Von Moritzburg nach Niederau durch den Friedewald


Publiziert von lainari , 9. Juli 2024 um 20:44.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Sonstige Höhenzüge und Talgebiete
Tour Datum: 7 Juli 2024
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:45
Aufstieg: 80 m
Abstieg: 120 m
Strecke:16 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:DB S-Bahn S 1 Pirna - Radebeul-Ost, SDG Lößnitzgrundbahn Radebeul-Ost - Moritzburg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:DB Regionalbahn RB 31 Niederau - Dresden-Neustadt oder DB Regionalexpress RE 50 Niederau - Dresden-Hauptbahnhof und DB S-Bahn S 1 ab Coswig (b Dresden), Dresden-Neustadt oder Dresden-Hauptbahnhof bis Pirna
Kartennummer:1:33.000 SK Nr. 08 Friedewald Moritzburger Teichgebiet Spaargebirge oder mapy.cz

Sommerlicher ÖV-Ausflug - Seen sehen geh’n
(Moritzburger Kleinkuppenlandschaft)
 
Nach einem heißen Vortag, abendlichen Gewittern und nächtlichen Schauern habe ich erneut einen sommerlichen ÖV-Ausflug ins Programm genommen. Ich entfloh den über dem Gebirgskamm wabernden Wolken und begab mich nach Pirna. Zu Beginn der Zugfahrt zeigten sich erste blaue Lücken am Himmel. Die Anreise mit der S-Bahn von DB-Regio nach Radebeul-Ost klappte gut. Um das Areal des Traditionsbahnvereins in Augenschein zu nehmen, hatte ich etwas großzügiger Zeit eingeplant. Dann wurde der Zug der Schmalspurbahn bereitgestellt. Dort suchte ich mir erneut ein Plätzchen im offenen Aussichtswagen. Nur schwach besetzt fuhr der erste Zug des Tages nach Moritzburg.
Eigentlich hatte ich die Runde zuerst in Gegenrichtung geplant, aber ein Wochenendausflug mit nachmittäglicher Ankunft in Moritzburg schien mir deutlich zu belebt zu werden. Wochentags wäre die Gegenrichtung mit Einkehr in einem der Restaurants in Moritzburg sicher eine Option. So startete ich zu Fuß am Bahnhof, lief durch den Ort und ging über den Damm des Schlossteichs zum Schloss Moritzburg.
 
Die Teiche des Moritzburger Teichgebiets sind allesamt künstliche Bauwerke die für die Fischereiwirtschaft angelegt wurden. Entgegen anderer Annahmen ist in Sachsen kein Einfluss der Kirche darauf erkennbar. Begünstigende Faktoren für die Anlage waren etwa das Vorhandensein von Sümpfen, Wasserflächen die sich nach Torfabbau oder Raseneisensteingewinnung gebildet hatten, die historische Erfahrung der slawischen Bewohner bei der Anlage von Burgwällen in Sümpfen, die auf den Teichdammbau übertragbar waren, sowie wechselnde Erträge der seinerzeit betriebenen Dreifeldlandwirtschaft. So wurden von 1450-1600 zwischen Meißen und der Oberlausitz etwa 1.000 Teiche angelegt. Der Bau bedingte nicht nur umfangreiche Erdarbeiten, sondern auch die Anlage von Zuflüssen und leistungsfähigen Ablaufkanälen. Der wirtschaftliche Nutzen beschränkte sich nicht nur auf den Fischertrag, im Sommer wurden die Teichdämme gemäht und dabei Viehfutter gewonnen, im Winter wurde Schilf geerntet und als Einstreu vermarktet. Alle 7-9 Jahre wurden die Teiche abwechselnd für ein Jahr trockengelegt und als Wiesenfläche oder zum Getreideanbau genutzt. Die geernteten Fische (Karpfen, Hechte und sonstige Weißfische) wurden in unzähligen Wagenfuhren lebend zur Hälterung in die Residenzstadt Dresden verbracht. In einem Verzeichnis der Teiche im Friedewald wurden im Jahr 1576 39 Stück ausgewiesen. Darunter waren neben den Großteichen auch viele kleinere Teiche für Zuchtzwecke enthalten (Samenteiche). Zwischen 1570-1849 blieb die gesamte Teichfläche dabei relativ konstant, während die Lage und die Anzahl variierten. Später erfolgte ein Rückgang der Nutzung durch Umwandlung in Wiesen oder Wiederaufforstung.
 
Hinter dem Schloss Moritzburg durchquerte ich in gerader Linie den Park. An seinem Ende befindet sich ein Holztor an dem man ordentlich ziehen muss, es ist tagsüber nicht verschlossen. Auf einem Waldweg ging es nun in gerader Linie weiter bis zu einer Straße. Diese passierte im Verlauf den Mittelteich. Dahinter bog ich nach links auf einen Waldweg ein. Als später eine Senke folgte, schaute ich angestrengt nach links, bis sich ein unscheinbarer Pfad abzeichnete. Dieser führte ans Ufer des Mittelteichs heran und folgte diesem bis zum westlichen Teichende. Dabei war er holprig, grün und mit Fallholz gespickt, aber das Naturerlebnis entschädigte für die kleine Mühe. Ein Damm trennte den Mittelteich vom etwas höher liegenden Sophienteich. Ich folgte dem unmarkierten Weg über den Damm südwärts. An einer Verzweigung mit Wegweiser bog ich nach rechts und kam kurz darauf zum Unteren Altenteich. Dort gab es eine urige Rasthütte, die allerdings bereits gut besucht war. Ich lief weiter und bog auf den Damm ein, der den Unteren Altenteich vom etwas höher liegenden Oberen Altenteich trennte.
 
Danach folgte ich eine Weile dem mit einem grünen Strich markierten Wanderweg. Als dieser an einer Kreuzung scharf nach rechts abbog, ging ich unmarkiert geradeaus weiter und erreichte das sogenannte Karauschenholz. Dieses erlangte 1997 mit dem Doppelmord an Oberlandeskirchenrat Adolph und seiner Frau traurige Bekanntheit. Nachdem die Ermittlungen einige Zeit ergebnislos blieben, präsentierte sich plötzlich ein geständiger Kleinkrimineller als Täter. Seine Tatbeteiligung konnte durch Sachbeweise belegt werden. Tatmotiv soll eine Vertuschungstat nach einer illegalen Schießübung mit gestohlenen Waffen gewesen sein. Schnell gab es Zweifel am Tatgeschehen aber andere Spuren konnten/durften nicht erfolgreich ausermittelt werden. Der Täter wurde schließlich als Mörder verurteilt und befindet sich nach Verbüßung seiner Strafe bereits wieder auf freiem Fuß. Als ich zurück auf den markierten Weg wechselte, kam aus einem Seitenweg ein junger Mann in Tarnbekleidung gelaufen, der auf den ersten Blick weder eindeutig als Wanderer, Forstwirt noch als Jäger eingeordnet werden konnte. Dies bescherte mir kurzzeitig eine angespannte Aufmerksamkeit. Nach Überquerung der vielbefahrenen Straße S 81 ging es nördlich des Weilers Neuer Anbau vorbei. An Stelle der heutigen Siedlung wurde 1350 ein villa Cruschin urkundlich. Bereits 1378 wurde das Dorf als wüst bezeichnet. Später verortete der sächsische Kartograph Oeder hier einen Krauschenteich. Um 1800 wurde das Areal als Neuer Anbau/Karauschenhäuser wiederbesiedelt. Der Wechsel auf den Fischnamen Karausche erfolgte, weil die Herkunft der Ursprungsbezeichnung offenbar in Vergessenheit geraten war. Nach verschiedenen Wald- und Wiesenstücken passierte ich das Gasthaus Mistschänke, welches jetzt im Juli wegen Urlaub geschlossen ist. Dies verstand ich als dezenten Hinweis auf den üblichen Fachkräftemangel. Wenig später erreichte ich den Neuteich. Ein wackliges Bänklein am verschilften Ufer nutzte ich zur Mittagsrast. Gestärkt lief ich danach weiter und wechselte später auf eine gelbe Markierung die mich nach Niederau führte. Im Ort war es nicht mehr weit bis zur Bahnstation an der Leipziger Bahnstrecke. Für die Wartezeit bis zum nächsten Zug suchte ich angestrengt eine Sitzmöglichkeit, die ich schließlich in einem Holzpavillon auf dem Vorplatz fand. Dieser war offenbar ein Jugendtreff mit der daraus resultierenden Verwahrlosung.
 
Kurz vor Zugabfahrt begab ich mich auf den wenig einladenden Bahnsteig. Der erste Zug, eine Regionalbahn aus Elsterwerda in Form eines dreiteiligen Talent 2 war völlig überfüllt. Was zum Teufel machen die ganzen Leute in Elsterwerda? Nichts - es ist lediglich ein Umsteigeknoten vom/zum Brandenburger Regionalverkehr für die neue Generation von fast-lau-Fernreisenden. Mit dem nächsten Zug, dem Regionalexpress Saxonia aus Leipzig, in Form einer Doppelgarnitur eines dreiteiligen und eines fünfteiligen Talent 2 ging es mir ebenso. Aber ich quetschte mich noch rein ins tolle Ambiente. Die Ansage der Anschlusszüge vor dem Halt in Coswig brachte mich, im Türraum stehend, auf frühe Fluchtgedanken. Nach Ansage der Ausstiegsseite kurz vor knapp wurde die Flucht durch einen roten Aufkleber „Tür außer Betrieb“ fast vereitelt. Ich setzte zum hektischen Gepäckhürden- und Reisendenschlängellauf zum anderen Wagenende an. Gerade noch so kam ich ins Freie. Völlig relaxt verlief dann der Rest der Heimfahrt mit der S-Bahn.
 
Die Gehzeit betrug pausenbereinigt 3 h 45 min. Der absolvierte Seeuferpfad am Mittelteich ist mit T2 zu bewerten, die übrige Strecke als T1.

Tourengänger: lainari


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