3. Sellaturm 2696m - Den Massen geschickt ausgewichen


Publiziert von georgb , 27. Juli 2023 um 09:41.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:26 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 500 m

Wir beschließen einen sehr frühen Start, um dem massenhaften? Gegenverkehr am Normalweg zum 3. Sellaturm zu entgehen. Erfahrungsgemäß herrscht hier reger Kletterbetrieb und die Aspiranten der anderen Führen nutzen auch den gleichen Abstieg. Stau oder Steinschlag kann man in so einer Route überhaupt nicht gebrauchen.
So starten wir am Sellajoch bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und holen sämtliche verfügbare Kleidungsstücke aus dem Rucksack. Doch bald wird klar, dass heute vermutlich außer uns niemand auf dem Weg zum 3. Sellaturm unterwegs sein wird, der Kälteeinbruch und die nächtlichen Regen, bzw. Schneeschauer schrecken ab!?
Dafür begrüßen uns andere Frühaufsteher, Murmeltiere und Steinböcke schauen uns erstaunt zu, wie wir frierend durch die Landschaft stapfen. Beim 3er Einstiegswändchen klopfen wir uns den Matsch von den Schuhen und kratzen den Dreck aus dem Profil. Trotzdem muss ich dreimal an einem speckigen Tritt ansetzen, bis die erste Hürde überwunden ist.
Um nicht zuviel Zeit zu verlieren, beschließen wir zunächst seilfrei im II/IIIer Gelände aufzusteigen. Auch wenn es nur 500 Höhenmeter bis zum Gipfel sind, wird es eine tagesfüllende Tour. Vor dem Gipfelsturm braucht es an der Scharte zwischen Turm 2 und 3 zudem zwei Abseiler auf die Nordwestseite, erst dort beginnt der eigentliche Anstieg über das famose Ringband.
Schon hier stockt mir vorübergehend der Atem, eine spektakulär aussehende, ausgesetzte Kriechstelle zehrt an den Nerven. Aber je näher wir kommen, umso einfacher wird die Stelle. Von III wie im Topo beschrieben, kann keine Rede sein! Wir queren meist im Gehgelände weiter und an einem offensichtlichen Absatz beginnt der Einstieg in die Kletterstrecke. Hier seilen wir an und Dandl zieht gewohnt souverän voraus. Es folgen ein paar Genussseillängen im SG II/III bis zur Schlüsselstelle über einer Gedenktafel.
Der senkrechte Riss ist mit IV- sehr milde bewertet, aus unserer Sicht eine satte IV mit Plustendenz. Ich komme an meine Grenzen und bei manchem Tritt braucht es mehr als einen Versuch, hier endet mein Genussgelände. Die ausgesetzte 3er Querung danach ist da reinste Erholung und schon steht der Gipfelsteinmann vor unserer Nase.
Wir waren schnell, trotzdem sind wir annähernd 4 Stunden unterwegs. Gut, dass wir so zeitig gestartet sind, auch den gefürchteten Gegenverkehr hätten wir geschickt vermieden, wenn außer uns noch jemand unterwegs gewesen wäre ;-) Richtig genießen können wir den Gipfelaufenthalt nicht, die Sonne zeigt sich nur sporadisch und der eisige Nordwind bläst erbarmungslos. Trotzdem zieht uns der Sellaturm in seinen Bann, was für eine eindrucksvolle Bergfahrt!
Doch das Abenteuer ist lange nicht vorüber und schon die Suche nach der ersten Abseilstelle gestaltet sich spannend. Von der Kette ist kaum etwas zu erkennen, anscheinend hat sich eine abgerutschte Platte darüber geschoben und sie leicht verdeckt!? Dank der auffälligen Steinmänner haben wir die Ringe gefunden und landen wenig später unter der Schlüsselstelle.
Wir zögern kurz, lassen das Seil dann aber doch am Rucksack und klettern ab. Eine 2er Serie lässt sich in bestem Fels recht ordentlich absteigen, für den letzten Kamin (III+) nutzen wir aber gerne einen der neuen Ringhaken zum Abseilen auf das Band. Wer möchte, kann auch die ganze Strecke absichern, es sind inzwischen mehrere Haken vorhanden!
Das Schwierigste wäre hiermit geschafft und immer noch bleiben wir vom Gegenverkehr verschont ;-) Mutterseelenallein schleichen wir uns auf dem Ringband abwärts, kriechen unter dem Felsendach durch und stehen an der bestens eingerichteten Abseilpiste. Es fehlen noch fünf Freiflüge à 25 Meter und das Abenteuer 3. Sellaturm ist beendet, grandios.
Es zieht mich nochmal zum Rifugio Valentini, auch dort sind wir von den Massen verschont. Ganz alleine sitzen wir auf der Sonnenterrasse und lassen den Tag Revue passieren. Es gibt ein schmackhaftes Stück Kuchen, langsam beruhigt sich der Adrenalinpegel wieder und wir rollen unter den Sellatürmen vorbei zufrieden heimwärts.

Anmerkung:
Bei der Einstufung der Wanderschwierigkeit haben wir gezögert. Obwohl der Sellaturm als Kletterroute beschrieben wird, ist er auch eine anspruchsvolle alpine Bergtour. Viele Passagen sind kaum abzusichern und müssen (auch aus Zeitgründen) bis zum 3. SG frei begangen werden. Die Tour verlangt außerdem Orientierungsvermögen und absolute Trittsicherheit in maximal ausgesetztem Gelände. Hier handelt es sich nicht um eine reine Kletterroute, sondern das ganze Spektrum des anspruchsvollen Bergwanderns ist gefordert, deshalb T6.

Tourengänger: georgb, Dandl


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Kommentare (2)


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Uli_CH hat gesagt: Beeindruckend
Gesendet am 28. Juli 2023 um 17:41
Ist das eure erste gemeinsame Tour?

Liebe Grüsse, Uli

georgb hat gesagt: RE:Beeindruckend
Gesendet am 28. Juli 2023 um 20:58
Wir haben schon vorher gemeinsame Erfahrung gesammelt ecco ;-)


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