Panorama-Albtraufrunde: Calverbühl, Höllenlöcher, Sonnenfels, Olgafels & Rossfels ab Dettingen/Erms


Published by TheSwabian , 31 December 2024, 15h30.

Region: World » Germany » Südwestliche Mittelgebirge » Schwäbische Alb
Date of the hike:27 December 2024
Hiking grading: T3 - Difficult Mountain hike
Waypoints:
Geo-Tags: D 
Time: 3:00
Height gain: 400 m 1312 ft.
Height loss: 400 m 1312 ft.
Route:8,2 km
Access to start point:Wanderparkplatz Kirschenweg, 433 müNN
Access to end point:Wanderparkplatz Kirschenweg, 433 müNN
Maps:KOMPASS Karte 767 - Schwäbische Alb

Freitag, 27. Dezember 2024, zu Hause ertrinkt alles im dichten Nebel, also soll es höhenmäßig ein wenig über diese triste Wetterglocke hinausgehen. Ich suche mir eine schöne Albtrauftour im Gebiet an der B28 zwischen Bad Urach und Metzingen heraus - das ist für mich in knapp 45 Minuten leicht mit dem Auto erreichbar und hat landschaftlich wie kuturell einiges zu bieten!

Gegen 09:25 Uhr starte ich beim Wanderparkplatz "Kirschenweg" am Südende von Dettingen/Erms. Zunächst geht es auf guten Fahr- und Wanderwegen in weniger als zehn Minuten zum nahegelegenen Calverbühl, einem prominent herausragenden vulkanischen Härtling, der eine markante Solitär-Linde auf seinem 509 m hohen Gipfel trägt. Das Gestein am Calverbühl wurde im Miozän, vor ca. 17 bis 14 Millionen Jahren, in einer Maar-Durchschlagsröhre des Urach-Kirchheimer Vulkangebiets gefördert. Es handelt sich dabei um eine Tuffschlotbrekzie mit zahlreichen Weißjura-Gesteinseinschlüssen, lokal auch dunklen Lapillituff mit runden Magma-Schmelzkügelchen. Vom ehemaligen runden Maarkrater, wie man ihn am Randecker Maar direkt am Albtrauf bei Ochsenwang noch erkennen kann, ist am Calverbühl nichts übriggeblieben. Die Erosion hat hier im Ermstal das meiste des Maars abgetragen und den vulkanischen Stumpf, der etwas weniger erosionsanfällig ist als der umliegende, weiche Ornatenton des oberen Mitteljura, morphologisch herauspräpariert. Wir schauen also in einen Teil der Wurzel des ehemaligen Maarkraters, und der konische Calverbühl ist kein eigentlicher Vulkankegel (im Sinne eines Stratovulkans), wie man vielleicht zunächst denken könnte. Der Geologe spricht dabei von einer phreatomagmatischen Maar-Durchschlagsröhre oder einem Diatrem, die Explosion erfolgte im Wesentlichen beim Kontakt zwischen heißem Magma aus dem Untergrund und dem Grund- bzw. Karstwasser im Albkörper, was zu gewaltigen Wasserdampfexplosionen und sicherlich auch Erdbeben im Magnitudenbereich 4 bis 5 führte. Landläufig wird das heute erloschene Urach-Kirchheimer Vulkangebiet auch "Schwäbischer Vulkan" genannt. Mit über 350 Durchschlagsröhren in ganz unterschiedlicher individueller Erhaltung (je nach Lage des Vulkanschlots auf der Albhochfläche, am Albtrauf oder im Albvorland) und einer Fläche von ca. 50 x 35 km ist es ein ziemlich beachtliches erdneuzeitliches Vulkangebiet in Europa. Einige der Vulkanschlote förderten auch dichtes, massiges Magma, zumeist Olivin-Melilithit, wie etwa am Sternberg bei Gomadingen, wo unterhalb des Gipfels noch Reste eines ehemaligen lokalen Lavasees existieren. Meistens findet man aber eher Tuffschlotbrekzien mit bunter Zusammensetzung (z.B. am Jusi) oder gar kein Gestein, weil sich über dem Schlot überdeckende Schichten, Seen (z.B. Molach), Hülen (z.B. Zainingen) oder Moore (Schopflocher Moor) befinden und/oder diese nur indirekt geomagnetisch nachgewiesen wurden. À propos Geomagnetik: am Calverbühl geht, wie auch am vulkanischen Konradfels hoch über Lenningen, der Magnetkompass falsch! Das Gestein enthält recht viel Magnetit und ist in der Vergangenheit teils auch von Blitzschlag remagnetisiert worden.

Auf dem Calverbühl hat man einen schönen Rundblick über das Ermstal zwischen Metzingen und Bad Urach. Zahlreiche der Erhebungen und Kuppen, die von hier zu überblicken sind, haben wie der Calverbühl einen vulkanischen Kern, so etwa der Metzinger Weinberg, der Hofbühl und der Florian dahinter, aber auch der Jusi - dort liegt einer der größten Schlote des Schwäbischen Vulkans - und die Flanke des Buckleter Kapf hoch über Urach. Eine Erläuterung des Calverbühl-Panoramas gibt es hier. Ich erkunde und genieße den Vulkanschlot gute 20 Minuten.

Beim Hauserbrunnen, hier liegt im Bereich der Schichtgrenze zwischen Mitteljura-Ornatenton und Oberjura-Impressamergel offenbar ein Quellhorizont - verlasse ich den Calverbühl südwestwärts. Sofort geht es in Serpentinen durch Laubwald gut 150 Höhenmeter (Hm) steil die Rossfeldflanke hinauf, bis bei ca. 670 m ein Forstweg nach Süden in Richtung Höllenlöcher weiterführt. Bis hierhin ist der Weg vom Calverbühl ein problemloses T2. Es ist arschkalt, und ich freue mich, Handschuhe eingepackt zu haben - dank der Minusgrade ist aber wenigstens der Boden griffig und nicht schlammig. Beschilderung ist ab dem Calverbühl Fehlanzeige, hier ist eine Wanderkarte oder -App also generell empfehlenswert. Etwa 1 km wandele ich nun bei zunehmendem Sonnenlicht südwärts und erreiche nach einer sehr gemütlichen halben Stunde die felsige Trauf-Ostkante bei den Höllenlöchern. Unter mir liegt der markante Nägelesfels mit Kreuz obendrauf, schon bald folgt nach einem eindrucksvollen felsigen "Hohlweg", in dem jederzeit Frodo um die Ecke biegen könnte, der Südeingang zu den Dettinger Höllenlöchern. Das "Dettinger" schreibe ich bewusst dazu, weil es auf der Alb an verschiedenen Orten sogenannte "Höllenlöcher" gibt, so z.B. nur einige Kilometer weiter südlich, am Buckleter Kapf hoch über Urach.

Der südliche Einstieg zu den Höllenlöchern erfolgt über eine steile Stahlleiter, so dass die Szenerie hier ein ganz klein wenig an des Elbsandsteingebirge oder den Alpstein erinnert. Einige Meter geht es fast senkrecht hinab in die riesige Felskluft, die die zukünftige Abrisslinie des Albkörpers markiert. Eines Tages wird es passieren: gigantische Felsmassen, östlich der Kluft, werden in einem riesigen Bergrutsch und/oder -sturz ins Ermstal abgehen, möglicherweise in das Industriegebiet an der Uracher Straße. Wann genau das passieren wird, können aber selbst Geologen nicht sagen. Es ist wie am Hochvogel in den Allgäuer Alpen, dessen Gipfel halbseitig abzubrechen droht; es kann schon morgen passieren, oder erst in 10.000 Jahren. Auf der geologischen Zeitskala ist beides ein Wimpernschlag. Gleichzeitig werden wir daran erinnert, dass es genau diese Prozesse sind, die den Albkörper und Albtrauf im Laufe von Millionen von Jahren geformt haben. Weißjura-Bruckstücke in der Schlotfüllung des Scharnhauser Vulkans auf den Fildern, nicht unähnlich denen am Calverbühl, bezeugen, dass die Albtafel zur Zeit des Ausbruchs vor gut 15 Millionen Jahren noch bis vor die Tore Stuttgarts gereicht haben muss.

Ich bin nun nach kurzer Leiterkraxelei unten in den Höllenlöchern. Es ist 10:30 Uhr. Über mir ragen zwanzig, dreißig Meter hohe Felswände auf, die Spalte ist gute 3 oder 4 Meter breit. Kurz denke ich, ich befinde mich in der Breitachklamm. Dieser Ort einer angekündigten Naturkatastrophe hat irgendwie eine ganz besondere, bizarre, vielleicht fast schon bedrückende aber definitiv faszinierende Ausstrahlung. Nach Norden hin verlasse ich die Höllenlochspalte über eine zweite, kürzere Leiter. Hier schaut es aus wie Kraut und Rüben, als habe ein Riese große Steine und Baumstämme wild umhergeworfen (vielleicht hatte er ja nur keine Lust auf die schwäbische Kehrwoche). Der Wanderweg schlängelt sich in der Folge weiter durch die Abrisskluft, die nach Norden hin flacher wird, bis er schließlich die geneigte Fläche des Albkörpers erreicht. Insgesamt sollte der Weg durch die Höllenlöcher als T3 eingestuft werden, weil hier insbesondere an den Leitern, aber auch beim Nord-Ausstieg, ein höheres Maß an Trittsicherheit und vielleicht sogar auch etwas Schwindelfreiheit hilfreich sind, gerade bei Nässe oder Glätte. Wer sich nicht traut, die Leitern zu benutzen, kann die Höllenlöcher-Kluft auch kurz auf deren Westseite umgehen.

Nur wenige Minuten später erreiche ich, die Traufkante entlangwandernd, den Sonnenfels auf 777 m. Das Sonnenfels-Panorama ist überwältigend, insbesondere bei der aktuellen Inversions-Wetterlage, bei der das hintere Ermstal um Urach teilweise im Talnebel liegt. Die Ruine Hohenurach (deren Besuch sich übrigens auch unheimlich lohnt und leicht mit dem Uracher Wasserfall kombiniert werden kann) zeichnet sich in schöner Staffelung von den umliegenden Höhenrücken ab, über allem mit scharfer Grenze der blaue Himmel. Wiederum überblicke ich Dettingen/Erms und die angrenzenden Erhebungen, dieses Mal aus deutlich höherer Vogelperspektive im Vergleich zum Calverbühl, der ja über 250 m niedriger ist. Der Blick geht auch rüber zur Festung Hohenneuffen, einem bedeutenden Ort in der baden-württembergischen Landesgeschichte. Selbst die Burg Teck ragt ein wenig über den davor liegenden Albkörper heraus. Am Sonnenfels kann man also gleich drei prominente Burgen überblicken. Von Urach Richtung Metzingen fahrend hatte ich mir beim Anblick von Nägeles- und Sonnenfels aus dem Tal schon öfters gedacht: da muss ich mal zum Wandern hin!

Recht unspektakulär und einfach geht es vom Sonnenfels nun westwärts auf die Hochfläche des Rossfelds, auf der noch reichlich Schnee liegt. Zahlreiche Tierspuren sind zu erkennen. Bei einer Lichtung vor dem Fluggelände spüre ich zum ersten Mal so richtig die Wärme der Wintersonne. Hier muss man sich bald schon den Verbotsschildern des Flugplatzes beugen, so dass dieser zum Erreichen des nächsten Ziels, dem Olgafelsen an der nördlichen Traufkante des Rossfelds, nördlich umgangen werden muss. Hier stoße ich auch auf den Premium-Wanderweg "Hochgehflogen". Zum Olgafelsen sind es von hier aus nur noch wenige Minuten.

Mit modernen Holz-Sonnenliegen und Fernrohr ausgestattet, bietet der Olgafels und angrenzende Albtrauf einen fantastischen Weit- und Tiefblick v.a. nach Norden. Mit 786 m ist er der höchstgelegene Punkt der heutigen Tour. Über 400 m tiefer liegt vor mir Metzingen (351 m) - unten sind sicherlich gerade viele Menschen beim nachweihnachtlichen Outlet-Shoppen (nicht zu verwechseln mit dem Frühschoppen, der mir persönlich lieber wäre). Gegen Osten bilden die Felsgruppe der "Sechs Namenlosen" (so namenlos sind sie dann ja gar nicht) und der Hohenneuffen ein fotogenes Kultur-und-Natur-Ensemble. Im Mittelgrund liegt wieder Dettingen/Erms, mein Ausgangspunkt. Bei klarem Wetter könnte man in der Ferne sogar den Katzenbuckel im Odenwald in über 100 km Entfernung erkennen. Lang verweile ich nicht am Olgafelsen, denn es steht noch der letzte Aussichtsfelsen auf dem Programm, der Rossfels.

Am westlichen Ende des Fluggeländes Rossfeld vorbei wandere ich in nur ca. 5 Minuten vom Olga- zum Rossfels, der trotz der geografischen Nähe wiederum ein anderes Panorama bietet, da er am Westabbruch des Rossfelds liegt. Auffällig ist das attraktive Holz-Gipfelkreuz auf dem Felsen, das 1997 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des TSV Glems 1896 e.V. dort errichtet wurde. Dementsprechend kann man die Ortschaft Glems und den benachbarten Stausee sehr schön von oben betrachten. Neben Grasberg (778 m) und Gutenberg (703 m) steht im Panorama auffällig der formschöne Zeugenberg der Achalm (707 m) bei Reutlingen mit ihrer Burgruine auf dem Gipfel. Hierbei handelt es sich nicht um ein vulkanisches Phänomen wie etwa am Calverbühl oder der Limburg bei Weilheim/Teck, sondern um einen herkömmlich kalkigen Teil der einstigen Alb, der durch Erosion von der restlichen Albtafel abgetrennt wurde. Auch beim Zoller mit der Burg Hohenzollern, den Dreikaiserbergen Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen sowie dem Ipf bei Bopfingen handelt es sich um typische Zeugenberge, die teils in tektonischer Tieflage besonders vor den Kräften der Abtragung geschützt sind. Heute ist es v.a. im Unterland zwar etwas diesig, aber bei klaren Verhältnissen könnte man nun im Westen auch die über 1000 m hohen Erhebungen des Schwarzwalds in der Umgebung von Triberg erkennen. Auf dem Felsen sollte man - eigentlich gesunder Menschenverstand - stets eine gewisse Vorsicht walten lassen, denn es besteht durchaus Absturzgefahr; ein selbst "abgestürztes" Schild weist darauf hin. (Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Olgafelsen, beide haben im Gegensatz zum Sonnenfelsen keinerlei Geländer.)

Es ist 11:30 Uhr. Nach dem Genuss des Rossfels-Panoramas mache ich mich auf den Rückweg, immer wieder dem Trauf entlang, am bereits besuchten Olgafels vorbei hin zur Hangkante oberhalb der Sechs Namenlosen. Der Weg hier ist insgesamt sehr einfach, eigentlich ein T1. Das Betreten der Felsgruppe ist laut Landesverordnung aus den Neunzigern verboten, dennoch ist mit ein wenig Kamerazoom das ein oder andere schöne Panorama mit Achalm und Albvorland zu knipsen. Auch der Steilabbruch des Olgafelsens wird von hier auch erst so richtig deutlich. Knapp unterhalb der Traufkante geht es nun auf einem schönen T2-Pfad durch den winterlichen Wald hinab Richtung Dettingen. Immer wieder passiere ich historische Grenzsteine, teils mit noch erkennbarer württembergischer Hirschstange.

Schon bald bin ich nach knapp 300 Hm über Wald-Serpentinen bergab wieder beim Calverbühl, den ich dieses Mal nur kurz streife, um bei besseren Lichtverhältnissen ein paar Vulkangesteinsimpressionen zu gewinnen. Wenige Minuten später bin ich nach Überquerung der Brücke über die B28 gegen 12:30 Uhr wieder am Wanderparkplatz Kirschenweg.

Zum Abschluss besuche ich noch kurz die sehenswerte Altstadt von Dettingen/Erms. Das "Schlössle", heute Rathaus, wurde zwischen 1502 und 1504 erbaut. Besonders lohnend ist ein Blick in die Stiftskirche, die zwischen 1483 und 1500 im Auftrag des berühmten württembergischen Grafen (und späteren Herzogs) Eberhard im Bart erbaut wurde. Der Chor mit herrlichem gotischem Kreuzrippengewölbe von 1494 und einem Altar von ca. 1520-30 passt großartig zur Neugotik des Langhauses von 1864 und der Orgel von 1866. Auch in der angrenzenden Mauer vor dem Mehrgenerationen-Spielplatz draußen finden sich interessante Details, u.a. eine alte Kachel, wie sie im 15./16. Jahrhundert häufig in Kirchen verwendet wurden.

Fazit: Verdammt schöne Albtrauf-Tour mit dramatischen Felsszenerien, spektakulärem Panorama und Einblicke in den Schwäbischen Vulkan. Meistens T2, auf der Hochfläche eher T1, an den Höllenlöchern durchaus T3 mit kurzer Leiterbenutzung. Bei Umgehung der Höllenlöcher fällt diese "Schlüsselstelle" weg, dann insgesamt nur T2.

Hike partners: TheSwabian


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Comments (2)


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Nyn says:
Sent 31 December 2024, 17h23
Sehr schöne Eindrücke in Text und Bild
Danke fürs Mitnehmen.

TheSwabian says: RE:
Sent 31 December 2024, 18h16
Danke Dir!


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