steil, doch nicht mehr gerade überhängend, abfällt.

Dementsprechend erfordert das Abseilen hier Konzentration und Können. Insbesondere die zweite Abseilfahrt führt einen 50m, bis kurz vors Seilende, hinunter. Es gilt dann etwa 4m im Freien hängend, den etwa 8m weiter rechts gelegenen Stand zu fassen. Man muss hier also rechtzeitig, kräftig und gekonnt zu pendeln beginnen...

Zum Glück lässt sich dann auch das Seil abziehen (sonst wäre man dort in der Falle), die Fortsetzung der Abseilerei ist dann immer noch steil, sorgt allerdings nicht mehr für ganz gleichviel Nervenkitzel. Bald erreichen wird den Einstieg, und vorsichtig, aber dennoch zügig geht's die steilen Grashänge runter, zurück zum Automobil. 

Gross Mythen, wir kommen sicher wieder. Reizen tut mich insbesondere die Route "Mauerläufer" am Geissstock, die steile, spektakuläre und schwierige Kletterei verspricht. Auch der kühne Geissstock SE-Pfeiler sieht reizvoll aus. Wer mir mit verlässlichen Informationen oder Topos zu diesen Routen dienen kann, dem sei schon im voraus herzlich gedankt! 
 


Tourengänger: mde, cort


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Kommentare (2)


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Alpin_Rise hat gesagt: Toller Bericht, profunde Infos!
Gesendet am 28. April 2010 um 10:42
Delta und ich wollten auch mal eine Route in der Wand (SE-Riss o.ä.) klettern, fanden den Einstieg nicht und endeten auch "etwas botanisch"... die Infos sind für nicht-Insider etwas dürftig.
Und Hut ab vor der Fitness deiner/s NachsteigerIn!
G, Rise

kleopatra hat gesagt: Super Topo...
Gesendet am 29. April 2010 um 19:43
... danke fürs raufladen! Werde die Route sicher auch mal probieren, wenn ich wieder mal besser drauf bin. lg kleo


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