Auf und um Rehberg und Kesselleite, oder: Abschied vom Kulmbacher Land, letzter Teil.


Publiziert von Schubi , 5. November 2024 um 19:19.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum:17 Oktober 2024
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Aufstieg: 488 m
Abstieg: 488 m
Strecke:18,3 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Kostenfreier Parkplatz Schießgraben in Kulmbach, neben der katholischen Stadtkirche.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Weißes Roß u.a. in Kulmbach

Letzter Teil meiner Heimats-Melancholie-Trilogie. Die Überschrift deutet den Anlass dieser Tour an: in Kulmbach bin ich geboren und bis zum Studium aufgewachsen. Seither war ich regelmässig zurück zuhause, um Eltern und Freunde zu besuchen, Bier und Brot zu kaufen. Erst nach einiger Zeit fiel mir auf, dass dort ja doch nicht alles provinziell-behäbig-langweilig ist – was ich mit 20 halt noch so dachte ... Und so habe ich vieles, was ich aus der Kindheit schon als Ausflugsziel kannte, nochmals besucht und neu-endeckt. Inzwischen ist mein Vater verstorben und meine Mutter baut gesundheitlich ab, sie zieht deswegen nun zu meinem Bruder. Jetzt ist es also an der Zeit, von der Stadt und ihrem Landkreis Abschied zu nehmen, auch mittels ein paar letzten Touren.

Für erinnerungsgebundene Projekte wie diese hat Zach Winters Time, My Tether geschrieben und also ist dies der Tourenbericht-Soundtrack.

Den Auftakt zur Trilogie machte eine ambitioniertere *Solo-Runde. Danach habe ich mich mit alten Freuden für *diese gemeinsame Tour in der alten Heimat getroffen. Und schließlich bin ich nochmal solo auf und um den Begrücken von Rehberg und Kesselleite gestiefelt. Auch dort konnte ich viele Erinnerungen aufleben lassen. Die Runde möchte ich aber nicht nur aus Nostalgie-Gründen vorstellen, sondern definitiv jedemann empfehlen und habe den Routenverlauf deshalb möglichst ansprechend-abwechslungsreich angelegt, GPX-Track anbei.

Die Nordwestnase des Rehbergs läuft ins Zentrum von Kulmbach aus, also kann ich direkt dort starten, und zwar an der Kirche Unsere Liebe Frau. Südostwärts durch einen sehr alten Teil der Stadt, direkt unterhalb ihrer mächtigen Plassenburg gelegen. Von dort ins "Steinerne Gäßchen", und zwar in den Teil, der als markierter Wanderpfad "Rehberg-Weg" den bewaldeten Nordosthang des gleichnamigen Bergs steil herauf führt (sein Abzweig von der gleichnamigen Straße ist etwas versteckt an einem Wiesenhang). Bis in die Fünfzigerjahre hinein war diese Flanke des Bergs noch landwirtschaftlich genutzt, meist zum Heumachen. Deshalb wurden Wege angelegt und mit Steinmauern abgegrenzt, daher der Begriff „Steinernes Gäßchen“. Weiter oben im schön mischwaldigen Berghang über kurzes Forstwege-Zickzack zu einem ersten Etappenziel, dem Schwarzen Weiher, gelegen bei P. 485 im Sattel zwischen den beiden "Rehberg-Gipfeln". Zu meiner traurigen Überraschung ist er verlandet, und so kann man sich die gruselige Sage, die sich um ihn rankt und auf seinen namensgebenden schwarzen Wassern beruht, leider gar nicht mehr richtig vorstellen :-(

Dort abzweigend und etwas verwachsen führt (wieder südostwärts) ein schönes Pfädla herauf zur höchsten Kuppe des Rehbergs mit 504 m. Irrtümlichweise ist die höchste Stelle auf vielen Karten auf der zweiten Kuppe des Bergs verzeichnet, auf der auch mittelalterliche Meldeturm Rehturm steht, aber die mit 494 m etwas kleiner ist. Dort komme ich später in der Runde vorbei. Weiter südostwärts wieder herab, in den nächsten Sattel und  erneut sanft ansteigend in den Hang des Nachbar-Bergs (selber Bergzug/-Rücken) Kesselleite (528 m). Hier komme ich lediglich in die Nähe seiner höchsten Stelle, wichtiger war mir bei der Routenführung jedoch eine MItnahme des schönen Blicks über die Hochebene namens "Rangen" ("Ranga" im hiesigen Dialekt). Sie nutzt das nun breit gewordene Plateau des Bergrückens landwirtschaftlich mit Ackerbau und Weidewirtschaft und beherbergt sehr kleine Dörfer und Einzelgehöfte. Toll jedenfalls der ferne Blick am waldrandig gelegenen Aussichtspunkt Kesselleithe bis herüber zum Fichtelgebirge. Nah südlich wird bald der markierte Pfad "Rehberg-Weg" erreicht und südostwärts genutzt. Tolle Führung enlang des Waldrands. Leider tut sich aber, obwohl an der Hangkante des Bergrückens gelegen, kein einziges Mal ein offener Südwestblick auf, schade. Die Dörfchen Tennach und Heinersreuth umgehe ich, über eine Acker-Waldlichtung gelange ich weiterhin kurzweilig und im nur leichten Auf und Ab schließlich ins stille Spitzeichen. Es besteht ebenfalls nur aus einer Handvoll Häusern. Ich begegne weidenden Pferden, die mir neugierig nachblicken und selbstbewussten Gänsen, die mich laut schnatternd und die Stille durchbrechend begrüßen. Aber keine Menschenseele. Na, als ich oben das Dorf wieder verlasse, röhrt ein Motorroller vorbei. Danach wieder sehr still über die offene Rangen-Hochfläche zum Spitzeichener Turm (528 m), höchster Punkt der Tour. Erbaut 1927 in gemütlicher Blockstein-Architektur bietet er natürlich guten Rundumblick. Schattige Rastbänke finden sich neben dem Turm in einer wunderbaren, kreisförmig gepflanzten Gruppe von Eichen.

Wieder retour bis zum letzten Abzweig, ab da nun geradeaus westwärts in den Wald herein. Im Sattel kurz vor P. 518 rechts runter in das kleine Tälchen des Erlenbachs. Dieses circa Höhe haltend umrundend und nach dem Distrikt Beerrangen eine Einsattelung im nächsten Bergnasen-Ausläufer erreicht. Ab da nordwestwärts herab in den Distrikt Kessel. Dort gibt es im Wald drin mehrere Gewässer zu entdecken:  künstlich angelegte Fischteiche, etwas oberhalb davon den wohl natürlich entstandenen Schwarzen See, dahinter noch einen namenlosen Teich. Beim Erreichen der Fischteiche und des Waldrands steil nach rechts geschwenkt auf einen kaum sichtbaren Weg eine Lichtung herauf und wieder in den Wald, an der Nordseite der Teiche. Über umgestürzte Bäume vorbei an P. 369 erreiche ich so bald den Schwarzen See (nicht zu verwechseln mit dem vorhin besuchten Schwarzen Teich :-). Er liegt sehr beschaulich in diesem engen Waldtal und ist von dichter Ufer-Vegetation bestanden. Sein Wasser wirkt tatsächlich sehr schwarz ... ein schöner Ort. Ich gehe an seinem Nordufer entlang und quere kurz hinter ihm seinen Zufluss. So gelange ich wieder auf einen breiten Forstweg, der mich durch die Rundung des Tals herauf zur Umrundung der nächst nördlich gelegenen Bergnase bringt. Nordwärts haltend erreiche ich, nach einem erneuten kurzen Abstieg, die nächste Einkesselung im Distrikt Kessel und steuere auch hier einen kleinen Waldsee an, es ist der Herrenweiher. zu ihm machte ich mit dem Kindergarten als kleiner Frank mal eine tolle Wanderung. Und besonders blieb mir der Moment in Erinnerung, als nach einer längeren Passage durch den Wald sich plötzlich die Bäume auftaten und wir an einem stillen kleinen Waldsee standen. Irgendwie blieb mir dieses Erlebnis sehr in Erinnerung. Staun-Momente halten sich wohl ein Leben lang frisch ... Die Idee eines Besuch des Herrenweihers nach mehreren Jahrzehnten war dann sozusagen Anlass dieser Tour. Leider verlandet er. Die verblieben Wasserfläche wiederum ist bedeckt mit Algen oder Wasserlinsen. In Erinnerung hatte ich ihn düster-still, als schwarzes Wasser, gerade so wie der vorhin besuchte Schwarze See ... Tempi passati. So im Rückblick frag' ich mich natürlich auch, ob Erlebnisse wie jenes etwas Prägung verursachen und meine Freude an der Wald- und Bergnatur vielleicht auch auf den damaligen Staun-Moment fußt ...

Weiter geht's: nordwestwärts entlang des Weiherbachs nun in Richtung des Weilers "Kessel", ihn ostseitig umgehend, nun kurz auf Asphalt. Etwas nördlich von ihm treffe ich rechterhand auf noch einen Erinnerungsort (nochmal Wasser!) mit besonderem Erlebnis: am Wegrand war hier ein weiterer Weiher, und in ihn bin ich als ca. Vierjähriger mal reingefallen. Meine Tante hat mich irgendwie zu greifen bekommen und zog mich zum Glück schnell wieder heraus. Ich erinnere mich noch gut an die grüne Unterwasser-Trübheit ... Aber selber Schuld: ich hab mich an der Uferböschung halt zu weit nach vorne gewagt. Danach mit nassen Klamotten in der Aprilsonne rasch nachhause ... Von diesem namenlosen Weiher existieren nur noch grob seine Umrisse: er ist komplett verlandet. Wenige Meter hinter ihm dann den abzweigenden (markierten) Pfad genommen, der nun steil die Westflanke des Rehbergs wieder heraufführt, bald zick-zackend. Die Pfadspur ist leider von Mountain-Bikern recht ausgefurcht. Einen ersten Fostweg gequert (dorch auch eine Wald-Hütte) und am nächsthöheren Weg links weiter: das ist der Hauptweg auf dem Rehbergrücken und er bringt mich nun nordwestärts bald zum Rehturm (etwas rechts neben dem Weg, beschildert). Er steht auf der (oben erwähnten) zweithöchsten Stelle des Rehberg-Rückens und wurde im Jahre 1498 erstmals namentlich erwähnt. Eingegliedert in ein zusammenhängendes System von Wachtürmen, hatte der Rehturm einst die Aufgabe, durch Signalfeuer die Festung Plassenburg und der Stadt Kulmbach vor drohenden Gefahren zu warnen. Heutzutage hat man von ihm einen der besten Rundblicke auf Kulmbach und sein Umland, und so war er in meinen jungen Jahren natürlich auch Ziel von Kindergarten- und Schul-Ausflügen. Auf dem Hautpweg nun weiter und die Westnase des Rehbergs herunter, nochmal kurz auf Asphalt. Hier habe ich erneut einen schönen Blick: zum Stadtteil "Siedlung" (darin das Haus, in dem ich großteils aufwuchs) und in der Ferne zu den Höhenzügen des Frankenjuras. Unten in der ersten Linkskurve des Sträßchens verlasse ich es und zweige rechts auf einen düsteren Pfad ab, der mich steil runter gen Stadt bringt und schöne Hohlgassen-Abschnitte hat. Auch ihn habe ich in besonderer Erinnerung, denn wir gingen hier immer herab zu unserer "Reuth": ein Hang-Grundstück das mit teils uralten Obstbäumen bestanden und der ganze Stolz meines Vaters war. Für mich und meinen Bruder bedeutete das Grundstück einerseits: Mithelfen beim Rückschnitt und bei der Obsternte ... andererseits aber auch Lagerfeuer, Schaukel im Kirschbaum und Verstecken im duftenden Heu im Stadel. Entlang des Pfads wuchs das Große Springkraut (eine heimische Springkraut-Art). Es war immer ein rechter Spaß, seine Samenkapseln "explodieren" lassen. Funktionierte aber nur, wenn die richtig reif waren ... Der Pfad mündet unten in die ersten Häuser der Stadt und um ein paar Kurven herum bin ich dann bald wieder zurück am Ausgangspunkt.

Fazit: schee wor's, aweng nostalgisch-melancholisch aber halt auch. Auffallend viel dunkle oder verlandete Gewässer waren dabei ...Ganz unabhängig davon find ich's aber sehr interessant, wie und warum Orte eine Bedeutung für uns bekommen. Und wie gesagt, ich denke, auch ohne Erinnerungs-Déjà-Vus dürfte diese Runde eine ganz abwechslungsreiche sein.

*Hier geht es zur ersten von den drei Abschiedsrunden, *und da zur zweiten.

Tourengänger: Schubi
Communities: Photographie


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Nik Brückner hat gesagt:
Gesendet am 6. November 2024 um 09:54
Eine wunderbare Art, sich von einer Gegend zu verabschieden. Sie zurückzulassen und sie gleichzeitig für eine eventuelle Wiederkehr neu zu entdecken. Schön, dass du uns dran teilhaben lässt.

Schubi hat gesagt: RE:
Gesendet am 6. November 2024 um 11:31
Gerngeschehen. Herzlichen Dank für deinen Kommentar!


Kommentar hinzufügen»