L'Albaron (3.638 m) - solo und eisfrei


Publiziert von panodirk , 13. September 2022 um 11:33.

Region: Welt » Frankreich » Grajische Alpen » Charbonnel Gruppe
Tour Datum: 5 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: F   I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:23 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Etwa 1 km östlich von Bessans führt eine Straße ins Tal von Avérole. Am großen Parkplatz in Vicendières (1.818 m) ist dann Schluss für Touristen.
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.
Unterkunftmöglichkeiten:Refuge d'Avérole (2.210 m), hervorragend und liebevoll geführte Hütte - komplett auf Bio-Produkten
Kartennummer:IGN 3634OT Val Cenis

Endlich der L'Albaron! Dieser stolze hochalpine Berg inmitten (immer noch) gewaltiger Gletscher mit seinem Fußballfeld-großen Gipfelplateau ist einfach ein Anziehungspunkt - und für mich schon sehr lange! Und dass das ganze eisfrei - und dann auch noch solo - geht, hat mich erfreut und überrascht!
Ist der L'Albaron also ein Wanderberg? Mit Abstrichen ja: Es ist ein Alpin-Wanderberg, auf dem Normalwanderer nichts verloren haben. Hochgebirgserprobte Aspiranten finden allerdings sehr wildes Gelände, dafür kaum nennenswerte technische Schwierigkeiten. - Entsprechend habe ich meine Liste der wanderbaren Berge über 3.600 m hier ergänzt.
Dieses Jahr wollten wir den L'Albaron über die klassische Route über den Selle des Evettes vom Refuge Avérole aus machen, doch stellt sich heraus, dass diese Route, die in Steilschutt und steile Felsen am Nordabfall des L'Albaron mündet, im Sommer nicht mehr praktikabel zu sein scheint; es gibt keinen Wegweiser mehr und die Fixseile gammeln vor sich hin. Oh weh, denen würde ich mich nicht anvertrauen wollen!
Alternativ gibt es aber die Anstiege aus der Passage du Colerin, einem kleinen Hochgebirgspass, der mittlerweile für die Tour de la Bessanese ausgebaut und bestens markiert wurde. Auf italienischer Seite kann man zum L'Albaron über den Ghiacciaio del Collerin aufsteigen, wie cardamine es getan hat. Von französischer Seite bietet sich der komplette Grat an über die Pointe du Colerin, wie hier zu lesen ist.
Schlüsselstelle der Tour ist die riesige Platte (Dalle du Colerin), die südlich der Pointe du Colerin vorgelagert ist. Diese Platte ragt bis an den Grat, ist teilweise auf dem schmalen Grat, teilweise auf Reibung oder auf schmalen Tritten begehbar und an einigen Stellen muss man sich an der Gratschneide festhalten, um über trittlose Platten zu gelangen. Das ist alles kein Hexenwerk und an sich nicht schwierig, es bedarf aber eines absolut sicheren Tritts und eines kühlen Kopfes, denn die Passage ist gar nicht mal so kurz. Ist dies gegeben, macht die Passage sogar Spaß und ist schnell vorbei. Arg wird es, wenn wie bei mir morgens um 10 Uhr die Platten noch mit Rauhreif bedeckt sind. Dann ist besonders viel Obacht geboten, man kann sich teilweise über den Grat robben oder man umgeht den unteren Teil auf der warmen Südseite, allerdings heikel auf schmalen und rutschigen Bändern.
Der restliche Grat ist eigentlich einfach, bietet kaum Kletterei (kurz wird mal der IIer-Grat tangiert). Heikel, wenn auch unschwierig, ist - wie cardamine zurecht schreibt - die Umgehung des Felsbugs kurz vor dem finalen Gipfelaufschwung im steilen rutschigen Schutt.
Der Gesamtcharakter ist eine hochalpine Tour mit ernsten Hindernissen und langer Passage am Grat, doch ohne besondere technische Schwierigkeiten. Aber allein die Platte rechtfertigt ein T5+.
Als Material sind für diese Tour die besten Sohlen, die verfügbar sind, anzuraten - egal ob Halbschuh oder Stiefel. Ansonsten braucht es nichts - ein Pickel kann bei einem unerwartetem Schneefeld oder im steilen Schutt gute Dienste leisten! Unbedingt abzuraten ist von der Tour bei Vereisung der Platte oder bei Schneeresten!
Ansonsten auch noch gut zu wissen: Der L'Albaron ist meiner Erfahrung nach wettertechnisch der gutmütigste Berg in der ganzen Gegend, der sich oft als letztes einwölkt. Der Berg steht zurückversetzt von der italienischen Grenze und bekommt die piemontesischen Nebelschwaden nicht mit. Der Berg steht weit hinten drin im Hochgebirge und ist daher recht gut geschützt; bis die Fronten hier die ersten Wolken ablegen, ist die Dent Parrachée schon seit Stunden eingenebelt.

DIE TOUR
Der obligatorische Parkplatz befindet sich kurz vor Les Vicendières (1.818 m) im Tal von Avérole. Den Weg zum Refuge d'Avérole (2.210 m) kann man gut im Dunkeln bewältigen. Der Weg folgt der Teerstraße, dann der Schotterpiste (Abkürzungen sind möglich und ausgeschildert) und dann dem guten Wanderweg hinauf zur Hütte, die nach etwa 75 Minuten erreicht ist.
Seit sich die Gletscher zurückziehen und es die Tour de la Bessanese gibt, startet am Refuge d'Avérole der Wanderweg zur Passage du Colerin. Der Weg ist stets gut rot-weiß markiert und führt zunächst steil aufwärts durch schönes Wiesengelände. Später geht es über Schutt und Gletscherschliffplatten auf eine Moräne und diese hinauf (hier waren kurz mal die Markierungen abwesend). Weiter oben geht es nordwärts durch schroffes Gelände, welches der Gletscher erst vor kurzem freigegeben hat, bei uns sogar über ein Stückchen waagerechten Gletscher und schon stehen wir an der Passage du Colerin (ca. 3.200 m, 2:30 bis 3 Stunden ab der Hütte).
Ab hier geht es für mich alleine weiter. Ich schaue etwas mitleidig auf die steile Schotterrinne, die nach Italien hinabführt. Doch auch für mich weist das Gelände Steilschutt auf in der Flanke zum Vorgipfel des Pointe du Colerin. Diese 200 Höhenmeter lassen sich erstaunlich gut bewältigen, findet sich doch meistens ein gebahntes Weglein (Scheinbar ist dieser Anstieg in den letzten Jahren vermehrt in Mode gekommen). Am Vorgipfel angekommen, schaut man sofort auf die riesige Platte Dalle du Colerin, die zum Hauptgipfel Pointe du Colerin herüberführt. Wie schon im Vorwort erwähnt, waren bei mir sonnenabgewandte Steine und Platten rutschig und mit Rauhreif überzogen - und die Dalle du Colerin weist nach Nordwesten! Rauhreif auf den Platten ist hübsch anzuschauen, aber weniger nett zu gehen. Mir waren dann die Platten zu heikel und ich habe auf schmalen Bändern in der Südseite ein Durchkommen gesucht und gefunden. Aber auch die Umgehung ist heikel und aufsteigend noch einigermaßen zu bewältigen. Ich würde nach Möglichkeit dennoch davon abraten - auch im Aufstieg! Später verlieren sich die südseitigen Bänder in gefährlichem Gelände und dann muss man eh hoch und kommt kurz vor Ende der Platte auf dem Grat heraus. Ich habe mich dann meist an der Gratkante festgehalten und bin so recht gut zum Ausstieg der Platten gekommen. Da das ganze Piemont schon dampfte, war auf der Pointe du Colerin (3.475 m) nichts zu sehen und ich konnte den Gipfel auf einer passablen Umgehung rechts liegen lassen (man sollte schon 45-60 Minuten bis hierher vom Pass einplanen).
Der Rest ist dann meist herrliches Gratwandern! Am besten geht es immer auf der Gratkante, es gibt einige Umgehungen auf der rechten (östlichen) Seite. Eine solche ostseitige Umgehung leitet in den Sattel Selle d'Albaron, wo auch die Gletscher-Aspiranten aus Italien (und im Frühsommer auch vom französischen Refuge des Evettes) anlanden. Das Gelände bleibt sehr angenehm; der Grat ist breit und gutmütig bis zur Stelle, an der sich der Schiffsbug mit dem Kreuz in den Weg stellt. Erst, wenn man das Kreuz schon sieht, beginnt die Umgehung - nicht vorher (siehe Bild)! Es geht ca. 20 Höhenmeter steil links hinab in meist gut gehbarem, aber rutschigen Schutt. Man halte aber, bevor man den Spuren immer tiefer in übles Gelände folgt, Ausschau nach dem Ausstieg nach rechts - ein etwas versteckter Steinmann weist den Weg. Dann geht es über ähnlich übles Gelände wieder hinauf. Jetzt wartet nur noch der Gipfelaufschwung auf mich - der ist aber auch noch ganz schön lang, aber stets gutmütig und gut gehbar. Eine IIer-Stelle habe ich entdeckt, sonst war alles I. Kurz vor dem Gipfelaufbau des Südgipfels führt eine gute Spur ostseitig an den Felsen vorbei und mündet in das riesige Gipfelplateau. Endlich! Und nun noch die letzten genussvollen Schritte zum 200 Meter entfernten Nordgipfel! Was für eine Aussicht, bei mir leider mal wieder (wie so oft dieses Jahr) von Wolken getrübt! Doch es ist ein tolles Gefühl, auf dem L'Albaron (3.638 m) zu stehen. Etwa 1 Stunden ab der Pointe du Colerin.
Der Abstieg erfolgt nun auf dem kompletten Anstiegsweg. Der Grat hinüber zur Pointe de Colerin ist im Abstieg noch schöner; die Umgehung kennt man ja schon! Die Platte Dalle de Colerin ist nun mit Sonne sehr einfach zu gehen. Meist kann man nah der Gratschneide über die Platten gehen. An den Stellen, an denen sie etwas geneigter sind, helfen die Hände an der Gratschneide und auch die trittlosen Platten sind schnell und einfach überwunden. Und wie schön es hinabrauscht den Geröllhang hinunter in die Passage du Colerin - ein Traum - bis hierher maximal 1:30.
Zurück auf der wunderbar geführten und gelegen Hütte Refuge d'Avérole (nach weiteren 1:30) ist erst einmal eine Einkehr bei ausschließlich Bio-Produkten fällig - das Bio-Bier aus Aussois ist sehr lecker!
Von dort geht es in 1 Stunden zurück zum Parkplatz und eine herrliche Tour geht zu Ende!

NB
Ich konnte die Einkehr an der Hütte gar nicht genießen, weil ich feststellte, dass ich Autoschlüssel samt 20 Jahre altem innig-geliebten Schlüsselanhänger verloren hatte - außerdem Taschenmesser und Stirnlampe. Ich vermutete, alles auf dem Gipfel des L'Albaron verloren zu haben. Und entschloss ich mich direkt abends dazu, am Folgetag noch einmal hinaufzugehen. Zum Glück fand ich anderntags auf halber Höhe 2.700 m das gesuchte Schaf mit allen anderen Untensilien auf dem Wanderweg liegend. Das ersparte mir ein zweites Gipfelerlebnis in zwei Tagen und einige Höhenmeter - und über die Tour konnte ich mich ab dem Zeitpunkt dann auch wieder freuen und schreibe dankbar diesen Bericht! 

Tourengänger: panodirk


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