Tessiner Grat-Tour par excellence; Piora-Pécianett

Ausgehend von Piora und dem Lago Ritom erreicht man auf markiertem Wanderweg den Passo Forca. Hier verlässt man den Wanderweg und folgt in Aufstiegsrichtung auf der linken Seite einer deutlichen Pfadspur (ohne Markierungen) die in einfachem Gelände auf den Grat leitet. Auf dem Grat vereinzelt über Felsen, zu Beginn aber v.a.  auf der steilen Süd-Flanke ausweichend erreicht man den Poncione d’Arbione (bis hierhin T4-). Der Pécianett und die spektakuläre Aufstiegsroute treten nun deutlicher ins Blickfeld. Was für ein Anblick! Kaum vorstellbar, dass dieser Grat, luftig und scharf, mit seinen Erhebungen und steilen Flanken überschreitbar ist. Wo da auch noch ein «Pass» sein soll war mir zu Beginn schleierhaft.. Zum Poncione Pro do Roduc steigt man bequem auf dem breiten Grat ein Stück ab, dann kurz über Gratfelsen hoch und zunächst südlich des Grates zu einem Grassattel runter, welcher in einer immer steiler werdenden Querung wieder auf den Grat hinauf leitet. Weiterhin sind immer wieder Spuren sichtbar. Diese Querung ist grundsätzlich nicht schwierig, aber doch etwas ausgesetzt und zu dieser Jahreszeit sollte man wegen dem hohen Gras etwas vorsichtig sein. Bei Nässe ist diese Stelle sicher heikel. Nach kurzer Zeit ist dann der Passo Comasnengo auch erreicht - viel weniger schwierig als vermutet. Über den «Passo» könnte man wohl (wenn auch mühsames Gelände) unschwer ins Val Piora absteigen. Gut zu wissen, denn ab hier wird die Route deutlich anspruchsvoller. Klare Wegspuren findet man keine mehr, jedoch immer wieder Wildspuren, die oft tiefer in die Süd-Flanke leiten. Auf dieses Ausweichen in vermeintlich «einfacheres» Gelände sollte man unbedingt verzichten, und, auch wenn es einem nicht immer leicht fällt, konsequent auf dem Grat bleiben. Denn diese Spuren führen zumeist in heikles Gelände; sehr steile Grashänge mit zum Teil losem Gestein. Es gibt nur wenige Stellen, die man südlich und unmittelbar unterhalb des Grates umgeht. Diese Stellen sind aber zumeist klar, z.B. wenn der Grat abbricht. Eine scharfe Kante wird nördlich umgangen; hier muss man eine kleine Platte kurz hochklettern. Dies ist dank einer Rinne und teilweiser Stufung sehr gut machbar. Insgesamt sehr kompakter Fels auf dem Grat (T5, I-II). Für den letzten steilen Aufschwung zum Pécianett bleibt man entweder nahe am Grat, über Felsen oder einfacher etwas in die Südflanke ausweichend. V.a. diese Passage erscheint aus der Distanz unüberwindbar. Umso erstaunlicher ist es, dass es verhältnismässig einfach geht. Auf dem Pécianett hat man dann viel Platz und eine phenomenale Sicht auf die Laghi Chièra und die angrenzenden Gipfel des Pécian und Pizzo del Sole. Von hier stieg ich kurz über den Grat und dann direkt zum grossen See (ist immernoch T5, hatte ich etwas unterschätzt) und anschliessend auf dem Wanderweg nach Somprei, Predelp und (dank verpasstem Bus) runter bis nach Mairengo (Faido). 

Fazit: Eine aussergewöhnliche, einsame und aussichtsreiche Tour über den Traumgrat zwischen Val Piora und Valle Leventina. Der Grat sieht von weitem nahezu unüberwindbar aus, ist in der Tat aber (verhältnismässig) deutlich einfacher zu begehen als man glauben mag. Da man aber unterwegs nicht so recht weiss was noch kommt, bleibt es spannend bis zum Schluss. :) Während die Ritombahn und die Gegend um den Ritomsee wie so oft gut besucht waren, traf ich ab dem Passo Forca bis zum Wanderweg der auf den Pécian führt keinen einzigen Menschen. Auch bei den Laghi Chièra schien ich an diesem Tag weit und breit die Einzige zu sein. Eine Traumtour.