Piz Miara 2941m - Vom Regen in die Traufe


Publiziert von georgb , 6. Juli 2023 um 21:41.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 3 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4+ (S+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m

ZvB hat sich zwar von Hikr.org zurückgezogen, den Bergen ist er aber nach wie vor treu. Er hat sich für ein paar Tage am Sellajoch einquartiert und ein Bett im Doppelzimmer wäre noch frei. Dieses Angebot kann ich nicht ablehnen, obwohl zwei Nächte mit Zing vom Berg eine nicht zu unterschätzende Herausforderung sind!? Trotzdem wage ich das Experiment, setze mich in den Wagen und fahre im Morgengrauen dem Sellajoch entgegegen.
Das Grauen geht in Regen über und ich sehe sämtliche Tourenplanungen im Wasser dahinfließen. Erst hinter dem Grödner Joch lichtet sich der Himmel zaghaft und als ich Zings Gesicht dazu leuchten sehe, kommt wieder Hoffnung auf, vielleicht geht ja doch etwas?
Mit dem Pößnecker Klettersteig haben wir uns gleich zu Beginn ein anspruchsvolles Ziel gesetzt, bei diesem Wetter grenzwertig. Mit gemischten Gefühlen steigen wir unter den furchteinflößenden Nordwänden der Sella entlang, die Nässe behagt uns überhaupt nicht. Am Einstieg steht für Zing schon fest, den Klettersteig will er sich bei diesen Bedingungen nicht antun!
Bevor wir tatenlos zurücklaufen, will ich wenigstens ein Stück ansteigen, um die Griffigkeit der Felsen zu prüfen. Nach den ersten Metern stelle ich fest, dass es erstaunlich viel grip gibt, trotz der Feuchtigkeit. Beim Blick auf den Himmel über und Zing unter mir entschließe ich mich trotzdem abzusteigen und hänge die Karabiner tiefer.
"Geh doch wenigstens noch ein Stück bis zur Schlüsselstelle, jetzt habe ich extra den Fotoapparat ausgepackt!" höre ich ihn rufen und schon bin ich umgestimmt. Ich taste mich höher, prüfe gründlich die Tritte und komme gut voran. Nach der ersten armlastigen D-Stelle gibt es auch kein Zurück mehr, jetzt muss ich bis zum Ende durch!
Ich lasse Zing stehen und ziehe mich weiter an der Wand entlang höher. Der altehrwürdige Pößnecker gehört nach wie vor zu den schwierigen Dolomitenklettersteigen, einige Stellen C/D erfordern Armkraft und der Steig zieht sich über lange 600 Höhenmeter bis auf die Sellahochfläche, Notausstiege gibt es nicht! Ich passiere eine kurze, ungesicherte, aber nicht ausgesetze 2er Passage und zwänge mich durch einen spektakulär engen Spalt. Die düstere Wand und der nach wie vor bewölkte Himmel lassen mir langsam das Herz ein wenig in die Hose sinken.
Ich vertraue auf den Wetterbericht, die Sonne soll sich durchsetzen und Schauer sind nicht vor dem späten Nachmittag zu erwarten, das müsste passen!? Trotzdem ist die Stimmung unheimlich, ich bin der einzige Mensch weit und breit, faszinierend aber auch bedrückend. Ich erreiche eine weite Geröllterrasse und hier ist der anspruchsvollste Teil des Pößneckers geschafft, ich atme durch.
Immer noch ist der Himmel wolkenverhangen und ich nähere mich der zweiten Felspassage zum Piz Selva. Hier geht es deutlich kommoder zu (B/C) und das Ambiente wird immer faszinierender, die Sella zieht mich in ihren Bann. Auf der Hochfäche öffnet sich der Blick nur sehr zögerlich und ich schleiche mich an den Markierungen entlang weiter bis zum Piz Miara mit seinem riesigen Kreuz.
Hier könnte man weitergehen bis zur Forcella Antersasc, aber ohne Aussicht ist das heute wenig lohnend und außerdem wartet Zing schon unten im Val Lasties. Ich wähle die Abkürzung direkt hinab durch das Valun Blanch und über den versicherten Steig Pian de Siela. Drahtseile und Trittklammern helfen in den abschüssigen Felsen, endlich lichtet sich auch der Himmel und die Sonne scheint dazu, meine Stimmung hellt sich auf!
Als ich im Talgrund Zing winken sehe, ist der Tag gerettet und der gemütliche Teil kann beginnen. Gemeinsam steigen wir durchs Lastiestal ab, die Murmeltiere begleiten uns und der Bach rauscht nebenan. So sehr, dass der Normalweg kaum mehr begehbar ist und eine Stelle nur mit nassen Füßen und viel Mut passierbar ist!
Auf Zing ist Verlass, er hat das Gelände schon bei seinem Aufstieg erkundet und weiß eine trockene Umgehung am anderen Ufer der reißenden Fluten. Wir passieren ein paar faszinierende Wasserfällle und treffen wieder auf den markierten Steig zurück zum Sellajoch, die Sonne lacht, das Leben könnte nicht schöner sein!
Kaum gedacht, ziehen dunkle Wolken auf und der Donner kracht. In Windeseile nähern sich die ersten Gewitter und Graupel prasselt nieder. Wir rüsten um auf wasserdicht und trotzen den Wetterunbilden. Beim Blick aufs GPS zählen wir 280 Höhenmeter Gegenanstieg, das könnte wehtun!?
Wir quälen uns weiter, das Goretex gibt auf und der Wind bläst eiskalt übers Sellajoch. Ausgekühlt und pitschnass stehen wir an der Unterkunft, vom Regen in die Traufe.

Tourengänger: georgb


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Kommentare (1)


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Bertrand hat gesagt:
Gesendet am 20. Juli 2023 um 15:57
>faszinierend aber auch bedrückend

Un bon résumé de la montagne aux yeux de ceux qui l'aiment...


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