Kleine Alplesspitze (3067m) - unscheinbarer, aber anspruchsvoller Dreitausender


Publiziert von BigE17 , 13. Juli 2023 um 22:49.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum: 7 Juli 2023
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1550 m
Abstieg: 1550 m
Strecke:18 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Huben. Hier führt eine Straße nach Westen ins Defereggental. Man fährt bis Erlsbach, dann zweigt rechts die Straße zum Alpengasthaus Oberhaus ab. Bei der Abzweigung befindet sich ein großer gebührenpflichtiger Parkplatz.
Unterkunftmöglichkeiten:Keine (Die Seespitzhütte ist momentan geschlossen)

Die Kleine Alplesspitze ist ein unbekannter Gipfel im südlichen Panargenkamm. Ganz unscheinbar liegt sie im langen SO-Grat der Großen Alplesspitze. Dementsprechend wird sie kaum bestiegen - weitere Gründe sind der mühsame und weglose Zustieg, und der anspruchsvolle Gipfelanstieg. Im südlichen Teil des Panargenkammes war sie der letzte Dreitausender, der mir noch fehlte, daher hatten ich und ein Tourenpartner beschlossen, die Kleine Alplesspitze zu besteigen.

Auf Grund von Termindruck am Nachmittag mussten wir bereits um 5:00 in Erlsbach starten - eigentlich viel zu früh, weil es in der Nacht geregnet hatte und deswegen alles nass war. Wir begannen, über den Blumenweg Richtung Erlsbacher Alm aufzusteigen. Doch der Weg war nicht mehr wiederzuerkennen: Im unteren Teil verläuft er wegen Bauarbeiten mittlerweile ein wenig anders, und ab ca. 1650m war der Steig ziemlich verwachsen. Wenigsten war der Weg trotzdem kaum zu verfehlen. Durch den Aufstieg im nassen, sehr langen Gras wurden wir bis über die Knie nass. So erreichten wir nach einem mühsamen Aufstieg die Erlsbacher Alm. Hier verließen wir den Steig.

Wir wanderten im langen, nassen Gras in Richtung Alplesseen. Dabei blieben wir stets auf der im Aufstiegssinne rechten Talseite. Dabei mussten einige Grasstufen überwunden werden, zwischendurch waren auch immer wieder kleine Blockhalden mit feuchten, rutschigen Felsen zu queren. Nach einem kurzen Steilstück begannen wir, in das Kar mit den Alplesseen flach hineinzuqueren. Dabei trafen wir auch auf erste Schneefelder, die zwar wegen der kalten Temperaturen sehr hart, aber auch griffig waren. So erreichten wir den untersten Alplessee, und eine kleine Stufe führte uns zum mittleren.

Nun betraten wir ein langgezogenes Schneefeld, um über dieses bis zur Aufstiegsrinne zu queren. Diese befindet sich westlich vom mittlerweile gut sichtbaren Gipfel der Kleinen Alplesspitze. Die Rinne war gottseidank schon ausgeapert, ansonsten wären Steigeisen notwendig gewesen. So stiegen wir durch anstrengendes, aber nicht zu lockeres Geröll durch die Rinne auf. Kurz bevor wir dann doch wieder ein Schneefeld erreicht hätten, erblickten wir auf der rechten Seite einen kurzen Kamin. Wir kletterten kurz durch diesen empor (1 Stelle II, kleingriffig), und standen nach wenigen Metern im Geröll am tiefsten Punkt zwischen der Großen und Kleinen Alplesspitze. Ab nun befanden wir uns endlich in der Sonne, und die Felsen waren trocken.

Nun war es notwendig, in die  NO-Wand zu queren. Dabei war gleich zu Beginn ein unangenehmer Spreizschritt zu machen (II). Danach mussten wir absteigend in die Wand queren (I-II, brüchig). Schon nach kurzer Zeit erkannten wir, dass wir nun recht einfach wieder Richtung Grat aufsteigen könnten (I). Dies taten wir auch, weil wir dachten, nun schon den Gipfel erreichen zu können. Doch am Grat erkannten wir, das dieser südlich von uns liegt. Und der Gipfelaufbau sah sehr schwierig aus. Doch um dorthin zu kommen, mussten wir noch kurz über eine Platte absteigen (I-II). Von Norden her war der Gipfelaufbau nicht zu bezwingen, daher mussten wir ihn umgehen. Dazu querten wir erneut in die NO-Wand, um ihn auf einem schmalen Schuttband zu umgehen. Zum Abschluss der Querung mussten wir über eine Blockrinne aufsteigen. Diese sah zwar sehr instabil aus, aber gottseidank wackelten nur die kleinsten Blöcke im unteren Teil. Nun befanden wir uns südöstlich des Gipfels, und auch von dieser Seite sah der Aufstieg alles andere als einladend aus. Da diese Seite noch das geringste Übel zu sein schien, probierten wir es trotzdem. Dazu mussten 2 höllisch ausgesetzte Platten direkt am Grat bezwungen werden (III-). Nach einer weiteren, kurzen, sehr luftigen Gratpassage (II) erreichten wir dann doch noch den Gipfel.

Die Aussicht war heute sehr gut: Der Großvenediger und Co. im Norden, im Osten Glockner- und Schobergruppe, im Süden die Dolomiten und im Südwesten die Rieserfernergruppe. Die Gipfelrast konnten wir aber dennoch nur so halb genießen, denn der wilde Abstieg stand uns ja noch bevor.

Wir kletterten vorsichtig über die Schlüsselstelle ab. Diese Platten waren im Abstieg noch unangenehmer, als im Aufsteig. Das ging gerade noch so ohne Seil. Danach stiegen wir am Aufstiegsweg zurück bis in die Scharte, wobei der Spreizschritt in diese Richtung deutlich einfacher war. Da wir die Große Alplesspitze bereits bestiegen hatten, versuchten wir deren SO-Grat nicht mehr. Stattdessen stiegen wir die Schuttrinne ab. Da wir auf den Schneefeldern unterhalb bereits zum Teil knietief einbrachen, bewegten wir uns meist im mühsamen Blockgelände, nur gelegentlich folgten wir den Schneefeldern. Wir passierten wieder die Alplesseen. Unterhalb von den Seen bewegten wir uns leicht westlich vom Aufstiegsweg, wodurch wir uns die Blockquerungen sparten, dafür jedoch eine sehr steile Grasrinne absteigen mussten. So gelangten wir zurück zur Erlsbacher Alm, und wir folgten dem verwachsenen Steig hinunter bis nach Erlsbach, wo wir um 13:00 ankamen.

Erwähnenswertes:

1. Der Anstieg zur Kleinen Alplesspitze ist sehr anspruchsvoll. Ab der Scharte zwischen Kleiner und Großer Alplesspitze müssen mehrere ausgesetzte Stellen im 2. Schwierigkeitsgrad, sowie eine sehr luftige Stelle im 3. Grad überwunden werden. Desweiteren ist der Fels in der Flanke stellenweise ziemlich brüchig. Wenigstens ist der Fels an der Schlüsselstelle fest.

2. Eine Seilsicherung ist an der Schlüsselstelle dringend zu empfehlen. Am Grat gibt es genügend natürliche Sicherungsmöglichkeiten.

3. Die alternativen Zustiege sind deutlich anspruchsvoller: Der lange SO-Grat von der Westlichen Erlsbacher Spitze her ist ein ziemlich heikler 2. Schwierigkeitsgrad, außerdem muss auch hier die III- am Gipfelaufbau bezwungen werden. Man kann die Scharte zwischen den Alplesspitzen auch erreichen, indem man die Große Alplesspitze überschreitet und über den SO-Grat absteigt (II). Man kann auch durch die NO-Wand über den sogenannten "Gamsgrat aufsteigen (III+, lang).

4. Die Aufstiegsrinne kann man über 2 Alternative Aufstiege erreichen: Man kann von St. Jakob Innerberg vorbei an der Seespitzhütte bis fast auf die Seespitze steigen, dann über eine absteigende Rampe ins Kar mit den Alplesseen queren. Oder man kann vom Oberhaus aus über den Ochsenhof zur Panargenlenke aufsteigen, und dann entweder absteigend zum untersten Alplessee queren, oder über übles Blockgelände direkt zum obersten Alplessee aufsteigen.

5. Sobald man Erlsbach verlässt, befindet man sich auf diesem Anstieg in einsamem Gelände. Das Kar mit den Alplesseen ist sehr verlassen und wird äußerst selten besucht. Die Kleine Alplesspitze dürfte hingegen kaum öfter als 5-mal im Jahr bestiegen werden. Auch ihre Nachbargipfel werden - abgesehen von der Seespitze - eher selten erklommen.

6. Trotz des mühsamen und ansprochsvollen Aufstieges bietet die einsame Gegend ein tolles Bergerlebnis. Das liegt an den tollen Bergen, die das Aufstiegstal umrahmen, aber auch an der tollen Fernsicht in die Dolomiten. Sobald man in die Nähe des Gipfels kommt, kann man plötzlich auch Richtung Venediger und Glockner blicken. Deshalb ist die Kleine Alplesspitze für erfahrene Bergsteiger ein durchaus interessantes Gipfelziel.

Tourengänger: BigE17


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Kommentare (2)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 14. Juli 2023 um 21:42
Top Tour. Gratulation! Wilde Ecke.

Gruß Nico

BigE17 hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. Juli 2023 um 22:55
Danke :)

Ja die Alplesspitzen haben es ganz schön in sich. Umso überraschender, dass die Nachbargipfel relativ einfach zu besteigen sind.


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